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Das melancholische Schuld- und Sühnedrama „Nostalgia“ mit Pierfrancesco Favino in der Hauptrolle inszeniert der italienische Regisseur Mario Martone („L’amore molesto“, 1995) als subtiles Psychogramm einer Rückkehr nach vierzigjähriger Abwesenheit.

 

Emotionales Zentrum ist Rione Sanità, die Camorra-Hochburg von Neapel. Der atmosphärisch starke Thriller über das dunkle Geheimnis einer Jugendfreundschaft basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ermanno Rea. „Nostalgia“ berührt, erschüttert durch die eindringliche Visualisierung seiner inneren Konflikte. Ein poetisch raues Mafia-Epos fern dem fiebrig schillernden Glamour im Stil von Hollywood.

 
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„Beau is Afraid“, das mit Spannung erwartete Opus Magnum des US-amerikanischen Regisseurs Ari Aster, erreichte in den vergangenen Wochen nie die Top-Positionen der Arthaus-Charts und entwickelt sich an den europäischen Kinokassen zum Flop.

 

Zu Unrecht. Erleben wir doch an der Seite des tragisch kläglichen Helden, grandios verkörpert von Joaquin Phoenix, eine unvergleichliche bildgewaltige ödipale Odyssee durch seelische Untiefen als Spurensuche gesellschaftlicher Machtstrukturen. Beaus Dasein, in jedem Moment von Versagensängsten und Panikattacken geprägt, schnürt uns die Kehle zu, so unerbittlich konzentriert sich die visionäre Horror-Komödie auf ihre opulente Ausweglosigkeit.

 
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„Roter Himmel“ erzählt von einem Sommer an der Ostsee, heiß und trocken, seit Wochen hat es nicht mehr geregnet. Alles dreht sich um die Hoffnungen von vier jungen Menschen, um Liebe, Sehnsucht, aber auch die Unfähigkeit zum Glücklichsein und um den Tod.

 

„Es sind schwebende, wie aus der Welt gefallen Tage“, sagt Regisseur Christian Petzold. Sie erinnern uns an die Komödien von Éric Rohmer wie „Pauline à la plage“ (1984). Wir haben sie unendlich vermisst, ohne uns dessen bewusst zu sein, empfinden nun eine Spur von Wehmut, denn jene Ahnung von Gefahr überschattet die einstige Unbeschwertheit, ein Funke genügt, und die Wälder stehen in Flammen.

 
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Umarmungen wie Angriffe aus dem Hinterhalt, Leidenschaft bis zur Selbstzerstörung: „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ ist die Chronik einer Amour Fou von unglaublicher Intensität und Wucht.   

 
Regisseurin Emily Atef („3 Tage in Quiberon“) gelingt mit der Adaption des gleichnamigen, 2011 erschienenen Romans von Daniela Krien ein außergewöhnliches Psychogramm sinnlicher Grenzüberschreitung, unberührt von den Zweifeln der #MeToo-Ära. Grandios in den Hauptrollen: Marlene Burow und Felix Kramer. 
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Inspiriert von Umberto Ecos „Im Namen der Rose“ inszeniert Tarik Saleh seinen brisanten Politthriller „Die Kairo Verschwörung“ als skrupelloses Ränkespiel um Herrschaft und Autorität, Leben und Tod. Tatort: Al-Azhar, mythenumrankte Universität der ägyptischen Hauptstadt und Epizentrum der Macht im sunnitischen Islam. Ihr gegenüber auf der anderen Straßenseite liegt das Hauptquartier der Staatssicherheit. 
 
Der in Schweden geborene Regisseur katapultiert uns mitten hinein in eine für das Kino bisher fremde Welt, wo sich Vergangenheit und Zukunft überschneiden: 300.000 Studenten und 3.000 Professoren, atemberaubende Bilder entstehen. Der Film wurde in Cannes 2022 für das beste Drehbuch ausgezeichnet.

 
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Der Diebstahl eines Neugeborenen aus kirchlicher Baby-Klappe ist Ausgangspunkt von Hirokazu Kore-edas in Südkorea gedrehtem Roadmovie „Broker“. Ähnlich wie in „Shoplifters“ erklärt der japanische Regisseur die herkömmliche Moral als untauglich zum Überleben am Rande der Gesellschaft

 

Familie bleibt der zum Scheitern verurteilte Versuch einer Utopie. Aber zwischen kaltem Materialismus und tiefer Menschlichkeit, zwischen Tragik und Komik entsteht eine Schicksalsgemeinschaft, die Glück wenigstens für ein paar Stunden greifbar macht.

 
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Der Film „Tar“ ist wie seine Protagonistin: Atemberaubend, raffiniert, genial, bissig, charmant, anspruchsvoll, mysteriös, elegant, sinister, hochsensibel: kurz unberechenbar.

US-Regisseur und Drehbuchautor Todd Field kreiert ein provokantes Spiegelbild herkömmlicher #MeToo-Dramen, katapultiert uns mitten hinein in die hart umkämpfte Welt-Elite der klassischen Musik, das Buhlen um Ruhm, Eros und Kommerz.

 
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Das Drama „Die Aussprache“ ist aufwühlend, packend, auf seine Art vielleicht der radikalste filmische #MeToo-Beitrag. Regisseurin Sarah Polley inszeniert es ästhetisch virtuos als Mix aus True-Crime-Epos und fiktivem Gedanken-Experiment, unterstreicht das Epochale der Gefühle mit einem extremen Breitbildformat.

 

Nach Jahren grausamsten sexuellen Missbrauchs stimmen die Frauen einer abgeschotteten ultrakonservativen Religionsgemeinschaft in Abwesenheit der Männer über ihre Zukunft ab: Bleiben und nichts tun, kämpfen oder die Community verlassen. 

 
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Irgendwann störte den südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook, dass seine Filme wie „Die Taschendiebin" meist nicht wahrgenommen werden als das, was sie eigentlich sind: Liebesgeschichten. Wo sonst Rachethriller, Heist-Movie und Historiendrama bei ihm zu zynisch-lasziven Puzzles voller Gewalt und Intrigen verschmelzen, kreierte er deshalb ganz bewusst mit „Die Frau im Nebel“, einen fast zärtlichen Neo Noir, selbst Obsessionen strahlen hier noch etwas respektvoll Sanftes aus.

 

Unverändert die erzählerische Virtuosität, im Gegenteil, das rätselhafte Konstrukt entwickelt sich durch seine, die Perspektiven verändernden Spieglungen zu einer hochemotionalen Spurensuche von atemberaubender subtiler Schönheit und Spannung. Eine Hommage an Alfred Hitchcocks „Vertigo“. 

 
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Der belgische Regisseur Lucas Dhont erzählt in „Close“ von der Fragilität der Gefühle, der scheinbaren Selbstverständlichkeit des Glücks, das von einem Moment zum anderen sich auflöst, weil der Blick Anderer auf uns die Welt auf den Kopf gestellt hat. Und er erzählt von der Fähigkeit wie auch Unfähigkeit mit Verlust umzugehen. 

 

Im Mittelpunkt steht die enge Freundschaft zweier dreizehnjähriger Jungen. Dhont lässt auf magisch subtile Weise die Grenzen zwischen Worten, Bewegung, Emotionen, Farben und Formen verschwimmen. „Close“ gewann letztes Jahr den Grand Prix in Cannes und ist nun nominiert als bester internationaler Film bei den Academy Awards 2023.

 
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Ali Abbasi inszeniert den suggestiven magisch düsteren Neo-Noir „Holy Spider“ als Spiegel patriarchalischer Strukturen im Iran. Der Film basiert auf einem wahren Kriminalfall zu Beginn der 2000er Jahre, damals lebte der heute in Dänemark ansässige Regisseur noch in Teheran. 

 

Verbrechen zelebriert Abbasi nicht in der Tradition von US-Thrillern, sondern zeigt Gewalt als das, was sie ist, brutal, banal, kläglich, abstoßend, grotesk nicht ohne tragische Komik, Produkt extremer Frauenfeindlichkeit.

 
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„The Banshees of Inisherin“ erzählt von dem Zerbrechen einer platonischen Männerfreundschaft -schmerzhaft wie das Ende jener romantischen großen Liebe, die doch nur der Tod hätte trennen dürfen. 

Es ist der berührendste, der schönste Film von Martin McDonagh, eine Parabel über die Sinnlosigkeit der Kriege: Zärtlich, kauzig, komisch, anarchisch und unendlich traurig, wenn Zorn oder Enttäuschung in grotesker Gewalt eskalieren. Eine melancholisch düstre Welt, durchdrungen vom Absurden in der Tradition Samuel Becketts. Schauspielerisch grandios: Colin Farrell und Brendan Gleeson. 

 
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„Verlorene Illusionen“ schildert die Geburtsstunde der Trollfabriken und Fake News im Paris des frühen 19. Jahrhunderts. Eine Gesellschaft im Umbruch, die französische Metropole entpuppt sich als Monster, verführerisch, rachsüchtig und gierig. 

 

Für eine Verfilmung von Honoré de Balzacs dreibändigem Roman braucht es Courage und auch eine Spur von Genialität. Regisseur Xavier Giannoli katapultiert die Zuschauer mitten hinein in den Strudel der Ereignisse: Was als scheinbar konventionell opulentes Historiendrama beginnt, entwickelt sich unerwartet zum rasanten gesellschaftskritischen Mix aus Gangster-Farce und Intrigen-Epos. 

 
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Der Schweizer Wegbereiter für Film und Fotografie François-Henri Lavanchy-Clarke (1848-1922) filmte bereits im Jahr 1896 unterschiedliche Lebenssituationen in seinem Heimatland, um sie im vielleicht ersten Kinoraum der Welt vorzuführen: In einem extravaganten Pavillon auf der Landesausstellung im gleichem Jahr in Genf.

 

Eine aktuelle Ausstellung im Museum Tinguerly in Basel bringt seine fast vergessenen Filme und Fotografien ans Licht und entdeckt den Waadtländer Weltbürger auch als Konstrukteur von Automaten.

 

 

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