Fotografie
Bernd Meiners – Fotografie und Film

Wenn man sich die biographischen Daten des Kameramanns und Fotografen Bernd Meiners anschaut, so erhält man schnell ein recht klares und präzises Bild der Person.
1974 legte er zunächst seine Meisterprüfung als Fotograf ab und studierte dann von 1980 bis 86 Visuelle Kommunikation beim Dokumentarfilm- und Videoprofessor Gerd Roscher und beim Bühnenbildner und Regisseur Wilfried Minks an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Seither ist Meiners aus den Bereichen Kunst-, Dokumentarfilm sowie der Fotografie nicht wegzudenken. Das bestätigen auch viele Ausstellungen und Preise und Auszeichnungen, die er als Kameramann erhalten hat, den Bundesfilmpreis in Gold, den österreichischen Kamerapreis oder den Gold Camera Award in Los Angeles, um nur einige zu nennen.

Betritt der Besucher die Räume der Freien Akademie Hamburg, so könnte er meinen, alles sei fest in der Hand von Fotografie – das Bewegtbild hat jedoch sowohl inhaltlich als auch formal einen ebenso festen Platz in der Präsentation in Form von Vorführungen.

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Bernd Meiners ist Lichtkünstler. Fotografie und Film sind auf Licht angewiesen, jedoch bedeutet die Abwesenheit von Licht keineswegs, nicht fotografieren oder filmen zu können. Bernd Meiners braucht kaum Licht, er fotografierte an allen Orten mit ein und derselben digitalen Kamera, die einen Infrarotmodus hat und ein Allerweltsprodukt ist. Im Prinzip also könnte, was die Technik angeht, jeder von uns diese Aufnahmen gemacht haben. Die nächtlichen Metropolen wirken farbig teilweise so, wie ein Nachtsichtgerät alles wahrnehmen würde. Die düstere, gleich bleibende grünliche Farbigkeit sowie die Grobkörnigkeit sind dabei durchaus gewollt. Die Fotografien erscheinen dadurch galvanisiert und einer fremden Realität zu folgen. In dieser Ausstellung gibt es zwei Typen von Nachtbildern, eben jene mit Infrarotmodus sowie jene, die Meiners als „Nachträume“ bezeichnet, farbig brillanter sind und dem entsprechen, was unser Auge nachts wahrnimmt. Die Nachtbilder folgen also einerseits natürliche Spuren und durch den Infrarotmodus sind sie künstliche Artefakte.
Dennoch charakterisiert Bernd Meiners jede Stadt und jeden Ort durchaus individuell mit eigener Atmosphäre und Sichtweise.

Längst nach Sonnenuntergang, entwickeln die Orte eine andere Art der Existenz. Manche wachen erst nachts in einem vollkommen neuen Gewand auf und die Dunkelheit verhüllt das Offensichtliche. Nachts sind es nicht die Sightseeing-Orte, die architektonischen Highlights oder Hauptstraßen mehr, die fotografische Anziehungspunkte sind, sondern jene Seiten der Städte die tagsüber im Randdasein schlummern. Konzentriert sich die Stadt tagsüber auf ihre Architektur und Verkehrsregelnde Kommunikation, so verschwindet nachts die äußere Form und fokussiert die wenigen, oft einsamen Lichtquellen und das Schemenhafte. Und nur nachts sind die Orte so erlebbar und abbildbar und beschreiben seine Nähe und Distanz zugleich.
Wenn der Puls einer Metropole nachts auch äußerlich ruhiger und langsamer schlägt, sie sind dadurch nicht weniger interessant. Ob auf Straßen, Plätzen, in Hinterhöfen, in der U-Bahn oder an Bahnhöfen – auch nachts leben die Städte und kreieren ihre eigenen Augenblicke. Und Bernd Meiners dokumentiert solche Augenblicke, ohne Stativ, schnell aus der Hand mit seinem geübten Auge und bewahrt auch immer ein Stück weit, das Aussehen der Dinge, ohne Manipulation von Zivilisation.

Meiners Arbeiten bleiben trotz der Reihungen und als Block wahrnehmbarer Hängung einzelner Orte im Fragmentarischen. Der englische Kunstkritiker John Berger beschreibt das Phänomen der Fotografie so: „Eine Photografie hält den Zeitfluß an, in den das photographierte Ereignis einst eingetaucht war. Jede Photografie gehört der Vergangenheit an... und übermittelt uns zwei Botschaften: die eine betrifft das photographierte Ereignis, die andere ist der Schock der angehaltenen Zeit.“(1)

Bernd Meiners macht geradezu etwas gegenteiliges, seine nächtliche Welt braucht er erst gar nicht zu verlangsamen oder gar anzuhalten. Meiners muss sehr genau wissen, dass zwar die Legitimation jedweden Fotos das Herausheben aus der Welt ist, er separiert das einzelne Bild aber nicht, sondern lässt es in der Reihung der städtischen Serie und im zeitlichen Strom fließen. Es ist eine Art Reinigungsprozess, den der Fotograf in Gang setzt: Aus der Bilder-, Daten- und Informationsflut unserer Tage, die keiner von uns mehr durch die Masse und Geschwindigkeit verarbeiten kann, werden uns nicht seine Vorstellungen zur Verfügung gestellt, sondern seine Wahrnehmungen. Die Besonderheit seiner Orte ist relativ und absolut zugleich. Es sind hier keine eingefrorenen Pointen zu finden, die Fotografien meinen gerade nicht die Momente, in denen das Leben interessant wird, sondern jene, in denen es „schutzlos ist und wir etwas von seinem innersten Gesetz wahrnehmen können, etwa so, wie man den Atem eines Schlafenden belauscht.“(2)
Die Orte sind zwar ganz und gar Räume, liefern aber nicht die Schilderung des Begriffs Stadt, sondern erzählen von Begebenheiten in urbanen Räumen mit und ohne die Anwesenheit des Menschen. Durch die Reduktion der Motivik und der Farbigkeit und durch die Ruhe, wirkt der Fotograf der Verstopfung der Kapillargefäße unserer Sinne entgegen. Auch wir können mit seinen Fotografien bewusst und sehr gezielt wahrnehmen.

Die Bildstrecke „Die Wüste“ ist das jüngste Werk des Künstlers: aus dem Jahr 2018. Auch für diese farbigen Fotografien gilt, dass es einen narrativen Strang gibt, eine Art ansteckende kontemplative Ruhe und sein unaufgeregtes Wahrnehmen. Allerdings unterscheidet sich diese Serie von anderen dadurch, dass sie die Landschaft als Durchquerungsraum definiert – einer Teilhabe an einer Reise gleich – mit Mobilität und Stillstand, Fahren und Rast. Das Auge respektive die Kamera von Bernd Meiners bleibt kurze Momente an etwas hängen, Spuren im Sand, dem Gebirgszug in der Ferne, dem Schotter auf der Piste, den eingekratzten persischen Schriftzeichen auf der Wand der Ruine. Und nicht nur die Schriftzeichen, ein vermeintlicher Text an sich, sondern die ganze fotografische Serie ist immens lyrisch. Die Poesie spielt sich überdies stark in uns ab, wenn wir eintauchen in die Bilder und auf Entdeckungstour gehen, sehen und wahrnehmen.

Naheliegend ist bei der Beschäftigung mit dem Werk von Bernd Meiners die Verwendung des englischen Begriffs der „film still photography“, die das Medium Fotografie mit dem Film verbindet. Der deutsche Begriff dafür wäre „Standbildfotografie“.(3)
Das Wort ‚still’ oder „Stand“ bezeichnet hier den Moment des Unbewegten, zur Ruhe Gekommenen gerade in seiner Differenz zum bewegten, flüchtigen Bild“ des Erlebens. Vergleichbar mit einer Film- oder Theaterdarbietung, inszeniert Meiners scheinbar den jeweiligen Ort sowie die Nacht und macht sie zu seinem Ort, zu seiner Nacht, ohne tatsächlich regieartig einzugreifen. Er trifft nur wenige entscheidende Auswahlkriterien, den Augenblick festzuhalten und den Bildausschnitt zu wählen, beide sind aber nie zusammenhangslos. Meiners verwechselt Ruhe nicht mit Stillstand. Es gibt in seinen Werken keinen Stillstand, es gibt nur unterschiedliche zeitliche Fließgeschwindigkeiten und Zeitbegriffe. Neben der Realzeit spielen imaginäre Zeit und Erlebniszeit entscheidende Rollen.

Die Überleitung zum Film ist spätestens an dieser Stelle offensichtlich. Das Filmische Werk ist Teamwork, die Auseinandersetzung mit fremden und eigenen Ideen, die Umsetzung vom Ideal ins Material, vom Gedanken ins konkrete Bild ist eine der entscheidendsten Leistungen. Aus dem großen Repertoire – Meiners war bislang an zig, (er selbst weiß es gar nicht konkret) dokumentarischen und künstlerischen Filmen beteiligt – und arbeitete mehrfach mit Filmemachern wie Jan Schütte, Georg Stefan Troller, Vanessa Nika Mueller, Monika Treut, Jens Huckeriede zusammen, um wenigstens einige zu nennen.
Das Thema Nacht zieht sich immer wieder durch die Filmographie und würde – zeige man alle diese Filme – eine sinnvolle Ergänzung sein. Besonders erwähnenswert ist ein Film, der hier gezeigt wird und im direkten Zusammenhang zu den Fotografien steht:
Vanessa Nika Muellers Film „Halbe Nacht“ aus dem Jahr 2012. Meiners Blicke auf die nächtlichen Fassaden von Wohnquartieren zu einer menschenentleerten Zeit stehen visuell in einem direkten Zusammenhang mit der „Durchfahrung“ des urbanen Ortes. Hier und da ist ein kleiner Moment von Innenräumen zu erkennen. Die Stimme aus dem Off gibt Situationen einer Ambivalenz wieder. Die Nacht wird durchzogen von der Erzählung eines Schlafwandlers, der medizinisch wach ist, jedoch keine Kontrolle über seine Aktivitäten hat. Wir sind dadurch in einen narrativen Raum gezogen, dem der semantische Raum der Bilder von Meiners gegenübersteht. Der Schutz der Dunkelheit ist hier nur vermeintlich der Schutz des Schlafes.

Bernd Meiners – Fotografie und Film

Zu sehen bis 03. März 2019 in der Freien Akademie der Künste, Klosterwall 23, 20095 Hamburg
Filmvorführung "Halbe Nacht" (Regie: Vanessa Nika Mueller, 2012, 20 Min.), täglich an Öffnungstagen um 17 Uhr
- Weitere Informationen zur Ausstellung
- Weitere Informationen zu Bernd Meiners

Fußnoten:
(1) Vgl.: BERGER, John; MOHR, Jean: „Eine andere Art zu erzählen“, München, 1984
(2) Vgl.: N.N. „Die Legende vom unsichtbaren Fotografen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.08.2003
(3) Vgl. KOCH, Gertrud: „Verweile doch, du bist so schön...“ in: „Film Stills“, Zürich, 1993, S. 23.


Hinweis:
Buch: Die Farben der Nacht

Ursula Keller (Autorin) und Bernd Meiners (Fotografien),
gebundene Ausgabe , ersch.Sept 2015 im Corso-Verlag


Abbildungsnachweis:
Header: Bernd Meiners fotografiert in einer Wüste im Iran, 2018. Foto: privat
Galerie: © Bernd Meiners
01. Block von Nachtbildern
02. Rio de Janeiro
03. Berlin
04. Hamburg
05. Hamburg
06. und 07. Wüstenruine im Iran

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