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Inzwischen machte die HafenCity einen deutlich bevölkerteren Eindruck.
Vor allem am verführerisch duftenden Kebab-Stand vor dem afghanischen Museum hielten sich mutmaßlich sämtliche Bürger der umliegenden fünf Stadtteile auf.
Beim Schlangestehen erfuhr ich von der Dame vor mir, der Tanz sei sehenswert gewesen, durchaus, allerdings kein bisschen erotisch oder animierend, mehr so ‚energetisch erfrischend’. Und keineswegs von echten Orientalinnen, sondern von einem hiesigen Sportverein. Aber sehenswert. Durchaus.
Eine Weile mussten wir dann in der Räucherwolke des Grills stehen – was meinen Mann, als ich sehr viel später nach Hause kam und er kurz aufwachte, beunruhigt murmeln ließ: „Was ist passiert? Hat es gebrannt?“ - bevor wir unser Kebab erhielten.
Ich stellte fest, dass es unmöglich schien, auf einen Sitzplatz zu hoffen – worauf die Dame vor mir meinte, ihre Schwester hielte ihr gerade einen frei.
Da ich Einzelkind bin mit allen damit zusammen hängenden Nachteilen musste ich mir selbst ein Plätzchen suchen. Ich fragte die Museumsmitarbeiter höflich und bekam sofort die Erlaubnis, mich auf jedes beliebige der ausgestellten afghanischen Möbel im Erdgeschoss zu setzen, auch im Fenster zur Straße.
So aß ich, gewissermaßen im Schaufenster sitzend, das sehr leckere Putenfleisch-Kebab und erntete eigentlich nur freundliche und zustimmende Blicke.
Um 22.00 Uhr sollte noch einmal getanzt werden. Um die Zeit zu überbrücken wollte ich die Wahrsagerin in ihrer Jurte aufsuchen, doch die ging gerade ihrer Profession nach, während einige an der Zukunft interessierte draußen warteten.
Also fuhr ich auf die Reeperbahn, um an einer Führung durch die Ausstellung ‚Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band’ im Beatlemanie teilzunehmen.
Nach einer knappen halben Stunde Parkplatzsuche wurde diese Absicht blasser.
Ich hatte die Wahl, zum dritten Mal das Afghanische Museum aufzusuchen und meine Bedürfnisse im Bezug auf orientalischen Tanz und Wahrsagerei zu befriedigen – oder das Museum für Hamburgische Geschichte anzusteuern.
Ich tat letzteres.
Gerade begann eine Führung zum Thema ‚Unter den Rock geschaut – vom Reifrock bis zum Petticoat’ mit vielen interessanten und amüsanten Details zur Geschichte der weiblichen Unterwäsche.
Hinterher schnupperte ich mich im Restaurant des Museums, dem Cafe Fees, fest. Hier gab es eine besondere Karte für die lange Nacht der Museen.
Auf der stand beispielsweise: Süßkartoffelkarottencremesuppe mit marinierten Geflügelspießen – Ziegenkäse mit Honig und Rosmarin gebacken in Feigensenf – Gebratener Zander auf italienischem Kartoffelsalat und Limonen-Tiramisu.
Hmmmmm. Auch das ist Kultur. Ich gönnte mir eine köstliche rote Grütze mit Vanillesauce. Wenn man derart viel rum rennt, setzt sich so was nicht weiter auf den Hüften fest…
Durch die geöffneten Fenster im gut besuchten Restaurant klang seltsam verfremdete, unwirkliche Musik.
Dann folgte die nächste Führung: ‚Wachgeküsst’, die Wiederentdeckung eines hanseatischen Landhauses, das 1830 in Hamm (damals noch stiller Vorort) erbaut und 1909 abgerissen wurde, von dem jedoch viele Ausstattungsteile noch vorhanden sind und nun aufgearbeitet werden. Im Erdgeschoss des Museums ist eine große Werkstatt eingerichtet, in der Restauratoren sitzen und mit Pinseln und Wattestäbchen arbeiten. Und man darf mit ihnen reden und ihnen Fragen stellen! Ich erfuhr, dass die gerade bearbeitete Schnörkelleiste ‚Pilaster’ genannt wird, was eine Art Scheinpfeiler ist und dass Blattgold für innenarchitektonische Verzierungen häufig überhaupt nicht aus Gold besteht, sondern aus Messing - das ist dann Rauschgold. Vielleicht finden viele Leute solche Informationen einfach langweilig – mich begeistern sie.
Später hörte ich wieder diese sonderbare Musik und ich ging ihr nach, durch das Restaurant, eine Treppe hinunter, in den Innenhof des Museums.
Hier spielte das Hamburger Quartett ‚Friendship’ Jazz, eher ruhige, verträumte Melodien. Durch die Akustik der überdachten, riesigen Halle klang das so seltsam, auf reizvolle Art verzerrt und völlig traumartig.
Die Besucher im Innenhof tranken Wein und saßen teilweise in bequemen Deckstühlen. Sie lauschten der Musik, wie auch mehrere antike, von unten angestrahlte Steinfiguren sowie der Mond, der von oben durch das gläserne Dach schaute. Eine zauberhafte Atmosphäre.
Als ich das Museum für Hamburgische Geschichte verließ, versicherte ich ihm, bald wieder zu kommen. Und das ist wohl schließlich der tiefere Sinn einer solchen Nacht.
Ich machte einen weiteren schwächlichen Versuch, in der Nähe des Beatlesmuseums einen Parkplatz zu finden und fuhr dann völlig zufrieden nach Hause.

Wie die Schwestern der kleinen Meerjungfrau, die entweder die beleuchtete Stadt, den Sonnenuntergang oder Eisberge für das schönste auf der Welt erklärten, nachdem sie aus dem Meer aufsteigen durften, sollte jeder Besucher in diesem riesigen und vielfältigen Angebot für sich persönlich das herausfinden können, was ihm am besten gefällt.
Obwohl natürlich jeweils nur ein Bruchteil besichtigt werden kann, falls man Wert darauf legt, etwas intensiver einzusteigen.

Macht nichts, es ist damit zu rechnen, dass im nächsten Jahr wieder eine lange Nacht der Museen in Hamburg stattfindet.
Und dann fahre ich ganz bestimmt zu allererst ins Beatlemania!

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