Kunsthandwerk, Grafik & Design

„Gute Geschäfte sind die beste Kunst“, sagte Andy Warhol (1928-1987) einmal.
Nun, die Hamburger hatten 1972 eine dicke Chance zum guten Geschäft - und wussten sie nicht zu nutzen. Vielleicht ärgert sich heute noch so mancher Sammler, dass er nicht zugegriffen hat, als Gunter Sachs in der „Galerie in der Milchstraße“ die erste Warhol-Ausstellung in Hamburg präsentierte. Da kaum jemand kaufte, nahm Sachs schließlich das meiste selbst – und machte damit sicher eines seiner besten Geschäfte. Heute muss man schon für einige Plakate mehr bezahlen, als Anfang der 70er-Jahre für die limitierten Grafiken.


Doch dank der Schenkung des Hamburger Sammlers Claus von der Osten ist das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe mit Warhol-Plakaten bestens bestückt: Die Ausstellung „Posters. Andy Warhol“ gibt mit rund 150 Blätter aus drei Jahrzehnten nun den ersten großen Überblick über Warhols Plakatkunst - von dem kleinen „Campbell’s“-Plakat zur ersten Ausstellung 1962 in der Ferus Galerie in Los Angeles, über die Porträtserien prominenter Persönlichkeiten, bis zu den Drucken, die noch nach seinem Tod erschienen, ist alles dabei.

 

 

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Warhol-Fans wird das Herz aufgehen, schon auf den ersten Blick sieht man lauter gute alte Bekannten: Marylin Monroe, Liz Taylor, Elvis Presley, die gelbrote Kuh, die rotweiße Suppendose – all die Ikonen der Popkultur, die längst im kollektiven Gedächtnis des 20. Jahrhunderts verankert sind. Niemand weiß, wie oft diese Motive in Bonbon- oder Leuchtfarben illegal nachgedruckt wurden und immer noch werden – obwohl die Warhol-Stiftung in Pittsburgh ihre Rechte hütet wie den heiligen Gral, wie Sammler Claus von der Osten erzählt.

 


Der pensionierte Studienrat begann schon als junger Mann, Anfang der 1960er-Jahre, Plakate zu sammeln, 1968 erstand er seinen ersten Warhol. „Plakate, die eigens vom Künstler entworfen werden, sind für mich keine minderwertige Kunst“, so von der Osten, „da bin ich genauso dicht am Künstler dran“. Wohl wahr - und es hat den Vorteil, dass diese Blätter – zumindest in der Zeit ihrer Entstehung - auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich waren. Genau das war dem Künstler selbst außerordentlich wichtig: „Ich hatte das Gefühl“, so Warhol 1971 „dass man die Plakate anbieten könnte, wenn Leute sich die Gemälde nicht leisten konnten“.

 


Zu jener Zeit war Andy Warhol bereits ein Star, der seinen Starkult mit allerlei Marotten kultivierte. Ständig trug er eine Kamera bei sich, um alles um ihn herum zu fotografieren. Ebenso ein Tonbandgerät, das jede seiner Äußerungen aufzeichnete. In seiner legendären „Factory“ versammelte der exzentrische Maler, Zeichner, Fotograf, Filmemacher, Verleger, Musikproduzent jede Menge Bewunderer, Kollegen und Möchtegernkünstler, die das „dringende, überwältigende Bedürfnis (teilen), anerkannt zu werden“, wie Ultra Violet, bürgerlich Isabelle Dufresne, in ihren autobiographischen Aufzeichnungen über „Andy Warhol Superstar“ 1988 notierte.

 


In diesem „neuen Utopia“ war Kunst ein Geschäft, wie jedes andere auch. Am deutlichsten wird das in den Plakaten, die Warhols Werk seit 1964 begleiten. Aus der Frühzeit stammen „Flowers“ und „Colored Liz“, so genannte „Mailer“, die Galerist Leo Castelli an seine Kundschaft verschickte, um Ausstellungen anzukündigen. Mitunter wurden diese Plakate sogar geknickt, um sie besser versenden zu können. Bereits diese Motive basieren auf Fotos (in diesem Fall fremder Fotografen). Ab 1972 begann Warhol dann systematisch selbst zu fotografieren – mit Vorliebe Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur. In den nazistischen 70er- und 80er-Jahren gehörte es „fast zum guten Ton“, wie Ausstellungskurator Jürgen Döring formuliert, ein Porträt bei Warhol in Auftrag zu geben. Warhol war der „Hofmaler“ der feinen Gesellschaft. Einige meinen gar, er hätte für das Überleben des Genres Porträtmalerei in diesen Jahren gesorgt. In den 15 Jahren bis zu seinem frühen Tod entstanden rund 1000 Porträts, pro Jahr bis zu 100 Stück. Seine Assistenten schufen Hintergründe und Siebdrucke am Fließband. Warhol überwachte nur noch die Produktion.

 


Anfangs kosteten die Siebdrucke, die auf einer mit Ölfarbe kolorierten Leinwand gedruckt wurden, 25 000 Dollar, später 50 000 Dollar. Der Umsatz der „Factory“ konnte also locker mit jedem mittelständigen Betrieb mithalten.
Zu Deutschland hatte der in Pittsburgh aufgewachsene Sohn slowakischer Einwanderer immer eine besondere Beziehung, davon zeugen auch die „German Monuments“, die Warhol auf seiner Deutschlandreise 1980 aufnahm, darunter Schloss Neuschwanstein und der Hamburger Michel, der farblich verfremdet jahrelang für Konzerte warb. Eingeladen hatte der Bonner Galerist Hermann Wünsche, der seinen Superstar damals mit dem „Jetset von Deutschland“ (Döring) bekannt machte. Mit Erfolg: 50 Porträt-Aufträge brachte Warhol von dieser Reise zurück – unter anderem von Willy Brandt, der nun im MKG gleich neben Lenin, Mao und Mickey Mouse hängt.

 


Mit seinen politischen Plakaten hingegen hatte Andy Warhol weniger Glück. Dass die US-Demokraten seinen Entwurf 1972 ablehnten, ist sogar irgendwie verständlich: Es zeigt nicht etwa George McGovern, den damaligen Spitzenkandidat der Demokraten, sondern die hässlich eingefärbte Visage Richard Nixons. Zur Abschreckung, wie Warhol meinte. Doch um das zu verstehen, hätte das amerikanische Wahlvolk ein wenig nachdenken müssen – und das wollten die Demokraten lieber nicht riskieren.

 


"Posters. Andy Warhol"

zu sehen im im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz in 20099 Hamburg
Bis 7. September 2014, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr.
Eintritt 10 €, erm. 7 €, bis 17 Jahre frei.

 

 

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