Musik
Lübeck-Musikfest mit Daniel Hope: Blutmond kontra Nachtkonzert

Der eigentliche Kampf fand vorher statt: Gehen wir ins Konzert oder schauen wir uns den Blutmond an?
Die 150 Besucher, die sich für den „Nachtsalon“ im Rahmen des Musikfestes des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Lübecker Volkstheater Geisler entschieden hatten, fochten vor Ort allerdings noch einen zweiten Kampf aus, den um die besten Plätze. Keine ganz leichte Sache bei freier Platzwahl und ausverkauftem Saal. Doch die Gäste im Geisler erwiesen sich als dem Anlass würdig und verhielten sich diszipliniert. Recht so, ging es doch bei diesem Konzert mit dem weltberühmten Geiger Daniel Hope, dem großartigen Cellisten Eckart Runge und dem ebenso phantastischen Jacques Ammon am Klavier um musikalisch Großes. Anzunehmen ist daher, niemand hat die Entscheidung für das Konzert und somit gegen die auf lange Sicht längste totale Mondfinsternis bereut. Totale Begeisterung am Ende und riesiger Applaus für die drei genialen Künstler sprechen dafür.

Um 22 Uhr, als Blutmond, ISS und Mars im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses standen, begann am Freitagabend das Nachtkonzert im plüschig angehauchten Lübecker Volkstheater Geisler, das in früheren Zeiten einmal ein Kino war und manchmal auch heute noch ist. Beim „Nachtsalon“ stand Filmmusik neben Klassik, Jazz und Tango auf dem Programm. Daniel Hope trat hier allerdings nur zu Beginn und bei der Zugabe auf. Es sei ihm verziehen, hatte er doch innerhalb des Lübeck-Musikfestes ein gigantisches Programm zu absolvieren. Zwei Veranstaltungen gestaltete er bereits am Tag vor der Blutmondnacht, bevor der Nachtsalon im Geisler begann, mit. Die eine in der Evangelisch-reformierten Kirche. Hier musizierte er „Im Trio“ mit Josephine Knight (Violoncello) und Sebastian Knauer (Klavier) ein klassisches Programm mit Beethoven und Mendelssohn. Bei der zweiten Performance bespielte Hope die „Roaring Twenties“ mit dem Berliner „Capital Dance Orchestra“ im Schuppen C.

Nun also die dritte Station dieses Tages für Hope. Zwei Dinge dürften den einen oder anderen Nachtsalon-Besucher leicht irritiert haben. Zum einen der engsitzende, dunkelsilbrig-glänzende Anzug, den Daniel Hope an diesem Abend trug. Diese Bekleidung verführte zu der märchenhaften Vorstellung, Hope sei auf wundersame Weise geradewegs vom Mars oder Mond zu uns gekommen. Die zweite Irritation: der gewohnte Programmzettel für die Zuhörer fehlte. Letzteres stellte sich bald als Absicht heraus, und ein solcher Zettel erwies sich dann auch als gänzlich überflüssig. Denn Cellist Eckart Runge musizierte nicht nur bewegend, sondern moderierte zudem unterhaltsam, locker und informativ durch den Abend.

Den musikalischen Auftakt machte das Trio, dessen gemeinsames, nächtliches Musizieren auf dem gemeinsamen, ehemaligen Studium an der Musikhochschule Lübeck beruht, mit Schuberts „Notturno“. Nach Tschaikowskys „Valse Sentimentale“ folgte Tänzerisches aus der Welt des Jazz, des europäischen sowie argentinischen Tangos und des Films. Ein großartiger Ausflug in die Welt des Tanzes, hervorragend musiziert und moderiert. Niemand vermisste während des Konzertes die Blutmond-Nacht. Hier, im Geisler, fand eine Musiknacht statt, die an nichts anderes denken ließ als an die äußerst fein von Daniel Hope, Jacques Amman und Eckart Runge dargebrachte Musik. Letztere musizieren bereits seit 20 Jahren zusammen. Eine Tatsache, die mit jedem Ton bewundernswert hörbar wurde. Ein uneingeschränktes Musikerlebnis also und somit ein unvergesslich schöner Abend.

Bereits zum vierten Mal - diesmal vom 26. bis 29. Juli mit insgesamt elf Veranstaltungen - fand das Musikfest unter der künstlerischen Leitung des berühmten Geigers Daniel Hope im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals statt. Darunter ein Filmkonzert im Lübecker Filmhaus mit dem Film „Der Klang des Lebens“, begleitet von Livemusik mit Daniel Hope und Sebastian Knauer (Klavier). Gezeigt wurde ein Porträt über den längst weltberühmten Geiger Daniel Hope, der christliche und jüdische Wurzeln hat, in Südafrika geboren wurde, in London aufwuchs, Unterricht bei Yehudi Menuhin nahm, bei Zakhar Bron in Lübeck studierte und dessen Mutter Menuhins Managerin war. Dies alles und mehr ist in Daniel Hopes erstem Buch nachzulesen, das er gemeinsam mit der Berliner Autorin Susanne Schädlich geschrieben hat. In diesem 2006 bei Rowohlt erschienenen Werk, das den Titel „Familienstücke“ trägt (ISBN 9783498063917, gebunden, 319 Seiten, 19,90 Euro; Taschenbuch 9,99 Euro), begibt sich Hope auf Spurensuche.

Es versteht sich von selbst, dass es sich hierbei um eine familiäre Spurensuche handelt. Natürlich ist es auch eine musikalische Spurensuche. An einer Stelle seines informativen und intimen Buches schreibt Hope: „Musik bedeutet Leben, Musik zeigt das Leben. Musik ist meine Übersetzung davon. Sie hat eine magische Präsenz, ist Tröster, löst Emotionen aus. Sie infiziert einen, ohne dass man es will, unabhängig von Sprache, Nationalität oder Glauben. Wenn man bereit ist, die Ohren weit aufzumachen, ist es das Schönste, was es gibt.“ (S. 177).

Dass dies so ist, davon durften und dürfen sich immer wieder Menschen überzeugen lassen – zum Beispiel beim „Lübecker Musikfest“. Nachdem im vergangenen Jahr Daniel Hopes musikalische Freunde vom Savannah Music Festival, dessen „Associatic Art Director“ Daniel Hope ist, die glutvolle Sonne der Südstaaten in die Lübecker Altstadt brachten, wehte diesmal Berliner Luft durch Lübecks Backsteingotik. Ein unvergessliches Erlebnis für all diejenigen, die diese Luft eingeatmet haben - einmalig oder wiederholt.

Schleswig-Holstein Musik-Festival

Wer den Cellisten Eckart Runge als Mitglied des Artemis Quartetts im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik-Festivals (noch einmal) live erleben möchte, hat hierzu am 10. August um 20 Uhr in der Glückstädter Stadtkirche oder/und am 11. August zur gleichen Zeit in der Lübecker Oberschule zum Dom die Gelegenheit. Weitere Informationen zum Programm des Schleswig-Holstein Musik Festivals, das noch bis zum 26. August geht, unter www.shmf.de.


Abbildungsnachweis:
Header-Pressefoto Daniel Hope: © Nicolas Zonvi

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