Kultur, Geschichte & Management

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CF: Dieses berufliche, unternehmerische Wissen könnte aber bereits auch Teil der Ausbildung an künstlerischen Hochschulen sein...

ER: Absolut richtig, aber genau daran arbeiten wir. Ich möchte betonen, dass wir Angebote schaffen. Wer sie annehmen möchte, tut dies, wer nicht, lässt es bleiben. Ich verstehe, wenn jemand unsere Angebote nicht aufnehmen möchte, weil das Konstrukt des neuen Wirtschaftszweiges Kreativwirtschaft von oben nach unten entstanden ist. Es gibt gute Gründe sich auch kritisch mit uns auseinanderzusetzen. Die schlimmste Haltung finde ich allerdings, wenn jemand sagt: Das interessiert mich nicht. Dennoch würde ich für unsere Arbeit werben. Wir wollen die Leute nicht mit ihrer Kunst alleine lassen.
Was nun die Hochschulen angeht, so haben wir zwei Zielgruppen, für die wir tätig sind, nämlich die kreativwirtschaftlichen Akteure, die es in Hamburg bereits gibt und für jene, die sich in Hamburg ausbilden lassen. Wir haben bereits nach kurzer Zeit mit allen Hochschulen Gespräche geführt und sind dabei, Formate zu entwickeln, die nach den Bedürfnissen ausgerichtet sind. Im besten Fall bleiben nämlich dann die, die sich hier ausbilden lassen auch in der Stadt, und wir helfen ihnen bei der Existenzgründung.

CF: Wir sind nun bei den Hochschulen; lassen Sie uns wieder zurück zu den Schwerpunkten der Kreativ Gesellschaft kommen...

ER: Stimmt, da gibt es noch viel mehr zu sagen. Nach dem Bereich Beratung und Qualifizierung ist die zweite Säule der Bereich der Immobilien. Das ist der Hamburger Geschichte geschuldet. In Hamburg gibt es für Kreativschaffende wenige preiswerte und gute Immobilien. Wir wollen bald das Gegenteil behaupten können, aber auch das ist ein mühsames Geschäft und ist interessanterweise mit der öffentlichen Hand viel anstrengender als mit den privaten Immobilienbesitzern, die jetzt gerade beginnen, sich uns gegenüber zu öffnen. Unsere wichtigste Aufgabe ist Vertrauen zu schaffen. Es gibt den Vorwurf an unsere Kunden, sie seien nicht vertragstreu und so etwas wie Gängeviertel darf es kein zweites Mal geben. Das sind die Bedenken. Die städtischen Immobilienverwaltungen empfinden das Gängeviertel als herben finanziellen Verlust für ihre eigenen Gesellschaften und entsprechend wird dann agiert. Auf dieser Ebene wird nicht das große Ganze gedacht, sondern das kleine Eigene.
Ich sage zu diesen Immobilienpartnern: „Unsere Kunden sind vertragstreu, wenn ihr aber den Markt so eng macht, dann zwingt ihr die Künstler dazu an dem festzuhalten, was sie ergattert haben. Wenn ich im ‚Frappant’ sitze und habe gar keine Alternative – was sollen die Akteure da machen? Im Zweifelsfall bleiben sie. In dem Moment wo ihr anfangt den Markt zu öffnen und man lernt in Hamburg wieder, dass es Alternativen gibt, dann schafft man auch nicht diese Not.“ Mit den Argumenten dringen wir noch nicht so richtig durch, aber wir versuchen es weiter in der Richtung. Wir haben aber auch schon Partner bei denen der Nettokaltpreis bei 3 Euro anfängt, was wir für einen guten Preis halten. Es gibt vielleicht dann auch ein paar Nachteile, was Ausstattung und Lage betrifft, aber wir versuchen dies nun auf den Markt zu bringen. Wir haben übrigens weniger Probleme Atelierräume zu finden als Veranstaltungsräume und Proberäume für Musiker. Hier haben wir noch keine befriedigende Antwort bisher.
Unser drittes Aktionsfeld ist die Frage der Finanzierung. Wo kommt das notwendige Geld her? Ein großes Problem, denn alle Modelle, die für den Mittelstand existieren, greifen bei unseren Kunden nicht. Es gibt nun zum ersten Mal ein sogenanntes Mikrokredit-Programm der Bundesregierung – 100 Millionen für drei Jahre. Drei Agenturen verwalten Gelder davon in Hamburg. Wir sind auch an diesem Punkt dabei, Drittmittel und Förderprogramme zu akquirieren und sprechen mit den Förderern über Kriterien, um diese für unsere Klientel erreichbar zu machen, auch ohne Sicherheiten. Ein für mich zwar mühsames, aber zentrales Geschäft.
Und schließlich der vierte Aktionsstrang, mit dem wir uns bislang noch nicht beschäftigen konnten, sind Fragen nach Urheber- und Schutzrechten. Hier liegt der Fokus, wie man den schöpferischen Akt und geistiges Eigentum flexibel schützen kann.

CF: Das sind sehr viele Aufgaben, die zu bewältigen sind. Sie haben jedoch ein recht kleines Team, sechs Mitarbeiterinnen. Mir fällt gerade auf, dass Sie mit jungen Frauen Ihr Team bestückt haben – vielleicht symptomatisch, sie sind gut ausgebildet, teamfähig, leistungsbereit...

ER: Ja, in der Kreativwirtschaft ist der Frauenanteil sehr hoch, auch wenn das nicht für alle Bereiche gilt, zum Beispiel in der Musik. Ich war gerade auf einer Veranstaltung des VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.), da waren nur Männer. Es scheint so, als ob das Musikgeschäft männlich sei, während ja auf den Bühnen der Frauenanteil stark gewachsen ist. Und ich glaube bei den Architekten ist es ähnlich.
Unsere Kapazitäten sind begrenzt, aber wir wollen eben auch viele Kooperationen schaffen. Der direkte Kontakt mit unseren Kunden steht im Vordergrund. Wenn die Kapazitäten überhaupt nicht mehr ausreichen sollten, dann müssen wir mit der Stadt reden.

CF: Die Kreativ Gesellschaft ist in ein städtisches Geflecht eingebunden, Sie müssen jemandem Rechenschaft ablegen und Ihre Spielräume haben eben auch Begrenzungen. Ihre erste Broschüre weist den roten Schiffsrumpf auf – ein deutliches Signal, wer dahinter steckt und schnell ist man beim Thema der Marke Hamburg. Wir wissen, dass Kulturschaffende in dieser Stadt damit ihre Probleme haben oder zumindest sehr vorsichtig sind – allein durch diese visuelle Konnotation. Welche Rolle spielt dies für Sie und wo sehen Ihre Begrenzungen?

ER: Wir sind ein Unternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg, wir verschweigen das natürlich auch nicht. Wir sind mit dem roten Bug oder Schiffsrumpf deshalb nicht glücklich, weil wir diesen für ein sehr dominantes und unflexibles Zeichen halten, was eher Zwang als Freiwilligkeit ausdrückt. Es gibt viele Hamburger Einrichtungen, die sich lange und erfolglos dagegen gewehrt haben, um sich nicht unter diese Markenarchitektur subsumieren zu lassen. Das Problem ist nicht die Markenarchitektur an sich, sondern wie flexibel die Marke ist. Kann man auf sie reagieren und auf wen zahlt sie ein...
Wir stehen in dem Geflecht, kämpfen aber um eine große Autonomie. Am Ende haben wir aber jemanden der uns bezahlt und der kann eben auch Einfluss nehmen auf das was wir tun. Im Moment spüren wir keinen Einfluss. Mein Gefühl ist, die BKM (Behörde für Kultur und Medien) nimmt unsere Aufgabe sehr ernst, sie wollen, dass wir der Anwalt der Kulturakteure sind. Aber natürlich gibt es auch Konflikte, die wir mit anderen behördlichen Einrichtungen führen und da haben wir die klare Position unserer Kunden und die vertreten wir auch.


Egbert Rühl
Geboren 1958 in Frankfurt am Main. Er studierte von 1977 bis '85 Geschichte und Soziologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. 1985 bis '88 arbeitete er zunächst frei beim Hessischem Rundfunk, anschließend bei den Städtischen Bühnen Frankfurt und wurde Manager des Frankfurter Kurorchesters. Danach gründete er ein Büro für Kulturmanagement, Organisation von internationalen Tourneen, PR-Kampagnen, Festivals und Betreuung von Künstlern.
1999 bis 2001 war er Geschäftsführer der Kultur-Labor gGmbH in Brandenburg/Havel und zog dann nach Mannheim, zunächst als Leiter, dann als Alleingeschäftsführer der Alten Feuerwache Mannheim gGmbH. Seit 1. März 2010 ist er Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH.

Header-Foto: Hamburg Kreativ GmbH
Das Gespräch wurde am 13.10.2010 geführt.

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