Film
Yves Saint Laurent

Seine visionären Kreationen verzauberten Generationen, er selbst wurde zur Legende, das Label YSL ein Welterfolg. Regisseur Jalil Lespert erzählt von der ungewöhnlichen Liebe zwischen dem genialen, fragilen Modeschöpfer und dem französischen Unternehmer Pierre Bergé.
Ein einfühlsamer, kompromissloser, vor allem wunderschöner Film, aber genau deshalb fielen einige der Kritiken recht harsch aus. Es mangle an Substanz, hieß es, doch das stimmt so nicht.  
Paris 1957. Als Christian Dior unerwartet stirbt, wird sein ehemaliger Assistent, der erst 21jährige Yves Saint Laurent (Pierre Niney) künstlerischer Leiter des renommierten Modehauses. Die erste Kollektion, in der Branche mit Skepsis erwartet, wird zu einem triumphalen Siegeszug, macht den jungen Couturier über Nacht weltweit berühmt und zum Liebling der Haute Volée. Noch im Taumel seines Erfolgs trifft er Pierre Bergé (Guillaume Gallienne), damals Agent und Freund des Malers Bernard Buffet. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Das übermütige, trotzdem noch zaghafte umeinander Werben gehört zu den bezauberndsten Momenten des Films. Lespert dreht es in der verspielten, unbekümmerten Manier der französischen Nouvelle Vague von Jean Luc Godard und Francois Truffaut. Pierre lockt den unsicheren, schüchternen Yves aus der Reserve. Entschlossenheit zeigt dieser nur, wenn er zeichnet, nach einem Stück Stoff greift, es mit geübter Hand zerreißt, eins seiner kleinen Wunderwerke entstehen lässt. Ihn quälen Selbstzweifel, unerträgliche Ängste. Victoire (Charlotte de Bon), Model und Muse des melancholischen Designers, versucht ihn aus seinen düsteren Stimmungen holen, meist vergeblich.

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Bergé als geschickter Geschäftsmann verschafft Yves den künstlerischen Freiraum, damit sich sein Genie ungehindert entfalten kann. Er selbst kümmert sich um PR, Finanzen und den Kontakt zur reichen Kundschaft. Doch dann scheint alles ein plötzliches Ende zu finden: Der fragile Modeschöpfer wird zum Wehrdienst einberufen, was gleichbedeutend ist mit einem Einsatz im algerischen Bürgerkrieg. Yves, in Algerien geboren, verzweifelt. Die Presse erwartet von ihm, dass er politisch Position bezieht. Nach 20 Tagen beim Militär bricht er völlig zusammen. Als Homosexuellen hat man ihm dort das Leben zur Hölle gemacht. Schwer traumatisiert wird er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Ärzte diagnostizieren eine manisch depressive Störung. Dass Yves den Kriegsdienst verweigert, ist in Frankreich ein Skandal. Das Haus Dior entlässt ihn.

Der Film schildert das Leben Saint Laurents zwischen 1957 und 1976 aus der Perspektive Bergés.  Die Außenwelt scheint oft gar nicht zu existieren, es gibt für die beiden Protagonisten nur Mode und ihre Beziehung.  Bergé war immer präsent in Saint Laurents Leben, ob als Geliebter, Freund oder Geschäftspartner und so ist es auch hier. Sein Voice Over macht ihn allgegenwärtig, was durchaus seiner Rolle als unentbehrlicher Beschützer entsprach. Und genau aus jener gegenseitigen Abhängigkeit entwickeln sich später ihre Konflikte. Doch in diesem Moment ist er der Einzige der zu Yves durchdringt, Pharmazeutika und Elektroschocktherapie, die Allheilmittel der Sechziger Jahre, haben den übersensiblen Künstler fast zerstört, doch Pierre Bergé gelingt, es Yves Überlebenswillen zu mobilisieren. Der ruhige, kühle Geschäftsmann verklagt das Modehaus Dior wegen der unrechtmäßigen Kündigung. Ein schwieriger Prozess, aber er gewinnt ihn, die Abfindung ist der Grundstock für ihr eigenes Modelabel.

In den folgenden Jahren entdeckt Yves Saint Laurent den Smoking für die Frau, macht den Safari-Look stadttauglich, Chiffonblusen durchsichtig, kombiniert rosa mit orange, was bis dahin als unverzeihlicher Stilbruch galt. Die Kleider aus der Piet Mondrian Kollektion werden eine Sensation, seine androgynen Entwürfe brechen mit allen Regeln der Damenmode. Der Designer genießt es zu provozieren, posiert nackt für sein Parfüm ‘Opium’. Die Bohemien-Kultur des linken Seineufers war für andere Couturiers tabu, Yves Saint Laurent nannte seine Prêt-à-porter Linie ‘rive gauche’. Er kokettierte mit den kaufkräftigen Revoluzzern und sie kamen in seine Boutique, bevor es auf die Barrikaden ging. Der Zeitgeist hieß Rebellion. Die Kommunistin Miuccia Prada, heute eine der mächtigsten Unternehmerinnen der Branche, trug YSL zum Sit-in. Yves Dufflecoats wurden zu Klassikern und Catherine Deneuves schwarzer Lackmantel in Bunels “Belle de Jour (1965) bleibt unvergesslich.

Noch immer hasst der geniale Modeschöpfer das Scheinwerferlicht, man muss ihn hinausdrängen um den Beifall für seine Kollektion über sich ergehen zu lassen. Der Film fasziniert durch die Fülle der Farben, leicht ausgewaschen, die verschiedenen Stil-Epochen, die traumhaften Haute Couture-Roben. Die Innenräume in ihrem Kontrast zwischen Licht und Schatten werden zu Seelenlandschaften der Protagonisten. Ein hinreißendes Ambiente. Gemälde, Antiquitäten, Literatur verbindet die beiden so gegensätzlichen Männer auch während ihrer stürmischen Krisen. Fünfzig Jahre dauert die turbulente symbiotische Beziehung bis zu dem Tod von Yves Saint Laurent am 1. Juni 2008. Wenig später trennt sich Pierre Bergé von der legendären Sammlung. In der dreitägigen Auktion im Grandpalais werden Bilder, Skulpturen, Möbel, Gold- und Silberschmiedearbeiten versteigert. Der Erlös beträgt 373,5 Millionen Euro, sie sollen zur Hälfte der Aids-Forschung zukommen und der gemeinsamen Stiftung zur Erhaltung des Oeuvres von Saint Laurent.

Zurück zum Film: Die eigentliche Kraft des elegischen Mode-Epos sind seine beiden Hauptdarsteller. Pierre Niney, jüngstes Mitglied der Comédie-Française spielt nicht nur Yves Saint Laurent, er verkörpert ihn, die Ähnlichkeit ist fast gespenstisch. Die weiche Stimme, der Akzent, die Kopfhaltung, wie er sich bewegt, seine schlaksige Noblesse. Die Mischung aus erschreckender Unsicherheit, Schwermut und überbordender Kreativität ist unwiderstehlich. Peitit Prince nannten die Franzosen zärtlich ihren berühmten Modeschöpfer. Lespert verklärt ihn nie, im Gegenteil, Yves kann unausstehlich sein, ungeduldig, grausam, aggressiv, überheblich, durchaus fähig seinen Freund aufs Tiefste zu verletzen, er nennt ihn einen Parasiten, den Mann, der das Imperium YSL erst ermöglicht hat. Der Künstler kennt keine Grenzen, Drogen, Alkohol, Affären, jede Form der Selbstzerstörung betreibt er zum Exzess und sehr ostentativ.  

Bergé ist als Rolle schwieriger, weil sie zurückhaltender gespielt werden muss, hier versteckt jemand seine Gefühle, aber Guillaume Gallienne (auch Mitglied der Comédie-Française) gelingt das meisterhaft. Pierre, eigentlich der ruhende Fels in der Brandung, rächt sich für die Untreue, die Gehässigkeiten des Geliebten. Er bevormundet Yves, den Inkompetenten nicht ohne Herablassung, lässt ihn spüren, für wie unfähig er ihn hält. Immer der Vernünftige zu sein, alle Verantwortung letztendlich allein zu tragen, ist kein einfaches Schicksal. Aber Bergé liebt seinen Partner mit unendlicher Geduld und Loyalität, doch es gibt Momente, da knallt eine Sicherung durch. Er nimmt Victoire, und er nimmt sie von hinten. Nicht weil er das Model begehrt, sondern weil er sie als Konkurrenz empfindet, vielleicht mehr als die vielen anderen Amouren seines Partners. Und ihr geht es ähnlich, sie spielt mit, vielleicht provoziert davon, dass Pierre ihrem Charme und ihrer Schönheit gegenüber unempfindlich war.

Kein Happy End, Yves wirft Victoire hinaus, er dem alle Menschen immer alles verzeihen müssen. Die beiden Männer kennen die Schwächen des Anderen und so schlagen sie gezielt zu. Aber es gibt Moment großer Nähe, jene kultiviert sanfte Umarmung nach der Modenschau rührt einen. Von Bergé sagte man, er würde immer einen Schritt hinter Saint Laurent gehen. Genau das ist sein Charakter, sich im Hintergrund zu halten, obwohl er nicht nur in der Kulturszene über großen Einfluss verfügte. Pierre versuchte auch in den kompromittierendsten Situationen noch stoisch Würde zu beweisen. Bis heute bewundert er seinen Partner uneingeschränkt. Für ihn bleibt er immer das zerbrechliche Wunderkind, das er beschützen muss. Und so trennten sich ihre Wege nie wirklich, auch wenn sie in verschiedenen Wohnungen lebten, sie blieben Partner, nicht nur der Geschäfte wegen.

Nicht ganz so interessant Yves Zeit in Marrakesch, seine wilden Partys, die illustren Weggefährten wie Karl Lagerfeld (Nikolai Kinski), Loulou de la Falaise (Laura Smet) oder Betty Catroux (Marie de Villepin). Sie bleiben diffuse Randfiguren. Yves verfällt irgendwann dem Dandy Jacques de Bascher, der eigentlich der Liebhaber von Lagerfeld ist. Pierre sorgt dafür, dass Bascher aus dem Leben seines Freundes verschwindet.  Es ist unerträglich für ihn, zusehen zu müssen, wie Yves sich mit Schmarotzern umgibt, sich selbst mehr und mehr zerstört. 1976 kommt es zur Zerreißprobe und hier endet der Film. Die Kritiker von Lesperts Biopic zählen nun auf Bertrand Bonellos “Saint Laurent” mit Gaspard Ulliel als Yves, Léa Seydoux in der Rolle von Loulou de la Falaise, Louis Garrel als Jacques de Bascher und Jérémie Renier als Pierre Bergé.

Der Kinostart in Frankreich, ursprünglich für Mai geplant, wurde auf den 14. Oktober 2014 verschoben. Die Themen von Bonellos Filmen drehen sich meist um Sexualität und Prostitution. Aufsehen erregte der französische Regisseur mit seinem Film “Der Pornograph”(2001), als er unzensierte Sexszenen von realen Pornodarstellern spielen ließ. Ehrlicher, dunkler, mutiger, weniger ehrfürchtig soll dieser Film sein. Bonello könnte bestimmt jede Ikone demontieren, der würde auch noch Saint-Exupérys kleinem Prinzen erklären, in seiner Schachtel wäre kein Schaf. Nicht jede Legende muss zerstört werden. Lespert gelingt es, die Ästhetik Yves Saint Laurents, dessen unverwechselbaren Stil für 106 Minuten zu seinem eigenen zu machen und so dem Zuschauer einen magischen Kosmos zu eröffnen. Hier hatte Kunst noch einen höheren Stellenwert als Vermarktung. “Yves Saint Laurent” basiert zum Teil auf der Biographie von Laurence Benaim. Pierre Bergé gewährte Einblick in private Dokumente und ermöglichte auch, dass Original-Kleider für den Film benutzt werden konnten. Nur hinsetzen war mit den historischen Raritäten strengstens untersagt.

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Originaltitel: Yves Saint-Laurent    
Regie: Jalil Lespert    
Darsteller: Pierre Niney, Guillaume Gallienne, Charlotte Le Bon    
Produktionsland: Frankreich, 2014. Länge: 106 Min.  
Verleih: Universum Film / SquareOne Entertainment     
Kinostart: 17. April 2014

Fotos: Copyright SquareOne/ Universum, Tibo & Anouchka

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