Film
Three Billboards Outside Ebbing Missouri

Genialer Genre-Mix aus Neo-Western und Kleinstadt-Satire.
Manchmal ist es leichter einen Molotow-Cocktail zu werfen als zu weinen. Mildred Hayes (Frances McDormand) will Gerechtigkeit um jeden Preis: Vor sieben Monaten wurde ihre Tochter vergewaltigt und ermordet, vom Täter keine Spur. Unbändige Wut verdrängt alle Gefühle selbst Trauer. Die furchtlose zynische 50jährige mietet für 5000 Dollar den Monat drei riesige Werbetafeln am Ortsausgang und beschuldigt weithin sichtbar Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) der Untätigkeit. Mildreds Überzeugung nach foltern Cops lieber Schwarze statt echte Verbrechen aufzuklären. Vom ersten Moment an gehört unsere Sympathie der taffen Protagonistin, die mit lakonischen, köstlich vulgären Sprüchen ihre potenziellen Gegner außer Gefecht setzt.

Der britisch-irische Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh („7 Psychos”, „Brügge sehen...und sterben?”) verbindet virtuos bissigen schwarzen Humor mit dem Schrecken griechischer Tragödien. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” gewann die Golden Globe-Auszeichnung als Bestes Filmdrama und ist weniger feministisch deftiges Rache-Epos sondern die düstere Chronik amerikanisch provinzieller Bigotterie, es erzählt von Gewalt, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Korruption und einem kaltherzigen Priester. Bald hat die allein erziehende Mildred fast die ganze Stadt gegen sich. Wenn es sein muss, wehrt sie sich tatkräftig, tritt einem Mitschüler ihres Sohnes in die Eier, im Zuge der Gleichberechtigung kriegt das Mädchen daneben auch was ab. Dem uneinsichtigen fetten Zahnarzt bohrt sie ein Loch in den Daumen, und nachts fliegen Molotow-Cocktails ins Polizei-Revier.

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Eine Traumrolle für Frances McDormand plus dem Golden Globe Award als ‚Beste Hauptdarstellerin‘: McDormand avanciert zur modernen weiblichen Variante des klassischen Westernhelden, orientiert sich in Gang wie Haltung an John Wayne. Eine Figur, so die Schauspielerin “in der Tradition jenes mysteriösen Mannes im Spaghetti-Western, der mit gezogenem Gewehr die Straße entlangläuft und alle abknallt- obwohl ich es wichtig finde, dass die einzige Waffe, die Mildred je benutzt, ihr Grips ist.” Der Film explodiert fast vor verhaltener Wut, ist unberechenbar wie seine verzweifelte skrupellose Protagonistin und trotzdem höchst subtil. In dieser packenden vielschichtigen Charakterstudie führt McDonagh jede Art von Klischee ad absurdum, er spürt den verschiedenen Ursachen nach von Hass, Schmerz und Einsamkeit. Chief Willoughby ist ein besonnener kluger Mann, der krebskranke Vater von zwei kleinen Töchtern wird bald sterben. Doch Mildred kennt keine Gnade, selbst dafür hat der Sheriff Verständnis genau wie für Officer Dixon (Sam Rockwell), ein gewalttätiger Rassist und von Mama gegängeltes Jüngelchen, der ohne zu zögern seinen Zeugen durch die Fensterscheibe des oberen Stockwerks auf die Straße schleudert.

Der in London geborene Regisseur entwickelt ein besonderes Gespür für den amerikanischen Zeitgeist und patriarchalische Strukturen, ein perfekter Kommentar zur #MeToo Bewegung inklusive deren Widersprüche. McDonagh stilisiert Mildred nicht zur heroischen Ikone des Prekariats, im Gegenteil, durch ihre permanente Gehässigkeit verspielt sie sich fast unsere Sympathien. Den blauen Overall trägt sie Tag für Tag wie eine Kriegsuniform, kämpft nicht nur gegen die Ignoranz der Ordnungshüter sondern vor allem mit den eigenen Dämonen, die sie verfolgen. Tief im Inneren fühlt sich der rabiate Racheengel schuldig für den Tod der Siebzehnjährigen, ihre Aggressivität versperrt den Zugang zu den eigenen Gefühlen, so war es schon vor dem Tod der Tochter und zerstörte die Familie. Rücksicht kennt sie keine, Sohn Robbie (Lucas Hedges, „Manchester by the Sea”) liebt seine Mutter, reagiert auf deren Obsessionen mit tapferer Ironie: „Denn wenn man gerade mal versucht hat, die Einzelheiten zu verdrängen, weil man sich einredet, dass es ja nichts nützt, oder weil man es sonst nicht erträgt, dann ist es doch schön, dass man in sechs Meter großen Lettern daran erinnert wird, wie die letzten Minuten ihres Lebens wohl waren.” Das subversive Schuld- und Sühnedrama steckt voller unerwarteter Wendungen, Abzweigungen und wundervoller Episoden, jede für sich ein kleines Meisterwerk, in Venedig und bei den Golden Globe Awards wurde „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” als ‚Bestes Drehbuch‘ ausgezeichnet.

„Ich würde alles tun, um den Täter zu fassen, Mrs. Hayes. Ich finde, Ihre Billboards da sind nicht besonders fair”, Sheriff Bill Willoughby appelliert an Mildreds Verständnis, vergeblich. Die Leiche verbrannte fast bis zur Unkenntlichkeit, für die Ermittler gab es kaum verwendbare Spuren. „Während Sie mich vollheulen wie eine Pussy, wird vermutlich grade ein anderes Mädchen abgeschlachtet,” dieser Zorn, der sich nicht besänftigen lässt, treibt die Handlung voran. Die Gemüter erhitzen sich, tief sitzender Groll, alte Zerwürfnisse treten zutage. Die Protagonistin ist gefangen wie in einem moralischen Niemandsland. McDonagh fragte sich, “was kann man tun, ob konstruktiv oder destruktiv, um die Dinge aufzurühren und etwas zu erreichen?...Was passiert, wenn es eigentlich keine Hoffnung mehr gibt und man sich dazu entscheidet, solange auf den Putz zu hauen, bis es irgendwie doch wieder Hoffnung gibt.” Den einzigen Moment fragilen Glücks in diesem Rache-Thriller erlebt der Zuschauer mit dem sterbenden Polizeichef, sein berührender Abschied von der Familie. Woody Harrelson spielte bisher meist den Outlaw oder Außenseiter wie in „Natural Born Killers” oder „Rampart”, hier ist er der archetypische gütige Kleinstadt-Polizist, zeigt eine völlig neue Seite von sich.

Durch die Reklametafeln stehen sich Mildred und Willoughby in einer Art Pattsituation gegenüber. „Woody und ich haben uns nicht viel über die Charaktere unterhalten, das war gar nicht nötig”, sagt McDormand, „Woody und ich sind uns irgendwo ziemlich ähnlich. Tatsächlich hätte meiner Meinung nach ebenso gut er die Mildred und ich Willoughby spielen können. Wenn irgendetwas im Film in die Nähe sexueller Spannung kommen sollte, dann befänden es sich zwischen diesen beiden, -aber es gibt etwas viel Spannenderes zwischen ihnen. Sie hätten Freunde sein können, Partner... und unter besseren Umständen hätten sie gemeinsam eine Lösung finden können.” Dagegen verkörpert Officer Dixon all das, was man an einem Mann verabscheut. Immer wieder hat er die Polizei-Akademie durchlaufen müssen, bis er das Examen endlich schaffte. An Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Einfalt übertrifft er sämtliche Kollegen. Das brutale Muttersöhnchen verehrt Wiloughby und hasst Mildred. Sam Rockwell („Confessions of a Dangerous Mind”) wurde für seine Rolle bei den Golden Globe Awards als ‚Bester Nebendarsteller‘ ausgezeichnet. Trotz seiner Widerwärtigkeit hat Dixon etwas ungeheuer Kindliches, Unbedarftes an sich, das unser Mitleid erregt. „Er ist der Bastard Edmund aus King Lear”, so Rockwell, „mit Wut auf die Welt und von dem Gefühl beherrscht, dass er stets schlecht behandelt wird. Anfangs scheint er in Ebbing der örtliche Schurke zu sein, doch es ist viel komplizierter.“

Mildred bekommt Unterstützung, nicht nur von ihrer Freundin, mit der zusammen sie einen Laden für geschmacklose Geschenkartikel betreibt, kaum der Ort wo man eine wie die Protagonistin vermuten würde. Doch hier im hinterwäldlerischen erzkonservativen Ebbing dürfen Frauen vielleicht noch keine Autowerkstätten betreiben. Mildred weigert sich standhaft die Reklameflächen zu räumen, die Freundin wird deshalb einer Geisel gleich wegen angeblichem Marihuana-Missbrauchs in den Knast gesperrt. Ohne Erfolg. Ein anonymer großzügiger Geldgeber springt ein, wenn mit juristischen Tricks der Vertrag annulliert werden soll. Wegen der Brandstiftung im Polizeirevier hilft James (Peter Dinklage, „Game of Thrones”) mit einem Alibi aus, Bedingung ist ein Abendessen bei Kerzenschein. Dankbarkeit zeigen, gehört nicht zu den Stärken Mildreds, James reagiert leicht ungehalten: „Ich weiß, ich bin kleinwüchsig, verkaufe Gebrauchtwagen und hab 'n Alkoholproblem. Das weiß ich. Aber wer, zur Hölle, bist du, Mann? Du bist die Billboard-Tante, die nie lächelt.“ Den Wechsel innerhalb einer Szene zwischen Realismus und Poesie, nihilistischem Humor und Tragik, Verzweiflung und Hoffnung greift Komponist Carter Burwell („Carol”) auf, er genießt es, kontrapunktisch zu komponieren. Anfangs dachte er an einen Soundtrack à la Sergio Leone, die Suche nach Gerechtigkeit in einer gnadenlosen Welt, er entschied sich dann dagegen, doch in der Grundstimmung ist noch ein wenig davon zu spüren. Er stöberte in der traditionellen amerikanischen Folkmusik, integrierte viele Akustikgitarrenklänge. „Doch das Motiv von Mildred auf dem Kriegspfad“, so Burwell, „ist fast wie ein Militärmarsch, mit Trommeln, Klatschen und Stampfen.“ Hinreißend das völlig überraschende Finale.

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Originaltitel Film: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Regie: Martin McDonagh
Darsteller; Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell
Produktionsland: Großbritannien, USA, 2017
Länge: 115 Minuten
Kinostart: 25. Januar 2018
Verleih: Fox Germany

Fotos, Pressematerial & Trailer: Copyright
Fox Germany