Musik
SCHUMANNIZE meets Kaiser Quartett

Der in Hamburg lebende Pianist Mischa Schumann ist ein Wanderer. Seine musikalischen Streifzüge vollzieht er gerne abseits der planierten Wege – querfeldein. Er sucht sich seine kompositorischen und arrangierten Routen zwar auf der Basis europäischer Klanggrundlagen, erweitert diese durch Grooves – das Terrain wird im Ergebnis zu einer eigenen, persönlichen Kartographie.
Wenn ihn das Publikum aufmerksam durchs Gelände begleitet, kann es zu horizonterweiternden Erlebnissen kommen.

Der 1965 geborene Komponist, Arrangeur und Pianist hat für seine Arbeit sogar einen eignen anglisierten und damit internationalisierten Tätigkeitsneologismus entwickelt: SCHUMANNIZE (to schumannize, Verb, dt. schumannisieren). Der künstlerische konjugierbare Schaffungsprozess soll, ja muss sich also bei ihm konsequenterweise auch in den Bildungsmustern und in der Wortkreation widerspiegeln. Das Verb „schumannize“ ist als Kondensat einer langjährigen Tätigkeit zu interpretieren, das sich methodisch als Cross-Over auf etwas Einzigartiges, und an eine Person gebunden, beziehen soll. Dabei ist Mischa Schumann wichtig, dass konstant und nachvollziehbar für das Publikum über Länge von Formteilen, harmonischen Verdichtungen, Wendungen und Phrasen Kommunikation stattfinden kann. Diese Definition von Alleinstellungsmerkmal ist kein Größenwahn, sondern folgerechte und grundsätzliche Haltung mit Bodenhaftung.

In diesem Sinn ist das neue Projekt ebenfalls ein schlüssiger Kreationsschritt, der auf bereits Erarbeitetem beruht: „SCHUMANNIZE meets Kaiser Quartett“. Diese Kooperation hat sich zuvor bereits in der Zusammenarbeit des Albums „Follow The Passanger“ (2016) bewährt. Vier Jazzmusiker treffen nun erneut auf vier klassische Streicher.
Beide Quartettformationen haben ihre jeweilige Erfahrung im gegenüberliegenden Genre: Mischa Schumann und seine Mitstreiter sind klassisch ausgebildet und erfahren in Sachen Orchester- und Kammermusikprojekte – das Kaiser Quartett hat u.a. vormals mit dem kanadischen Jazz-Pianist Chilly Gonzales am Berliner Teufelsberg (2015), bei der gemeinsamen Produktion eines Albums und einer Europa- und Nordamerika-Tour Erfahrungen gesammelt.
Aber all das ist lediglich Grundlage und Arbeitsabschnitt. Um in die Kapillarstrukturen wirklich einzudringen und die Suche nach dem Neuen fortzuführen bedarf es, neben der Bereitschaft aller Mitwirkenden musikalische Schnittmengen auszuloten, auch die Fähigkeiten, Bewegungs-, Interpretations- und Klangräume freizugeben und sogar an bestimmten Stellen Räume anderen zu überlassen. Hier wird den vielen bemühten Versuchen Jazz, Pop mit Klassik irgendwie zu verbinden – und dabei ohne überzeugende musikalische Notwendigkeit auskommen – kontrapunktisch ein Beispiel gegenübergestellt, das als ein weiterer positiver Präzedenzfall angesehen werden kann.

Starre Festlegungen durch Kompositionsvorgaben sind seit Jahrhunderten immer wieder aufgelöst worden. Technische Erfindungen und Erneuerungen werden oftmals dankend von Künstlern deswegen aufgenommen, weil sich eben genau diese neuen Räume ergeben und klangliche Gestaltung, Phrasierung und Artikulation verändern, erneuern und den Zuhörern sich somit Progressives vermittelt. Elektronische und digitale Verfahren sind hier eine große Hilfe, weil die Simulation von Raum, Klang, Stimmung etc. nicht nur extrem präzise sind, sondern bis in den Bereich der kaum wahrnehmbaren Nuancen führen. Im Ergebnis lässt sich weder für Interpret noch für Publikum hörbare Übergänge wahrnehmen, noch, ob es sich um technische oder räumlich Verfahren handelt (z.B. Hall). Selbst ob es sich tatsächlich um das Instrument selbst handelt, dass auf einem Studio-Album zu hören ist, steht in Frage. Das Aufeinandertreffen von klassisch-(analoger) und neuer-(digitaler) Musik-(Technik) ist also bei dem hier beschriebenen Projekt ein hohes wertiges Gut, weil es die Suche nach dem Neuen unterstützt. Man kann schon fast zwangsläufig damit rechnen, neben den non- und parasprachlichen Entwicklungen und Möglichkeiten, im Neologismus ein Pendant zu finden.
Anders sieht es hingegen bei den Live-Auftritten aus, hier spielt das elektronische Element – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Form und Inhalt müssen eben in den jeweiligen Kontext passen.

Auch was hierarchische Strukturen angeht sind die Felder genutzt worden, um Festgefahrenes aufzulösen – Veränderung zu ermöglichen. Das dies nicht immer zu vollen Erfolgen geführt hat ist deswegen nicht weiter schlimm, weil das Ausprobieren, Neuordnen etc. immer auch ein produktives Scheitern im Sinne eines Ausschlussverfahrens in sich trägt. Im Ergebnis sowohl qualitativ- als auch systemförderlich.
Ein Rahmen ist dennoch nötig, indem sich Produzenten, Interpreten und Zuhörer von Musik aufhalten. Innerhalb dessen können improvisierende und nicht improvisierende Musiker wie bei „SCHUMANNIZE meets Kaiser Quartett“ gleichberechtig und gleichwertig arbeiten und das Werk weitergeben.

Komposition besteht neben klanglichen Abfolgen immer auch aus Abfolgen von Ideen, Sammlungen und fragmentarischen Umspielungen. Sie können Lebensaufgabe sein oder Projektcharakter haben, einmalig mit Anfangs- und Endpunkt versehen. Das Sammeln von recht unterschiedlichen musikalischen Entwürfen, wie es Mischa Schumann tut, führt schließlich zu kombinatorischen, Mobile-artigen Gebilden, deren kompositorische Ergebnisse zwar meist melodisch klar konturiert sind, sich bisweilen jedoch tief in abstrakte Gefilde bewegen. Motive der Wiederholung: zyklische Systeme beschreiben, Spannungsgipfel und -täler bestimmen und Genres miteinander addieren bauen auf Errungenschaften der Minimalmusik und der New York School auf. Außerdem finden sich Ansätze in der Musik von Prokofieff, Bartók, Ravel und Stravinsky. Diese europäischen Vorlagen werden allerdings von den Musikern sehr behutsam verwendet.
Die Auseinandersetzung mit europäischen Jazz hingegen, tritt in den Hintergrund, gilt es doch zu vermeiden, dass sie lediglich Legitimationsmittel ist und selbstreferenziell daherkommt.

Schließlich geht es beim Treffen der vier plus vier auch durchaus um rudimentäre, spielerische Rollentauschsituationen: Wie klingt ein Entwurf für Streicher, der von Bläsern gespielt wird oder andersherum? Welche Effekte ergeben sich, wenn Klassik auf Jazz trifft und auch hier nicht immer klar ist, wer zu welchem Genre gehört. Das Abbauen von Klischee und Konventionen ist dabei garantiert. So ergeben sich Spannungsbögen mit essentiellen Formulierungen.

SCHUMANNIZE meets Kaiser Quartett
Die Besetzung Schumannize:
Mischa Schumann: Piano, Komposition, Benny Brown: Trompete, Flügelhorn, Giorgi Kiknadze: Kontrabass, Heinz Lichius: Schlagzeug
Besetzung Kaiser Quartett:
Adam Zolynski: Violine, Jansen Folkers: Violine, Ingmar Süberkrüb: Viola
Martin Bentz: Cello
Die CDs Schumannize Vol. 1 & 2 sind ausschließlich über
mischa-schumann.de zu erhalten.

Konzert: Dienstag, 27.3.2018 um 20:00 Uhr im resonanzraum, Bunker St. Pauli
Einlass: 19 Uhr
Tickets: EUR 19,80 / 15,40 erm. online und an der Abendkasse
Das Konzert wird von NDR Info mitgeschnitten.

und am Dienstag, 3. April 2018 um 20 Uhr
Im KulturForum, Andreas-Gayk-Straße 31, 24103 Kiel
Eintritt: Vvk 18,70 Euro / AK 20 Euro
Vorverkaufsstellen:
Infotresen Stadtgalerie Kiel/KulturForum, Andreas-Gayk-Str. 31, T. (0431) 9013 400
Kartenreservierungen für die Abendkasse sind möglich. Die Karten müssen eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn an der Abendkasse abgeholt werden, da sie sonst in den freien Verkauf gehen. Es gilt der Preis der Abendkasse.

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Abbildungsnachweis:
Header: Schumannize und Kaiser Quartett. Foto: Jansen Folkers

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