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Eine Liebesgeschichte? Ich würde das nicht so nennen. Der Komponist und Mademoiselle sind fasziniert voneinander, wenn auch vielleicht aus unterschiedlichen Gründen. Eine reizende Szene, in der sie gemeinsam Klavier spielen (das sie nicht beherrscht, weshalb er ihr die wenigen entsprechenden Tastengriffe zeigt) kommt einem Flirt sehr nahe. Die hustende Ehefrau vernimmt beklommen das vierhändige Spiel. Katerina Strawinsky war Igors Cousine, er kannte sie seit Kindertagen. Sie war seine Vertraute und seine erste, geschätzte Kritikerin, aber vergleichsweise unscheinbar, trotz leuchtend roter Haare, ohne Augenbrauen – als Coco Gäste nach Bel Respiro einlädt, malt sie sich ungeschickt welche ins Gesicht – zurückhaltend, sanft, eigentlich noch eine Frau des 19. Jahrhunderts.

Im grellen Gegensatz dazu steht die Chanel, die sich nimmt, was sie gerade haben will, egal, wem es gehört.
So dauert es nicht lange, bis sie zum komponierenden Künstler gleitet, in einem schmiegsamen Seidenfummel, der durch einen Griff zu lösen ist und zu Boden flutscht, um zu zeigen, dass Coco sich nicht damit aufgehalten hat, Unterwäsche anzuziehen. Größere Probleme hat der animierte Strawinsky, der verzweifelt versucht, ähnlich schnell aus seinen Klamotten zu kommen, sich fast mit seinem Schlips stranguliert und vergeblich danach trachtet, das halb aufgeknöpfte Hemd über den Kopf zu ziehen, während die nackte Coco ihn, auf dem Teppich wartend, ironisch aus ihren großen dunklen Augen betrachtet. Als er es endlich geschafft hat, wird nicht groß geschnäbelt oder gekost, sondern umgehend eingestöpselt.

Es ist kaum anzunehmen, dass einer der beiden verraten hat, auf welche Art sie’s machten.
Vielleicht hat Regisseur Jan Kounen sich einfach an der Persönlichkeit der Chanel orientiert. Und da leuchtet es ja tatsächlich ein, dass eine so überzeugte Puristin sich auch in diesem Bereich gern auf das Wesentliche konzentrierte.
Es folgt eine ganze Reihe weiterer leidenschaftlich-sachlicher Vereinigungen, auch gern in einem der Salons mitten am Tag. Dabei haben diese genialen Menschen anscheinend keine Angst davor, überrascht zu werden – im Haus wuseln Dienstboten, angetraute Ehefrau und die immerhin vier Kinder herum – während der Zuschauer nervös mit den Ohren zuckt und jederzeit Entdeckung und peinliche Szenen befürchtet.

Zunächst werden beide durch die neue Erfüllung inspiriert, er läuft lächelnd (und innerlich deutlich krähend) durch den stets herbstlichen Riesenpark und komponiert wie wild, sie legt ihre totale Trauerfarbe ab, zieht ein wenig Blau und Beige an und erschnuppert sich ihr sagenhaftes Parfum Nr.5 – aber es zeigt sich bereits, dass sie aneinander vorbeilieben. Zwei starke Charaktere prallen aufeinander, gewöhnt, es sonst mit schwächeren zu tun zu haben. Dabei hat Coco die besseren Karten, einfach, weil Igor sich eine Frau wie sie eigentlich überhaupt nicht vorstellen kann.

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