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Edelzarte Miniaturen und ganz großer Schubert – mit dem Auryn Quartett Foto Manfred Esser

Mit einem anspruchsvollen Programm wurde das Internationale Mendelssohn Festival in der Laeiszhalle Hamburg eröffnet. Kammermusik von Mendelssohn und Schubert, die Lust macht auf mehr. Das Festival läuft noch bis zum 24. September.

Was für ein Auftakt für das Internationale Mendelssohn Festival! Im gut besetzten kleinen Saal der Laeiszhalle zelebrierten Hochkaräter Werke des Namenspatrons – Kammermusik, die etliche Facetten von Mendelssohns Schaffen ausleuchtete und für Schuberts mehr als einstündiges Oktett den Zuhörern große Geduld abverlangte. Die allerdings reich belohnt wurde.

Den Beginn setzte Peter Orth mit dem Präludium und Fuge e-Moll. Ein Werk des 18-jährigen Mendelssohn, das im Präludium mit seinen Tonkaskaden und der eingängigen Melodie klingt, als wolle es die Tonsprache der Chopin-Etüden vorwegnehmen. Und dessen vierstimmige Fuge mit ihrem harmonisch vertrackten Thema dem von Mendelssohn verehrten Thomaskantor Bach alle Ehre gemacht hätte – fast so, als wollte Mendelssohn einen Grundstein legen für einen dritten Band des Wohltemperierten Klaviers. Die Fuge mündet in einen Choral, der wiederum in einen zart nachklingenden Epilog. Ein frappierendes Stück Musik, das gelobt wurde (Schumann: „dem Geiste entsprungen und nach Dichterweise ausgeführt“), als komponierte Erlösung verstanden, aber auch als Erfindung des religiösen Kitsches kritisiert. Peter Orth lotete es kantig aus, weniger Kitsch, mehr Bachsche Strenge.

Organisator und Spiritus rector Niklas Schmidt, unermüdlich treibende Kraft des Festivals und der Mendelssohn Summer School, trug ein „Lied ohne Worte“ bei – op. 109, das einzige, das Mendelssohn für eine andere Besetzung als Klavier solo schrieb. Diese vier Minuten cellistische Sehnsucht mit Klavier entstanden zwei Jahre vor dem Tod des Komponisten, als „Romance sans paroles dédiée à Mlle. Lise Christiani“. Die 18-jährige französische Cello-Virtuosin konzertierte 1845 in Leipzig, und während sich alle Welt das Maul zerriss – weniger über ihre spielerischen Fähigkeiten als über die Sittlichkeit der Musikerin, die sich ihr Instrument zwischen die Beine (!) klemmte – komponierte Mendelssohn ihr eine süße musikalische Praline. Niklas Schmidt spielte sie als gehaltvolle, feine edelzarte Miniatur.

Dann aber ging’s zur Sache. Mendelssohns Sextett op.110, geschrieben mit 15 Jahren, in der ungewöhnlichen Besetzung für Klavier, Violine, zwei Bratschen und Kontrabass.
Das Jugendwerk mit der ob seiner späten Entdeckung hohen Opus-Zahl ist sicher ein Kabinettstückchen für einen jungen Klaviervirtuosen, das sein enormes Können ins rechte Licht setzt, und ein elfenhaft elegantes, fast lässiges Vorführen von Mendelssohns leichter, poetisch prickelnder musikalischer Handschrift. Gern als Miniaturkonzert für Klavier tituliert, ist es viel mehr, wenn es hier und da auch die Untiefen des romantischen Gemüts auslotet. Jens Oppermann (Violine), Stewart Eaton (Viola) und Andreas Arndt (Cello) vom Auryn Quartett musizierten das mit wachsendem Esprit mit ihren Kollegen Peter Orth (Klavier), Boris Faust (Viola) und Jens Bomhardt (Kontrabass).

Nach der Pause dann Kammermusik im XXL-Format: Schuberts gewaltiges Oktett F-Dur D.803, im selben Jahr entstanden wie Mendelssohns Sextett. Schubert war 27, als er Klarinette, Horn und Fagott sowie ein Streichquartett samt Kontrabass zu diesem opulenten Werk zusammenschmiedete, aus dem man deutlich sein Ringen um die große sinfonische Form heraushört. Schubert breitet den ungeheuren Reichtum seiner Instrumentationskunst aus, öffnet seine melodische Schatzkammer und nimmt seine Zuhörer mit auf eine Reise durch den Kosmos seiner oft düsteren Gefühle. Und da gibt es viele Stationen: das fein gesponnene Adagio, das ruppige Allegro vivace, den großen Variationensatz mit sieben Ausdeutungen eines Themas aus einer eigenen Oper. Hier lugt noch Mozart zwischen den Noten hervor, dort bürstet Beethoven den schieren Wohlklang gegen den Strich. Und dann ist da immer wieder Schuberts ureigene, tiefe, traurige Sehnsucht.

Das Auryn Quartett (diesmal komplett mit Matthias Lingenfelder, Violine) mit Jens Bomhardt (Kontrabass), mit Michel Lethiec (Klarinette), Ab Koster (Horn) und Jussi Särkka (Fagott) lassen diese musikalische Welt erstehen. Lethiec zaubert unfassbar zarten Klarinettenhauch, mehr geahnt als gespielt, anrührende Innerlichkeit, Koster setzt klar konturierte Hornakzente. Lingenfelder lässt seine Violine wie eine Lerche in die Höhe steigen. Und gemeinsam sind die acht Musiker fast schon Orchester, mit zwingenden Passagen, treibendem Rhythmus, vielstimmigem Klanggewebe und etlichen Anklängen an Beethovens sinfonisches Schaffen. Ja, es ist eine große Hörarbeit, die dem Publikum da abverlangt wird – das die Musiker und auch sich selbst mit ebenso großem, jubelndem Applaus belohnt.

Ein qualitativ überzeugender Auftakt, er sollte noch viele Musikfreunde überzeugen, sich schnell Karten für eines oder mehrere der folgenden Konzerte zu besorgen.

Internationales Mendelssohn Festival
Läuft noch bis zum 24. September
Informationen zum gibt es hier: (040) 3576 6666, Mo bis So 10-20 Uhr, und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.mendelssohn-festival.com


Abbildungsnachweis:
Header: Das Auryn Quartett. Foto: Manfred Esser

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