Literatur
„Im Westen nichts Neues“ – Remarques Roman in Text und Bild

Das Buddenbrookhaus in Lübeck wird politisch! Im November dieses Jahres jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass zeigt das Haus eine Sonderausstellung unter dem Titel ,,Im Westen nichts Neues“.
Remarques Roman erscheint 1929, elf Jahre nach Kriegsende und vier Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Angesichts der heutigen politischen Lage ist sein Plädoyer gegen den Krieg aktueller denn je. Die Lübecker Schau präsentiert über fünfzig Illustrationen der Graphic Novel von Peter Eickmeyer, deren Episoden und zentraleFiguren Remarques Antikriegs-Roman entnommen sind und so für den Besucher in Text und Bild erlebbar werden.

„Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, daß es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hineingehen müssen …“ schreibt Remarque 1963.

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Erich Maria Remarque, als Erich Paul Remark am 22. Juni 1898 in Osnabrück geboren, wird als 18-Jähriger zum Militär eingezogen. Er kämpft als Rekrut an der Westfront. Von Granatsplittern schwer verwundet, liegt er bis Kriegsende in einem Düsseldorfer Lazarett. "Den wahren Schrecken des Krieges lernt man erst im Lazarett kennen", soll er später in seinem Roman schreiben. Nach Ende des Krieges versucht er sich in diversen Berufen, als Volksschullehrer, als Werbetexter, Journalist und Redakteur. Ende der 1920-er Jahre beschreibt er in dem Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ die Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges. Er verarbeitet darin seine eigenen Kriegserlebnisse und die der verwundeten Soldaten aus dem Kriegslazarett. Der Roman wird ein beispielloser Erfolg auf dem deutschen und internationalen Buchmarkt und macht seinen Autoren weltberühmt. 1930 erfolgt die Hollywood-Verfilmung durch den amerikanischen Regisseur Lewis Milestone („All Quiet on the Western Front“). Bei der Uraufführung in Berlin lässt Gauleiter Joseph Goebbels die Veranstaltung durch nationalsozialistische Schlägertrupps stören. Im Dezember, eine Woche nach der deutschen Erstaufführung, verbietet die Film-Oberprüfstelle Berlin für ganz Deutschland alle weiteren Aufführungen. Einen Tag nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, emigriert der Schriftsteller mit seiner Familie am 31. Januar 1933 in die Schweiz. Sein Roman wird endgültig verboten. Während der Bücherverbrennungen werden Remarques Werke mit dem „Feuerspruch“ „Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit!“ verbrannt. 1938 entziehen die Nationalsozialisten ihm die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs emigriert Remarque in die USA und erhält dort die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach Kriegsende wird er nie wieder die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Erich Maria Remarques stirbt am 25. September 1970 in einer Schweizer Klinik in Locarno.

Auch hundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, dem ersten Krieg mit technologischen und chemischen Vernichtungswaffen und über siebzehn Millionen Toten, zwingt der Roman den Leser, sich der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges zu stellen. „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde– auch wenn sie seinen Granaten entkam“, beginnt Remarques Roman. Aus Sicht des Protagonisten Paul Bäumer wird die Geschichte einer Abiturklasse erzählt, die sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet hat. Schon bald wird aus der verklärten Kriegsromantik jedoch bittere Realität: Bäumer erzählt vom Einsatz an der Westfront, von Angriffen und Toten, von zerfetzten Kameraden, vom Pfeifen der Artillerie-Geschosse und dem Dauerfeuer der Maschinengewehre. Er erzählt von Hunger, Nässe und dem Grauen im Schützengraben, dem Einsatz von Giftgas als Kampfstoff. Aber da sind auch die Soldaten Katczinsky ("Kat") und Tjaden, die den jungen Rekruten überlebenswichtige Ratschläge geben. Vergebens: Bäumer erlebt den Tod seiner Kameraden und verliert jegliche Illusionen. Bei einem Artillerieangriff ersticht er im Granattrichter den Franzosen Duval. Er erkennt, dass er nicht nur den Feind, sondern auch einen Menschen getötet hat. Kurz darauf kommt Bäumer schwer verletzt in ein Lazarett. Während eines Heimaturlaubs stellt er deprimiert fest, dass er sich in der Welt außerhalb des Krieges nicht mehr zurecht findet. Wieder an der Front beobachtet er in einer Feuerpause einen Schmetterling und wird dabei von einem Franzosen erschossen.

Die Ausstellung im Buddenbrookhaus zeigt über fünfzig Originalbilder des Grafik-Designer Peter Eickmeyer, die als Vorlage seiner im Juni 2014 publizierten Graphik Novel „Im Westen nichts Neues“ dienen. Aber, wie gelingt es den fast neunzig Jahre alten Originaltext Remarques in einer Graphic Novel umzusetzen? 70 großformatige und über hundert kleinere Illustrationen hat Eickmeyer angefertigt. Gaby von Borstel ergänzt die Bilder mit gekürzten, aussagekräftigen Textpassagen, so dass Text und Bild neben einander stehen. Auf Bilderfolgen oder Sprechblasen wird verzichtet. Als Literatur-Form wählten die Autoren ganz bewusst die Graphic Novel – eine Variante des klassischen Comics –, die auf einer literarischen Vorlage basiert.
In ausdrucksstarker, düsterer Bildsprache zeichnet Eickmeyer die Hölle des Krieges. Mit gedeckten, meist aschgrauen bis erdfarbenen Tönen und kräftigem Pinselduktus sind die Bilder skizziert: Beginnend mit Lehrer Kantorek, der vor der Klasse stehend, die Schüler überzeugt, sich für „Gott und Vaterland“ freiwillig zum Kriegsdienst zu melden. Nach zehn Wochen Militärdienst, geht es in ein Lager hinter der Westfront. Hier beginnt die ganze Brutalität des Krieges: Kraterlandschaften mit Baumstümpfen, das Sterben der Verwundeten im Feldlazarett, Leichenberge in den Schützengräben und Granatlöchern, zerfetzte Körper und Soldaten mit von Schusswunden entstellten Gesichtern, das brutale Gemetzel im Kampfeinsatz und immer wieder Angriffe mit Giftgas hält Eickmeyer in seinen Bildern fest. Es kommt der Herbst 1918. Von Frieden und Waffenstillstand ist die Rede. Paul Bäumer, der letzte von sieben Klassenkameraden wird an einem warmen Oktobertag vom Gegner erschossen. „…an einem Tag, der so ruhig und so still war, daß der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“
Die gelungene Bildadaption des literarischen Textes zeigt Bäumers Weg durch den Krieg, bis zum bitteren Ende – dem Tod. Historische Genauigkeit, so der Grafiker, sei ihm bei seinen Bildern wichtig gewesen. So tragen die Soldaten anfangs noch Pickelhaube und preußische Spitzkappen aus dickem Leder. Erst im Verlauf des Krieges wird der Stahlhelm eingeführt, zum besseren Schutz gegen Granatsplitter. Viele seiner Illustrationen zitieren Vorbilder aus der Kunstgeschichte, wie Pablo Picassos Pferd aus „Guernica“, Egon Schieles „Kriegsgefangener Russe“ oder Otto Dix’ „Sturmtruppe geht unter Gas vor“. Auch die damalige Stadtansicht von Osnabrück rekonstruiert Eickmeyer: „Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die Turmhaube des Doms eine andere Form als heute.“

„Wir haben deswegen neben den Graphic-Novel-Originalen von Peter Eickmeyer, neben einigen Buchexponaten, auch eine Sammlung von Graphic Novels und Comics zusammengestellt, die sich mit weiteren, auch global gesehenen Konflikten und aktuellen Konflikten auseinandersetzen“, so Kuratorin Ira Klinkenbusch.

„Im Westen nichts Neues“ – Remarques Roman in Text und Bild

Die sehenswerte, aber auch bedrückende Ausstellung ist bis zum 15. April 2018 im Buddenbrookhaus – Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum, Mengstraße 4, in 23552 Lübeck zu besichtigen.
Die Öffnungszeiten sind Dienstag – Sonntag von 11 - 17 Uhr.


Die Schau ist eine Kooperation des Buddenbrookhauses mit dem Erich Maria Remarque-Friedenszentrum in Osnabrück; die Originalgrafiken sind Leihgaben der Sparkassenstiftung Niedersachsen.

Peter Eickmeyer: „Im Westen nichts Neues“. Eine Graphic Novel von Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel nach dem Roman von Erich Maria Remarque, Splitter-Verlag, 176 Seiten, 22,80 Euro

Weitere Informationen: www. buddenbrookhaus.de


Abbildungsnachweis:
Header: Peter Eickmeyer: Nebel
Galerie:
01. Am Wehr
02. Auge
03. Gasmaske
04. Mohnfeld
05. Soldaten. Foto: Christel Busch
06. Guernica-Pferd. Foto: Christel Busch

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