Musik

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Christian Franz wird in allen Aufführungen des ‚Ring des Nibelungen’ dabei sein: Loge im Rheingold, Siegmund in Die Walküre und Siegfried in Siegfried und Götterdämmerung.

„Wagners Opern bilden bis heute eine wichtige Säule meiner künstlerischen Existenz oder, anders ausgedrückt: Wagner ist mein Brötchengeber, dank der unvergleichlichen Phantasielosigkeit jener Entscheidungsträger, von denen ich früh auf Wagner festgelegt worden bin. Aber ich muss da auch gleich etwas Gutes sagen: Wagners Opern haben schon immens viel Substanz, was den Text angeht, was die Psychologie betrifft, da reicht aus meiner Sicht Verdi nicht heran. Wagner ist wirklich Theater, Theater mit Musik. Seine Genialität ist begründet durch das enge Zusammenspiel von Psychologie, Musik, Text. Die Psychologie seiner Figuren ist einfach raffinierter und ausgefeilter als beispielsweise bei Verdi.

Wenn ich ihm begegnen könnte, würde ich Wagner gerne fragen: ‚Warum hast’ denn immer so lang schreiben müssen? Warum denn immer, wenn das Wort ICH fällt, warum ist das immer auf der betonten Zähl-Zeit?’ Das verrät ja sehr viel über ihn selber, über seine Egomanie. Ich würde ihn gerne befragen über so manche seiner angeblichen Regieanweisungen, die mir nicht schlüssig vorkommen und die in der Partitur über der Musik geschrieben stehen. Zum Beispiel sagt Parsifal im dritten Akt, dass er jetzt zu Amfortas geht, (mit gesteigert stolzem Ausdruck) das Haupt nun salbe Titurels Genoss’, dass heute noch (groß, befehlend) als König er mich grüße. So soll Parsifal das sagen, steht da als Wagners Anweisung, und die Musik klingt dazu pathetisch. Aber die Situation ist doch eine ganz andere. Zum Vergleich: Wenn wir jetzt einen neuen Papst kriegen, wird der doch auch nicht mit stolz erfüllter Brust vor die Leute treten: „Ich bin jetzt Papst!“, sondern er wird sich eher etwas beklommen sagen: „Ach du lieber Gott!“
Und so ähnlich ist eigentlich diese Situation für Parsifal in der eben beschriebenen Szene. Solche Sachen gibt es ganz viel bei Wagner.

Warum ist Beckmesser musikalisch so eindimensional charakterisiert? Sodass man als Darsteller permanent darum kämpfen muss, dieser Figur trotzdem ein menschliches Gesicht zu geben. Die Figur wäre phantastisch, wäre sie nicht so festgelegt auf den antisemitischen Beigeschmack in der Rezeptionsgeschichte, so begründet diese Entwicklung auch sein mag.

Es ist wirklich ein furchtbarer Kampf mit dem Beckmesser. Das kann ich aus eigener Erfahrung beurteilen, denn ich hätte ihn fast einmal in Budapest gesungen unter dem Dirigat von Adam Fischer. Dann bemerkte ich, dass ich mich in dieser Stimmlage viel zu wohl fühle, und dachte mir, „oh, ich muss mich vorsehen, dass ich da nur nicht den Tenor verliere“. Denn diese Partie zieht die Stimme nach unten. Ich glaube, für mich ist es noch zu früh, solche Rollen länger zu singen.

Aber irgendwann kommt eine Rolle wie Beckmesser bestimmt für mich in Frage. Als ich angefangen hatte, diese Partie durchzuarbeiten, stellte ich zudem fest: Das sind so schnelle Notenwerte, du hast viel zu wenig die Möglichkeit, die Figur zu charakterisieren. Ein bisschen mehr Zeit, ein bisschen mehr Ruhe, und schon könnte man so viel aus dieser Figur machen! Nimmt man andererseits Mime, der hat noch weit eher die Möglichkeit, ungemein viele Facetten zu zeigen. Wie menschlich dieser Charakter in Wahrheit eigentlich ist, wird aber leider auf der Bühne viel zu selten gezeigt. Wenn man sich diese Figur einmal genauer ansieht: Aus seiner Sicht hat Mime völlig Recht, wenn er alles daran setzt, Siegfried zu vernichten.
All das sind Fragen, die ich Wagner stellen würde. Ich würde nach der Charakterisierung der Figuren aus seiner damaligen Sicht fragen. Warum hat er das so geschrieben und vielleicht anders gemeint, als wir es versuchen heute zu gestalten?

Wäre ich Wagner persönlich begegnet, wir hätten uns wohl nicht besonders gemocht. Ich stelle ihn mir sehr diktatorisch vor. Ich kann schlecht mit Leuten, die sich vergöttern lassen. Anders gesagt: Man kann schließlich die Dinge auf vielerlei Arten sehen. Es gibt keine absolute oder einzig gültige Wahrheit!

Katja Pieweck singt Magdalena, Fricka in Rheingold, Brangäne, Siegrune und zum ersten Mal Ortrud in Lohengrin sowie die ‚Wesendonck-Lieder’ in der Wagner-Soiree.

„Bis heute habe ich ein eher ambivalentes Verhältnis zum Werk Richard Wagners. Einer ‚natürlichen’ Abneigung – zu lang, zu laut, zu bombastisch – steht eine unglaubliche Bewunderung gegenüber. Es ist faszinierend, was dieser Mensch entwickelt hat und wie schöpferisch er war. Wenn man sich ganz auf die Musik und die Texte einlässt, gerät man in einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Es gibt einen Moment während der Rheingold-Vorstellung, wo ich das besonders deutlich empfinde, wenn wir – Fricka, Wotan, Donner, Froh – durch den Verlust von Freias Äpfeln, die den Göttern zur Unsterblichkeit verhelfen sollten, entkräftet auf dem Boden liegen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die Wucht des Orchesters zu erleben, wenn die Musik den Körper durchflutet und den Bühnenboden vibrieren lässt.

Meine erste Begegnung mit einer Wagneroper fand während meiner Schulzeit in Hannover statt. Ich sang im Mädchenchor und hatte gerade erst meine Liebe zum Singen entdeckt. Da wagte ich mich eines Tages in eine Vorstellung der Meistersinger von Nürnberg. Schon nach kurzer Zeit dachte ich mir, oh Gott, wo bin ich hier hineingeraten?

Die Oper nahm kein Ende, und die Musik war manchmal so laut, dass ich mich förmlich bedrängt fühlte. Zudem war die Inszenierung ein bisschen altertümlich, und es tat sich nichts, außer dass die Menschen auf der Bühne herumstanden und sangen.

Erst viel später, hier in Hamburg, wurde mein Urteil über die Meistersinger durch die wunderbare und erkenntnisreiche Arbeit mit Peter Konwitschny gründlich revidiert.
Aber damals war nach meinem ersten Meistersinger-Erlebnis das Thema Wagner für mich erst einmal erledigt. Alarmiert durch die endlose Länge der Stücke wagte ich mich lange Zeit nicht an das Studium der Partien heran.

Eine positive Begegnung mit Wagner ereignete sich während des Studiums mit den ‚Wesendonck-Liedern’, die ich, als ich das Masefield-Stipendium erhielt, gesungen habe. Das ist jetzt fast zwanzig Jahre her. Wenn ich die Wesendonck-Lieder demnächst wie der zu Gehör bringen werde, habe ich mittlerweile einen anderen Blick auf sie gewonnen, und meine Stimme hat sich auch verändert. Und überhaupt hat sich meine Stimme ja erst nach und nach in Richtung dramatisches Fach entwickelt, darum habe ich bisher noch gar nicht so viele große Wagnerpartien gesungen. Zunächst waren das ‚Zubringerpartien’, in der früheren Walküren-Inszenierung von Günter Krämer sang ich bereits die Siegrune. Die erste größere Herausforderung war dann die Brangäne 2006.

Ich bedauere es, dass Wagner so wenig Lieder geschrieben hat. Wenn ich ihm heute begegnen könnte, würde ich ihn nach dem Grund fragen. Der Reclam-Liedführer gibt nur 20 Lieder an, meistens werden nur die Wesendonck-Lieder aufgeführt.


Die Statements der Künstler wurden von Annedore Cordes aufgezeichnet.

Aufführungen:
Richard Wagner „Parsifal“
Musikalische Leitung: Simone Young. Inszenierung und Bühne: Robert Wilson. Kostüme: Frida Parmeggiani. Chor: Janko Kastelic. Spielleitung: Nicola Panzer/Petra Müller
Amfortas: Andrzej Dobber
Titurel: Wilhelm Schwinghammer
Gurnemanz: Peter Rose
Parsifal: Nikolai Schukoff
Klingsor: Antonio Yang
Kundry: Michelle DeYoung
1. Gralsritter: Chris Lysack
2. Gralsritter: Szymon Kobylinski
Vier Knappen: Solen Mainguené, Ida Aldrian, Sergiu Saplacan, Manuel Günther
Blumenmädchen (1. Gruppe): Katerina Tretyakova, Gabriele Rossmanith, Rebecca
Jo Loeb
Blumenmädchen (2. Gruppe): Hayoung Lee, Solen Mainguené, Ida Aldrian
Stimme aus der Höhe Rebecca Jo Loeb
Koproduktion mit der Grand Opera Houston.
Aufführung 19. Mai, 16.00 Uhr

Richard Wagner „Tannhäuser“
Musikalische Leitung: Simone Young. Inszenierung: Harry Kupfer. Bühnenbild: Hans Schavernoch. Kostüme: Reinhard Heinrich. Licht: Manfred Voss. Chor: Christian Günther. Spielleitung: Nicola Panzer
Landgraf: Hermann Georg Zeppenfeld
Tannhäuser: Franco Farina
Wolfram von Eschenbach: Lauri Vasar
Walther von der Vogelweide: Jun-Sang Han
Biterolf: Moritz Gogg
Heinrich der Schreiber: Chris Lysack
Reinmar von Zweter: Levente Páll
Elisabeth/Venus: Petra Maria Schnitzer
Hirt: Mélissa Petit
Unterstützt durch die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper. Gefördert durch die Deutschen Philips-Unternehmen
Aufführung 22. Mai, 18.00 Uhr


Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Hamburgischen Staatsoper.

Fotonachweis: © Hamburgische Staatsoper
Header: „Rheingold“. Foto: © Monika Rittershaus
Galerie:
01. Klaus Florian Vogt. Foto: © Alex Lipp
02. „Lohengrin“. Foto: © Jörg Landsberg
03. Bo Skovhus. Foto: © Roland Unger
04. Simone Young
05. „Siegfried“. Foto: © Monika Rittershaus
06. Christian Franz
07. „Die Meistersinger von Nürnberg“. Foto: © Hermann und Clärchen Baus
08. Katja Pieweck

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