Film
Love Cecil

Er kreierte den Look von Audrey Hepburn, porträtierte die Queen und Marilyn Monroe, hasste Mittelstand und Mittelmaß: Lisa Immordino Vreeland schildert den legendären britischen Fotografen und Dandy in ihrem Dokumentarfilm „Love, Cecil” mit all seinen Widersprüchen, charmant, brillant, bösartig, ein interdisziplinärer Künstler, süchtig nach Anerkennung und voller Selbstzweifel.
Ob als Maler, Innenarchitekt, visueller Chronist, Setdesigner oder Kostümbildner, Cecil Beaton (1904-1980) faszinierte die Oberen Zehntausend diesseits und jenseits des Atlantiks. Rupert Everett leiht dem ruhelosen Multi-Talent seine Stimme, die Tagebucheintragungen aus dem Off geben dem Leinwand-Epos Intimität, Melancholie, fast ist es, als würden wir Seite an Seite mit dem Protagonisten in der Vergangenheit stöbern.

„Ich fühle mich machtlos gegenüber den geheimnisvollen Motiven, die mich immer bewegt haben, das Leben in Schnappschüssen einzufangen. Ich belichtete tausende Rollen Film und schrieb hunderttausende Worte, im vergeblichen Versuch den flüchtigen Moment einzufangen. Ich bin zwar kein Naturtalent, aber ich war von Anfang an geradezu zerfressen von Ehrgeiz. Und wenn man zum Ende des Regenbogens strebt, gibt es kein Zurück mehr.” Cecil Beaton 1978 über sich selbst in einem seiner letzten Interviews mit dem amerikanischen Schriftsteller Dirk Wittenborn.

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Er war ein Mann der Renaissance, doch seine Collagen erinnern an Kurt Schwitters. Er revolutionierte die Modefotographie von Vogue mit seiner Neo-Edwardianischen Ästhetik, war Liebling der Englischen High Society, transatlantischer Prominenter, dreifacher Oscarpreisträger, ein selbstzerstörerischer Visionär und Ikone der 1960er Jahren. Seine Bilder zeigen eine vergangene Epoche, die er idealisiert und verzauberte: „Ich schuf eine Fantasie, ich schuf eine Traumwelt“, gibt er zu. In den Kostümen und Bühnenbildern von „My Fair Lady“ und „Gigi“ werden die Sehnsüchte seiner Kindheit Realität. Cecil Beton soll einer der ersten gewesen sein, der seine Fotos bearbeitete, um den Kunden zu schmeicheln. In der Dunkelkammer verfeinerte er Taille und Kinn. Seine Karriere spiegelt wider, wie sich die Art des Ruhmes verschob von der aristokratischen und intellektuellen Elite des frühen Jahrhundertes zu den neuen aufstrebenden Berühmtheiten Hollywoods in der Nachkriegszeit. Beatons Porträts erhöhten und verherrlichen ihre Sujets, im Gegensatz zum Glamour-Verlust, der Demontage prominenter Persönlichkeiten, die mit dem Paparazzi- und Internetzeitalter begann.

Und so wurde Beaton zum Insider der internationalen Kreativszene, was er mit großem Eifer dokumentierte ähnlich den heutigen Instagram Nutzern und Bloggern. Er notierte in seinen privaten Tagebüchern die Eigenarten und Schwächen der illustren Persönlichkeiten, führte immer ein Notizbuch mit sich für ein paar schnelle heimliche Skizzen. Es war, als ob all die Mängel, die er in seinen Fotografien höflich entfernte, in seinen Journalen und Karikaturen wieder auftauchten. Er ist mehr als nur ein schmeichelhafter Hofmaler, seine schöpferische Kraft war unerschöpflich, inspirierte Generationen. Mit frappierendem Geschick inszenierte er sich selbst als Mittelpunkt eines Gesamtkunstwerks. Das unersättliche Verlangen nach sozialem Aufstieg entsprang der tiefen Überzeugung, dass ihm im Leben aus Versehen ein Ticket zweiter Klasse überreicht worden sei. Sein Vater war Holzhändler und die Mutter Tochter eines Schmieds aus der Grafschaft, Cumbria, im Nordwesen England. Beatons Familie zählte zu den sogenannten Nouveau Riche, dem neureichen Mittelstand in Hampstead. Verbissen und unermüdlich kämpfte Beaton darum, ins Epizentrum der Oberschicht vorzudringen, erlangte selbst die Gunst der königlichen Familie. Diese Art gesellschaftlicher Mobilität schien bis zu den 1960er-Jahre kaum vorstellbar in Großbritannien.

„Cecil hat sich als Persönlichkeit komplett selbst erschaffen,“ sagte Truman Capote über ihn. Es war wohl kein Zufall, dass sich Beaton mit der antiken Geschichte des Pygmalion so verbunden fühlte, entspricht sie doch in gewisser Weise seiner eigenen Neuerfindung. Er kultivierte seinen Akzent und Dandyismus in Cambridge und St. Cyprians, jener Internatsschule in Eastbourne, die auch George Orwell und Cyril Connolly besuchten. Lisa Immordino Vreeland illustriert, wie Beaton flüchtete vor der Mittelmäßigkeit, die er so verabscheute. „Sei mutig, sei anders, sei unpraktisch, sei alles, was dein Streben und deine visionäre Vorstellungskraft von den Sicherheitsdenkenden, den Kreaturen des Alltäglichen, den Sklaven des Gewöhnlichen abhebt“, forderte er. Der Ästhetizist spürte permanent den Zwang durch Leistungen und Originalität beweisen zu müssen, dass er kein „anonymer gewöhnlicher Mensch“ war. Hinter den vergoldeten Oberflächen der von ihm kreierten Welten verbarg sich ein Charakter mit vielen Widersprüchen. Auch wenn er als eine der berühmtesten Stil-Koryphäen des 20. Jahrhundert galt, litt er unter einem anhaltenden Gefühl der Unsicherheit und Fremdheit, das sich oft in gehässigen Bemerkungen äußerte. Er war ein kluger Beobachter, gebildet, unerschrocken und witzig. Kein Fehler seines Gegenübers entging ihm, er hatte er ein besonderes Talent, sich Feinde zu machen. In den Tagebüchern, die er von 1922 bis 1974 führte, schwelgt Beatonzuweilen in Boshaftigkeit. Über Jean Cocteau schrieb er: „Der gesamte Charme einer elektrisch verkabelten Persönlichkeit lässt einen das Aussehen vergessen, nämlich das eines verkleideten Affen, der an einem Drehorgelspielerstab hängt. Aber gibt es in Frankreich nicht eine gewissen Tradition für hässliche Vitalität (Cocteau, Colette, Barrault) versus klassisches gutes Aussehen“. Er hasste mit Inbrunst, Evelyn Waugh, Noël Coward, Elizabeth Taylor, Richard Burton, Katherine Hepburn. Grund brauchte er dafür keinen,

Manchmal war er fast prophetisch. In Bezug auf Marilyn Monroe schrieb er: „Sie tobt, sie quietscht vor Freude, sie springt auf dem Sofa herum. Sie steckt sich einen Blumenstängel in den Mund und zieht an einem Gänseblümchen, als wäre es eine Zigarette. Es ist eine kunstlose, improvisierte, übermütige, ansteckende heitere Darbietung. Es wird wahrscheinlich in Tränen enden.“ Sogar Queen Elizabeth II, die mehrmals für Beaton Porträt saß, war vor seinem Zynismus nicht sicher: „sehr leicht reduzierbar....auf einen Zustand unverwüstlichen Kicherns.“ Das Multi-Talent war bekannt dafür, mit Beleuchtung Wunder zu vollbringen. So wurde er während einer PR-Krise im Zusammenhang mit der Abdankung König Edwards im Jahr 1934 engagiert. Es war der Herzog von Windsor, der drei Jahre später die negative öffentliche Meinung über seine Geliebte Wallis Simpson umzukehren versuchte, deren harte, kantige Züge durch die erbarmungslosen Blitzlichter der Fleet-Street-Fotografen hervorgehoben wurden. Beaton milderte diese in seinen Porträts und stellte Simpson als anmutigen Mode-Ikone dar. So wurde er im folgenden Jahr beauftragt, die Hochzeit der beiden zu fotografieren, mit der Braut in der Haute Couture des Designer Mainbocher. Die neue, sehr moderne Herzogin von Windsor stand von nun an im Rampenlicht und stahl dem Königshaus die Show. So war 1939 der Buckingham Palace selbst an der Reihe, sein Image aufzubessern. Königin Elizabeth, Ehefrau von König George V, galt neben Simpson eher als spießig und matronenhaft. Aber Beatons Objektiv verwandelte sie in eine Frau von Stärke und Weiblichkeit. Man wusste es bei Hof zu schätzen und vergaß es nie. Danach wurde Cecil zu allen königlichen Engagements berufen, um der britischen Monarchie jenen Hauch von elegantem dezentem Glamour zu verleihen: von den berührenden Aufnahmen von Prinzessin Elisabeth mit ihrem neugeborenen Sohn Charles im Jahr 1948 bis hin zu ihrer Krönung 1953 . Das war die höchste Auszeichnung für den Künstler und der Beweis, dass es der kleine Junge aus Hampstead endlich geschafft hatte.

Fast hätte Beaton seine Karriere für immer vernichtet. Ein Jahr vor den Porträtaufnahmen von Königin Elisabeth legte er der amerikanischen Vogue 1938 eine Illustration vor mit dem Titel „Hollywood-Damen beim Lunch“, am Bildrand hatte er in winziger Schrift aber noch lesbar antisemitische Phrasen gekritzelt. Als die künstlerische Abteilung nicht wie von ihm beabsichtigt, die als gehässigen Joke gedachte Bemerkung, löschte, und das Magazin damit erschien, ging ein Aufschrei durchs Land, die Ausgabe wurde unverzüglich geschreddert und er aus seinem Condé-Nast-Vertrag entlassen. Als Faschist und Antisemit gemieden, war er in den USA Persona non grata. Beaton war am Boden zerstört, definierte er sich doch über die künstlerische Arbeit, sie war seine Identität. Aber die Freunde in England, wohin er zurückkehrte, wendeten sich nicht von ihm ab, sie kannten ihn. „Ich bin nicht antijüdisch und verspüre eine extreme Feindlichkeit Hitler gegenüber“, erklärte er. Doch wer wollte ihm noch glauben. Es war der Zweite Weltkrieg, der ihm einen Ausweg bot. Auf Empfehlung von Königin Elisabeth trat er als Fotograf für das Informationsministerium in die Armee ein. Seine der Öffentlichkeiten weniger bekannten Porträts von Soldaten, Piloten und verletzten Kindern gehören zu den eindrucksvollsten seiner Arbeiten. Vergessen der Dandy und die High Society, das Multi-Talent verstand instinktiv die Kunst der Propaganda. Seine berührendste Fotografie vom Londoner Blitzkrieg zeigte die dreijährige Eileen Dunne in ihrem Krankenhausbett, wie sie ihren Teddybären umklammert. Als Titelbild des US Life Magazins wurde es zu einem der prägnantesten Bilder des Krieges, das dem amerikanischen Volk die Realität des Konflikts in Europa näher brachte und die öffentliche Meinung entscheidend beeinflussten zu Gunsten der US-Intervention.

In den 1960er Jahren wurde er von der neuen Generation verehrt und fotografierte nun die aufstrebenden Helden der Arbeiterklasse: Twiggy, Mick Jagger, David Hockney und Penelope Tree. Mit seinem getrimmten Akzent und statischen Kompositionen stand er im Widerspruch zu der kreativen Energie seines Zeitgenossen Richard Avedon, er wirkt wie ein Wesen aus einer anderen Welt. „Beaton ist der einzige akkurate Modefotograf, den es je gab“, erklärte Kollege Brian Duffy 1971 und der Künstler Patrick Procktor sagte über ihn: „Es gibt keine Modeerscheinungen in den Dingen, die ihn interessieren. Es sind künstlerische Werte, die nicht vergänglich sind.“ Als Beaton 1980, vier Tage nach seinem 76. Geburtstag starb, standen drei Fotos an seinem Bett: Greta Garbo, mit der er eine kurze, unglückliche Affäre hatte, Peter Watson, ein reicher Kunstsammler, der seit Jahren im Mittelpunkt seiner unerwiderten Liebe stand und Kinmont Hoitsma, ein ehemaliger olympischer Fechter, der in den frühen 1960er Jahren sein Partner war. Die Beziehung scheiterte, weil er nach Ansicht des Künstlers nicht in das glamouröse soziale Umfeld passte: Als sie sich das erste Mal trafen, hatte der Sportler und spätere Lehrer noch nie von Chanel gehört. Beaton konnte ein unerträglich Snob sein, von fast erschreckender Herzlosigkeit. Seine sexuellen Neigungen waren nie ganz eindeutig. Er war der Liebhaber gefeierter, gut vernetzter Frauen wie die Tänzerin Adele Astaire, Schwester von Fred, die schöne sinnliche Viscountess Castlerosse oder die freizügige Schauspielerin Carol Browne. Daneben hatte er aber auch komplizierte Beziehungen zu Männern. Seine amouröse Existenz war geprägt von frustrierter Liebe zu Personen wie Greta Garbo, die er idealisierte und von kurzen Beziehungen zu denjenigen, bei denen er meinte, sie würden seine Ideale nicht teilen. „Vielleicht ist Langeweile das zweitschlimmste Verbrechen der Welt“, feixte er. „Das erste ist selbst ein Langweiler zu sein.“ Er konnte sich auf keinen Menschen wirklich einlassen, stattdessen diente ihm der gesellschaftliche Trubel mit all seinen betörenden Verheißungen als Ersatz und Ablenkung von seiner emotionalen Unzufriedenheit.

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Originaltitel: Love, Cecil

Regie + Drehbuch: Lisa Immordino Vreeland
Mit Rupert Everett
Produktionsland: USA, 2017
Länge: 99 Minuten
Kinostart: 12. Juli 2018
Verleih: StudioCanal Deutschland

Fotos, Pressematerial & Trailer: StudioCanal Deutschland

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