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Copyright: Chris Steele-Perkins licenced to EMI Classics

Als meistverkaufte Klassikaufnahme aller Zeiten fand Nigel Kennedys Version von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ Eingang ins Guiness Buch der Rekorde.
Doch anstatt klassische Ladenhüter mit dem Anstrich von Pop zu recyceln, hatte das Enfant Terrible der Klassikszene eigene künstlerische Ambitionen: ein selbst komponiertes Kafka-Projekt etwa, mit „The Kennedy Experience“ seine Hommage an Ausnahmegitarrist Jimi Hendrix oder die Verquickung von Jazz und Klassik auf „A Unique Moment: Blue Note Sessions“.

Stéfan P. Dressel (SD): Herr Kennedy, fühlen Sie sich als jemand, der eine „Wild Card“ im Musikbusiness hat, der also machen kann, was er möchte?

Nigel Kennedy (NK): Ich fühle mich in der Musik als Getriebener und als Berufener gleichermaßen. Meine Musik treibt mich voran, und berufen fühle ich mich, seitdem ich studiert habe, überall Mauern einzureißen zwischen U- und E-Musik – und damit einigen Leuten im Kulturbetrieb gehörig in den Hintern zu treten.

SD: Welchen Leuten?

NK: Denen, die meinen, dass es sich nicht für einen klassischen Musiker gehört, in einer Lederjacke statt im Smoking aufzutreten. Oder sich die Haare zu färben. Oder zu fluchen. Ganz ehrlich, ich gebe einen feuchten Mist auf diese Konventionen, die nur hinderlich sind am freien Spiel.

SD: Ist es für Sie harte Arbeit, Ihr rebellisches Image, das Sie innehaben, zu kultivieren?

NK: Das ist keine harte Arbeit. Ich bin, wie ich bin, ich verstelle mich nicht. Weder vor meinen Zuschauern noch vor den Entscheidern der Hochkultur. Entweder man akzeptiert mich so, wie ich bin – oder eben nicht. Mir egal.

SD: Sie sind 52 Jahre alt, ein Alter, in dem man über vieles nachdenkt. Über was denken Sie am meisten nach?

NK: Was ich als nächstes Projekt angehe. Was ich noch erreichen will. Wie ich noch besser werden kann. Man lernt immer noch dazu, auch in meinem Alter. Ich lasse mich immer wieder gern aufs Neue überraschen. Mir ist wichtig, authentisch zu sein – und zu bleiben. Und wie ich bei all dem Trubel und bei allen Projekten, für die ich mich begeistere, mein Privatleben einigermaßen aufrecht erhalte. Alles andere als leicht, glauben Sie mir das.

SD: Sie nennen Ihre Geige, eine Guarneri, liebevoll „Kylie“, benannt nach der Popsängerin Kylie Minogue. Hat Geigenspiel etwas Erotisches?

NK: Jedenfalls erotischer als Klavierspielen. Der Kasten bewegt sich ja nicht!

SD: Apropos Klavier: Sie spielen ganz selten Sonaten für Violine und Klavier. Warum eigentlich nicht?

NK: Mein Pianist, mit dem ich früher immer gespielt habe, ist gestorben, und jetzt habe ich noch keinen guten neuen gefunden. Die haben doch alle am Konservatorium täglich nur sieben Stunden Rachmaninow geübt.

SD:
Vielleicht haben die Pianisten einfach keine Lust, im Hintergrund zu sitzen, während Sie als Geiger vorne den Applaus abkriegen.

NK: (lacht) Ja, das kann verdammt gut sein. Und dann kommt der Tonmeister und pegelt das Klavier auch noch runter. Erst wird es gemolken wie eine Kuh – und dann geschlachtet.

SD: Sie haben einst als Enfant Terrible der angestaubten Klassikszene neue Impulse gegeben. Wer tritt heute in Ihre Fußstapfen?

NK: Darüber mache ich mir keine Gedanken mehr. Aber es stimmt, seit dieser Vivaldi-Geschichte ist eine Menge in der Klassik passiert. Man denke da nur an die drei Tenöre, an die zehn Tenöre, an Vanessa Mae…

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