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Der Autor und Journalist Dirk C. Fleck gilt als der Vater des deutschen Öko-Thrillers. Nach 20 Jahren gibt es jetzt sein visionäres Buch „GO! – Die Ökodiktatur" in einer Neuauflage. Ein Gespräch mit einem Pessimisten am Rande des Abgrunds.


"Niemand setzt sich vorsätzlich in einer geschlossenen Garage ins Auto und lässt den Motor laufen. Weil er weiß, was hinten rauskommt. Unsere Erde mit ihrer Atmosphäre ist aber auch so eine Garage, nur will das niemand sehen. Wir begehen globalen Ökozid und diskutieren derweil über Mindestlohn und Riesterrente." Dirk C. Fleck, Jahrgang 1943, findet klare Worte, wenn er über die globalen Umweltzerstörungen redet. Er beschäftigt sich seit seiner Zeit als Journalist (er schrieb u. a. für „Stern", „Spiegel", „Geo", „Berliner Morgenpost", „Welt", „Tempo" und „Merian") wieder und wieder mit den globalen Umweltzerstörungen, die immer umfassender die Lebensgrundlagen der Menschheit bedrohen.


Gerade erst wurde sein Öko-Thriller „Go! – Die Ökodiktatur" neu aufgelegt. Ein düsterer und aufrüttelnder Blick nach vorn in eine Zeit, in der mit Zwangsmaßnahmen versucht wird, zu retten, was noch zu retten ist. Erschienen war der Roman erstmals 1993 – er wurde ein Jahr später mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Und steht jetzt am Beginn einer neuen Reihe, in der alle Preisträger-Romane erscheinen sollen, darunter Frank Schätzings „Der Schwarm", aber auch der ebenfalls ausgezeichnete erste Band („Das Tahiti-Projekt", 2009) von Flecks utopischer Öko-Trilogie, die er 2012 mit „Das "Südsee-Virus“ fortgesetzt hat. An einem drittem Band „Feuer am Fuß" arbeitet er derzeit – was wie zuvor von Gönnern ermöglicht wird, die seine Idee für überlebenswichtig halten. Seine Bücher werden inzwischen übersetzt und nachgedruckt, auf Kuba, in der Türkei, in Vietnam.


Go! CoverFleck ist kein Öko-Eiferer, er spricht eher wie ein Arzt, der schon zu viel gesehen hat, um sich angesichts eines todkranken Patienten große Illusionen zu machen. „Wir Menschen haben Jahrhunderte lang in unser Wohnzimmer uriniert. Anstatt aber unsere Lebensweise zu hinterfragen, diskutierten wir lieber über die Saugfähigkeit des Teppichs. Erst jetzt, da der Sättigungsgrad des Teppichs erreicht ist, beginnen wir allmählich aufzuwachen."


Dabei hätte es, sagt er, nicht zwangsläufig so weit kommen müssen. „Wir hatten unsere Chance, wir hatten sie immer. Wir konnten sie nur nicht nutzen, weil wir als politisches Gemeinwesen keine Idee besaßen, was und wer wir eigentlich sein wollten, jenseits unseres immer kümmerlicher werdenden Konsumentendaseins im Scheinpluralismus weniger Konzerne. Das Profitinteresse einer kriminellen Finanz- und Wirtschaftselite hat in den letzten Jahrzehnten jede vernünftige Problemlösung im Ansatz erstickt."


Wohin das führe, sei längst absehbar. „Meine Ökodiktatur", sagt Dirk C. Fleck, „ist ein politischer Notwehrreflex, der erst dann aktiviert wird, wenn das kapitalistische System erkennbar an seinem Ende angelangt ist, wenn das Giersystem definitiv an seine natürliche Grenze gestoßen ist. Wenn der Planet nicht mehr intakt ist, dann bleibt nicht viel anderes, dann müssen zwei, drei Generationen ruhig gestellt werden in der Hoffnung, dass sich die Erde erholt und die Menschheit überleben kann. Und wenn es doch anders kommt, dann geht nicht die Erde kaputt, sondern die Menschheit stirbt aus." Er vergleicht das mit der zerstörenden Tätigkeit von Krebszellen. „Vielleicht ist die Menschheit ja nur ein Krebsgeschwür am Lebewesen Erde. Eine Krebszelle weiß ja auch nicht, dass sie mit ihrem Wuchern ihren Wirt am Ende vernichtet und damit auch sich selbst."


Die Menschen, so sieht er das und die Geschichte des Untergangs von Zivilisationen im Lauf der Geschichte gibt ihm Recht, werden erst umdenken, wenn die Folgen ihres Tuns in eine so gigantische Katastrophe führen, dass gar keine andere Wahl mehr bleibt. In „GO! – Die Ökodiktatur" sorgen internationale Wissenschaftler durch einen elektronischen Staatstreich für die notwendige Ruhepause, für das notwendige Umdenken sowie für schockierende Umerziehungsmaßnahmen gegen hartnäckige Umweltsünder.

 

Auch wenn das Buch jeden Tag aktueller wird – ganz tief in seinem Autor sitzt der Wunsch, es möge doch anders kommen. In seiner „Tahiti"-Trilogie entwirft er eine Rettungsstrategie, die auf der radikalen ökologischen Umstrukturierung einer – wenn auch winzig kleinen – Volkswirtschaft mitten in der Südsee beruht: Tourismus, Verkehr, Energie, Produktion – alles wird radikal umgebaut. Sie stellt sich der globalen Unvernunft entgegen wie David dem Goliath. Eine klassische Utopie, eine Idee davon, was sein könnte. Privat ist Fleck indes sehr viel skeptischer: „Auch ein gelungener Modellversuch auf Tahiti wäre ja nur ein Fliegenschiss in der Katastrophe."


Nun den dritten Band zu schreiben, in dem die Überlebensinseln der visionären Umsteuerer sich angesichts der global herienbrechenden Katastrophe behaupten müssen, ist schwere und bedrückende Arbeit – einerseits. Es hat aber auch etwas Befreiendes, darüber nachzudenken, welche anderen Wege es geben könnte. Und, nicht unwichtig, es heilt die eigenen Ängste."


Worin er die Chance sieht für ein Überleben der Menschheit? „Ein Verbündeter, heute schon gut aufgestellt, ist der spürbar wachsende Überdruss an der Gier und Konsumgeilheit. Statt dessen sind immer mehr gefragt: Erlebnisse statt Besitz, Kommunikation und Gemeinschaft, Mitmenschlichkeit und der Mut, Neues zu wagen." Sein Blick geht vom Schreibtisch im Generalsviertel in Hamburg weit hinaus: „Der Umbau unserer globalen Konsumkultur wird das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit sein. Dafür müssen wir uns wieder als politisches Gemeinwesen verstehen, weltweit."


Ihm geht es darum, „die Brille des alten Umweltschutzes abzunehmen, der eigentlich nur Menschenschutz bedeutet. Und sie durch die Brille der ganzheitlichen Ökonomie zu ersetzen." Wenn die Rede darauf kommt, schwankt Fleck immer wieder zwischen Hoffnung und Verzweiflung. In einem Vortrag, der ebenfalls in der Neuauflage der „Ökodiktatur" abgedruckt ist, sagt er zum Schluss: „Die eigentliche Frage heißt also: kollektiver Selbstmord oder geistige Erneuerung? Es wird wohl auf kollektiven Selbstmord hinauslaufen. Also vergessen Sie meine Fiktion einer Ökodiktatur. Sie müssen schon von selbst darauf kommen, dass man die notwendige Operation auch wollen muss, wenn man am Leben hängt."


Dirk C. Fleck: GO! Die Ökodiktatur

Verlag p. Machinery, 212 Seiten
Vom selben Autor: "Das Tahiti-Projekt" und „Das Südsee-Virus".

Dirk Fleck Aut