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Auftaktkonzert zum Schleswig-Holstein Musik Festival 2019: Krzysztof Urbanski dirigiert

Mit einer energiegeladenen, fulminanten Janine Jansen, einem bestaufgelegten NDR Elbphilharmonie Orchester und einem die Stargeigerin hingebungsvoll, ja fast verliebt begleitendem Krzysztof Urbanski am Pult startete das Schleswig-Holstein Musik Festival 2019 vergangenes Wochenende in einer restlos ausverkauften MuK, wie man die Musik- und Kongresshalle in Lübeck kurz nennt.

Sie wirkt auch mit 41 Jahren noch mädchenhaft jung und natürlich. Wie erfrischend ihr herzhaftes, ansteckendes Lachen gleich zu Beginn, als es beim Shakehands mit Krzyszof Urbandski und den Ersten Geigen ein kurzes Kuddelmuddel gab. Eigentlich will die niederländische Violinistin Janine Jansen seit ihrem Burnout 2010 ja nicht mehr so viele Konzerte geben, höchstens 80 im Jahr, das betont sie in jedem Interview. Beim SHMF, bei dem sie in diesem Jahr Porträtkünstlerin ist, spielt sie allein schon zehn. Was für ein Kraftakt!

Mit geschlossenen Augen, völlig konzentriert, wartet Janine Jansen auf ihren Einsatz. Es mag vielleicht überraschen, dass Johannes Brahms‘ Konzert für Violine und Orchester D-Dur op.77 als erstes auf dem Programm steht und nicht etwa Johann Sebastian Bach, dem das SHMF das diesjährige Festival gewidmet hat. Doch dieses Violinkonzert eines seiner glühendsten Bewunderer – im zweiten Teil des Abends wird der enge Bezug zwischen beiden Komponisten offenbar - eignet sich als Eröffnungsstück ganz hervorragend.
„Tatsächlich gibt es kaum ein anderes Werk von Brahms‘ Hand, das solch eine innere Harmonie und – abwechselnd stille oder berauschte – Glückseligkeit ausstrahlt“, schreibt Gerald Felber, langjähriger Rundfunk-Musikredakteur, im Programmheft. Und genau diese berauschte Glückseligkeit weiß Janine Jansen, wissen Krzysztof Urbanski und das NDR Elbphilharmonie Orchester auf das Vortrefflichste zu transportieren. Wunderbar das innige Miteinander von Solo und Tutti, hinreißend die Klangfarben, die Janine Jansen ihrer Stradivari entlockt: Anfangs tatsächlich kaum hörbar, zart und zerbrechlich wie hauchdünnes Glas, dann wieder von einer Power, dass man direkt Angst um dieses kostbare Instrument von 1727 bekommt. Unglaublich, mit welcher Wucht die Niederländerin die Saiten bearbeitet, was für harte, kratzige, ja fast aggressive Klänge sie auf ihrer Geige zaubert. Einfach atemberaubend!

Urbanski, Krzysztof. Foto © Marco BorggreveDas Adagio dann wieder mit einer solchen Inbrunst interpretiert, dass Dirigenten-Shootingstar Krzysztof Urbanski – an diesem Abend insgesamt ungewohnt verhalten und elegant-verspielt – tatsächlich mit einem Bein vom Pult steigt, um dieser Ausnahme-Geigerin gleichsam Raum zu geben. Wie beseelt lauscht er den wehmütigen Klängen der Violine vom Rande, um sich erst in den überschäumenden Schlussakkorden des Orchesters wieder mittig zu positionieren und die Zügel in die Hand zu nehmen.

Als Zugabe für das restlos begeisterte Publikum gab es dann doch noch einen Bach: Die melancholisch-getragene „Sarabande“ in D Minor war ein Vorgeschmack auf den eher schwermütigen zweiten Teil des Abends: „Meine Tage in dem Leide“ aus Bachs Kantate „Nach dir, Herr, verlanget mich“, interpretiert von dem exzellenten NDR Chor, gefolgt von Brahms‘ Vierter Sinfonie, deren Ende sich auf den Schlusssatz der frühen Kirchenkantate von Johann Sebastian Bach bezieht. Diese e-Moll-Sinfonie op. 98 aus dem Jahr 1885 hat so gar nichts mehr von dem Optimismus und der Fröhlichkeit, die in Brahms‘ Violinkonzert von 1878 anklingt. Sie ist getragen, wuchtig und ernst, selbst in den monumentalen Sätzen noch schwermütig und leidend. Berechtigter, starker Applaus für NDR-Chor und –Orchester, das im Programmheft verkündete: Das Konzert ist ein Geschenk des NDR an das Festival und sein Publikum. Mal abgesehen davon, dass die Musiker offenbar ohne Gage auftraten: Dieser wunderbare Abend war wirklich ein Geschenk. Und das nicht zuletzt wegen des unerhört disziplinierten Publikums: Kein Huster, kein Rascheln, kein peinlicher Klatscher zwischen den Sätzen – so etwas erlebt man heute nur noch höchst selten.

Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) 2019

Das Festival bietet bis zum 1. September 2019 genau 223 Konzerte, in denen zumindest jeweils ein Programmpunkt Johann Sebastian Bach (1685-1750) gewidmet ist. Der im thüringischen Eisenach geborene geniale Komponist hat über die Jahrhunderte nicht nur Klassik, sondern auch Jazz und Pop beeinflusst.

Alle Infos unter www.shmf.de


Abbildungsnachweis:
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Janine Jansen. Foto © Marco Borggreve
Urbanski, Krzysztof. Foto © Marco Borggreve

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