Film
New York, I Love You

Vor ein paar Minuten lief noch sein wunderbares ‚Soul Kitchen’ im Abaton, da kündigt Fatih Akin, kurz nach 22 Uhr, bereits die Preview seiner aller-allerneueste Kreation an, eine von elf Episoden im Film ‚New York, I Love You’.
Und er erzählt, wie es dazu kam: Eigentlich hätte er bereits 2006 an ‚Paris je t’aime’, dem ersten Werk dieser Reihe des Produzenten Emmanuel Benbihy beteiligt sein sollen, musste das damals jedoch wegen anderer Termine ausschlagen.
Nun ist er sowieso viel glücklicher damit, zum zweiten Film eine Episode beizusteuern, denn New York liebt er mehr und kennt er besser als Paris, außerdem spricht er zwar Englisch, jedoch kein Französisch.
Die Bedingungen für die Zusammenarbeit verschiedener renommierter und weniger bekannter Regisseure wurden genau vorgegeben: höchstens 48 Stunden Drehzeit, maximal sieben Tage im Schneideraum, eine fertige Geschichte durfte nicht länger als acht Minuten dauern, musste, natürlich, in einem Stadtteil New Yorks spielen und irgendeine Art von Liebe zum Thema haben. Kostümbildner, Ausstatter und andere Crewmitglieder wurden von allen geteilt, nix mit eigener Stammfamilie.
Akin bringt es fertig, in charmantem und glaubwürdigem Ton zu versichern, sein Haus-Cutter Andrew Bird sei der beste der Welt – und andererseits fühle er sich ganz außerordentlich geehrt, dass er mit der großartigen Cutterin, die zum Team des New York-Films gehörte, zusammen arbeiten durfte.

Wer jetzt davon ausgeht, ‚New York, I Love You’, aus elf New Yorker Liebesgeschichten zusammen gebastelt, sei ein Episodenfilm, der ist schwer im Irrtum.
‚Paris, je t’aime’ (18 Geschichten) war zwar noch einer. Dieser hier jedoch trägt die stolze Bezeichnung ‚Kurzfilmkompilation’. Was einem nach einiger Übung so leicht von der Zunge geht wie ‚Frühstücks-Cerealien’.
Wieso übrigens die etwas ungerade Summe von ausgerechnet elf Stories? Nun, ursprünglich waren es zwölf. Scarlett Johannsen hatte noch eine beigesteuert, sie führte die Regie in einer Episode mit Kevin Bacon, in der er auf Coney Island einen Hot Dog verspeist.

Da ich Kevin Bacon verehre, hätte ich ihn liebend gern das Würstchen futtern sehen. Leider wurde jedoch diese Episode herausgeschnitten, Erklärung: sie passe nicht zum Gesamtkonzept. Nun sind meiner Meinung nach die Geschichten generell ziemlich unterschiedlich ausgefallen. Demnach muss Scarletts Beitrag wirklich extrem aus dem Rahmen gekippt sein. Kleiner Trost: auf der DVD soll Kevin samt Junkfood wieder auftauchen.

Was blieb, war Folgendes:
Hayden Christensen als smarter Taschendieb beklaut und beflirtet eine hübsche junge Frau (Rachel Bilson) und bekommt dabei Konkurrenz von Andy Garcia, der auch einige Tricks drauf hat…
Ein schüchterner Jüngling (Anton Yelchin) wird knapp vor dem Schulabschlussball von seiner Freundin verlassen. Der freundliche italienische Apotheker (James Caan) lässt ihn zum Trost seine Tochter mit zum Ball nehmen, die allerdings im Rollstuhl sitzt. Welche Überraschung den nichts ahnenden Jungen mit der Kleinen im Central Park erwartet, sei nicht verraten – soviel aber muss ich los werden: mir kann niemand einreden, dass ein Italiener aus der Generation und vom Kaliber eines James Caan, wenn man sein Töchterchen erst nach Tagesanbruch wieder bei ihm abliefert (zumal er darum bat, sie rechtzeitig nach Hause zu bringen) nur sanftmütig irgendwelche Sportnachrichten faselt. Nicht in diesem Jahrhundert! Im nächsten eventuell…

Natalie Portman ist übrigens mächtig involviert. Sie spielte bereits in ‚Paris je t’aime’ mit, in New York führt sie einmal Regie – die Geschichte eines dunkelhäutigen Mannes (Carlos Acosta), der zum Entzücken der beobachtenden Ladys, wiederum im Central Park, ein kleines weißes Mädchen (Taylor Geare) betreut. Die eigentliche Pointe ist nicht so effektiv wie das atemberaubende Ballett-Solo, dass der gute Mann am Schluss der Episode hinlegt.
Aber Portman stellt auch eine Jüdin dar, die kurz vor der Heirat mit einem strenggläubigen Chassidim ihren Kopf scheren musste und sich darüber bei einem indischen Diamantenhändler (Irrfan Khan) beklagt – der ihren kahlen Kopf offenbar sehr reizvoll findet.

Julie Christie spielt eine ehemalige Opernsängerin, die wieder mal ihr Lieblingshotel in Manhattan besucht. Dabei schleppt ein drastisch körperlich behinderter Hotelboy (Shia LaBeouf) ihr Gepäck die Treppe rauf. Der arme Kerl sieht so aus, als sei er einmal vollständig auseinander gebrochen und in großer Eile wieder zusammengesetzt worden, er humpelt und hinkt aufs Unerträglichste, bekommt auch noch wildes Nasenbluten und guckt aus todtraurigen Engelsaugen. Statt ihn mit dicken Trinkgeldern zu trösten, bietet die Sängerin ihm Sekt an, was ihm wahrscheinlich sogar besser gefällt, denn, wie er erklärt, schon sein Vater schwärmte für die Primadonna. Durch John Hurt als ausgemergelten Hotelangestellten erfahren wir zum Schluss, was dem Unglücklichen vor langer Zeit wohl einmal zustieß: die Liebe natürlich …



("Trailer", ca. 1,50 Min.)

Die schönste Romanze ist zweifellos die, in der ein Ehepaar am 63. Hochzeitstag am Strand spazieren geht. Sie (Cloris Leachman) sagt ihm fortgesetzt, er soll beim Laufen die Füße heben und er (Eli Wallach) erwidert fortgesetzt, das täte er doch. Dann blicken sie aufs Meer, sie schmiegt den Kopf an seine Schulter und er küsst sie innig auf die Stirn, bevor sie umkehren und weiter ein bisschen miteinander streiten…

Weiß nicht jeder, dass der verbissenste Hass auf Raucher aus Amerika kommt? Und ist nicht New York die amerikanischste aller Städte? Trotzdem tropft in diesem Film das Nikotin nur so von der Leinwand. Zwar können die Protagonisten sich in ‚öffentlichen Räumen’ noch zurückhalten, die eigene Bude wird gnadenlos voll gequalmt.
Das ist so im Fall von Ugur Yücel, der (in Fatih Akins Episode) ein weißbärtiger, deprimierter Maler ist. Er bewundert eine scheue junge Chinesin (Shu Qi), die in einem kleinen Laden in Chinatown Kräutertee verkauft, malt sie auch aus dem Gedächtnis, scheitert jedoch an ihren Augen. Also bittet er das Mädchen, ihm Modell zu stehen. Doch sie lehnt zunächst einmal ab…

Am Ende sitzt sie allein in einem Restaurant, durch das Fenster von außen gesehen wie auf einem Gemälde von Edward Hopper. Fatih Akin sagte vor dem Film, das er genau dies Wirkung auch beabsichtigt hätte.
Ebenso raucht David (Orlando Bloom) sich sein Apartment gelb, ein junge Komponist im durchlöcherten Unterhemd – letzteres wohl eher aus Coolness als aus Armut - der die Musik für einen Zeichentrickfilm machen soll und dabei vom Regisseur ständig unter Druck gesetzt wird. Ein bisschen Trost und gute Ratschläge kommen von der sympathischen Stimme der Assistentin des Regisseurs. Und David wüsste zu gern, wie sie wohl aussieht!
Gleich zwei Episoden nehmen sogar ganz ausdrücklich das Rauchen zum Angelpunkt, nämlich das vor der Restauranttür.
Da ist einmal der geschwätzige Autor (Ethan Hawke), der einer vorbeigehenden Schönheit (Maggie Q) Feuer gibt und das zum Anlass nimmt, hocherotisch zu baggern – bis sie ihm etwas anvertraut, das ihm mehr oder weniger die Sprache verschlägt…

…und die blonde Lady (Robin Wright Penn), die mit dem männlichen Raucher (Chris Cooper) ein provozierendes Gespräch anfängt. Aber diese Episode ist ein wenig ärgerlich, weil man sofort ahnt, was dahinter steckt.
Endlich gibt es noch den Single Alex (Bradley Cooper), der sich wundert, weshalb ihm Lydia (Drea De Matteo), sein ganz unverbindlicher One-Night-Stand der letzten Nacht, nicht aus dem Kopf will. Und auch sie versucht vergeblich, sich den Mann auszureden.

Wenn so viele Köche am Brei rühren, ist das Ergebnis natürlich nicht einheitlich, und das ist ja gerade der erwünschte Effekt.
Bestenfalls sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Im ersten Film der ‚Cities of Love’-Reihe waren die Episoden noch deutlich voneinander getrennt, hier hat man sie teilweise lose miteinander verwurschtelt, die Personen der einen Geschichte begegnen unterwegs kurz denen einer anderen oder tauchen einfach noch mal auf.
New York bildet zwar ständig den Hintergrund, ist aber sicherlich schon treffender portraitiert worden, nämlich dann, wenn nicht nur jeweils acht Minuten zur Verfügung standen.
Produzent Emmanuel Benbihy bereitet gerade die nächsten Filme seiner Reihe vor: in Rio de Janeiro und Shanghai, später vielleicht auch in Jerusalem und Mumbai, soll es mehr vom Schicksal-Patchwork geben.


Titel: New York, I Love You
Kinostart (Deutschland): 28.01.2010
Deutschland (FSK): Freigegeben ab 12 Jahren
Länge: 110 Minuten

Copyright Fotos sowie Trailer: Concorde Film