Bildende Kunst
Klapheck. Bilder und Zeichnungen - Düsseldorf

Wer kennt sie nicht, die Schreibmaschinen, Bügeleisen, Nähmaschinen, Haushaltsgeräte mit den rätselhaften Bildtiteln "Der Hausdrachen", "Die gekränkte Braut", "Die Schwiegermutter", "Der Schürzenjäger", "Die Soldatenbräute"?
Die Maschinenbilder mit der kalten, metallisch glänzenden Oberfläche und der reduzierten Formensprache sind über 40 Jahre die Obsessionen von Konrad Klapheck. Ende der 1990er-Jahre kommt plötzlich die Zäsur. Der Maler wendet sich der Figurenmalerei zu, expliziert der des Aktes. Erotische Frauenbilder entstehen und als Liebhaber des Jazz porträtiert er befreundete Jazzmusiker in Bars und Clubs.
Die chronologisch konzipierte Retrospektive "Klapheck. Bilder und Zeichnungen" im Museum Kunstpalast in Düsseldorf präsentiert mit rund 70 Exponaten – Bilder, Zeichnungen und Vorstudien – einen repräsentativen Querschnitt aus allen Schaffensperioden des in Düsseldorf lebenden Künstlers.

"Sie malen noch immer Maschinen? Hängt Ihnen das nicht allmählich zum Halse heraus", wurde Klapheck 1984 gefragt. "Nein, mein Roman ist noch nicht beendet", so die Antwort.
Der Roman beginnt im Jahr 1955 mit einer Schreibmaschine der Marke Continental, die der heute 78-Jährige an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Bruno Goller malt. Der Künstler, der den damaligen Mainstream vom Informell und abstraktem Expressionismus ablehnt, findet bereits mit der ersten Maschinendarstellung "Schreibmaschine" einen individuellen, unverwechselbaren Stil, den er im Laufe seiner Schaffenszeit immer mehr perfektioniert. Er porträtiert Maschinen wie man bis dato Menschen portraitierte. Der Klapheck-Stil wird sein Markenzeichen: die Präzision und die stilisierten Formen, die kalt-glänzende Ästhetik, die farbintensiven Felder und Farbkontraste, die Froschperspektive sowie die häufig perspektivische Darstellung in schräger Seitenansicht.

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Die Schreibmaschine wird zu einem seiner Lieblingsmotive. In über 40 Werken thematisiert er sie in immer neuen Variationen: "Royal" (1957), "Medusa, meine Freundin" (1958) und 1969 "Der Gesetzgeber" oder "Der Despot" von 2012. Sie sind Metaphern für die bürokratische Macht des Staates. Gleich Dämonen suggerieren sie dem Betrachter eine imaginäre Bedrohung. Vor allen Dingen bei dem großformatigen Bild "Der Gesetzgeber" kommt dies zum Tragen. Vorbild ist eine Adler-Schreibmaschine aus einem Firmenkatalog. Durch Abstraktion und perspektivische Verkürzung wird das Objekt verfremdet, nicht mehr funktionstüchtig. Der Schalthebel, die obere kleine Walze und die schmale Tastatur mit den gotischen Buchstaben lassen keine Wiedererkennung der originalen Adler zu. Mit "Der Despot" nimmt Klapheck noch einmal das Thema Schreibmaschine auf. Dem dominierenden Maschinenkörper mit den zwei Tastaturen fügt er als neues Accessoire ein blau-rotes Farbband vor der Walze ein.

Die Schreibmaschine ist bei Klapheck männlich definiert. Als weibliches Pendant sind die Nähmaschinenbilder mit ihren runden Formen zu sehen. Auf Rat des französischen Malers Christian d`Orgeix entsteht nach dem Vorbild einer Singer-Nähmaschine 1957 "Die gekränkte Braut". Der Titel reflektiert seinen damaligen Seelenzustand. "In den geschwungenen Linien des Nähmaschinenleibes, im schimmernden Kopf mit Fadenführer, Fuß und Nadel erkannte ich Lilo wieder, von der ich mich kurz zuvor im Streit getrennt hatte." Nach der Versöhnung wird Lilo übrigens drei Jahre später seine Ehefrau. In über 40 Variationen hat er sich dem Thema "Nähmaschine" gewidmet. Neben seinem Erstlingswerk zeigt die Schau "Die Soldatenbraut", 1967, eine Schusternähmaschine mit großer Handkurbel für Leder, die der Herstellung von Soldatenstiefeln diente. Bei "Inquisition" von 1971/198, eine Zickzackmaschine von Pfaff, ist der weiße Gelenkfuß, durch den die spitze Nähnadel mit dem gelben Faden stößt, überproportional betont.

Aus den Anfangsthemen Schreibmaschine und Nähmaschine lassen sich alle weiteren Bildmotive ableiten: banale Haushaltsgeräte, Wasserhähne, Duschen, Telefonhörer, Bügeleisen, Schuhspanner, aber auch Autoreifen, Fahrräder, Motorräder und vieles mehr. In Fachzeitungen und Katalogen, Werbeanzeigen, Illustrierten oder eigenen Fotografien findet der Maler seine Motive. Die rätselhaften Werktitel reflektieren zum einen autobiographische Erinnerungen, zum anderen Wünsche und Träume, häufig mit sexuellen Komponenten. Erotische Untertöne spiegeln sich in "Die Sexbombe und ihr Begleiter" von 1963. Auf den ersten Blick eine einfache Badezimmer-Armatur mit Wasserhahn und Dusche, symbolisiert in der Phantasie des Malers der helle Wasserhahn eine schöne Frau mit üppigen Formen. Die Dusche mit dem schwarzen Griff ist ihr finanzkräftiger, zahlender Begleiter im dunklen Anzug.

Zu seinen letzten Maschinenbildern gehört "Im Zeitalter der Gewalt II" von 1995. Mit drei mal sieben Metern ist das monumentale Gemälde das Highlight der Ausstellung. Der grüne Schaufelbagger "Atlas" schaufelt schwarze Erde auf den roten LKW "Cat". Zwei monströse Objekte treffen hier aufeinander und agieren miteinander. Ein Kampf der Geschlechter? Wer dominiert hier wen?

Im Jahr 1997 erfolgt eine malerische Zäsur. Klapheck verabschiedet sich von den Maschinenbildern und wendet sich der Figuren- und Aktmalerei zu. Spiegelten bisher nur seine Bildtitel erotische Phantasien wider, zeigt sein Spätwerk eine unverhohlene Sexualität: nackte, pralle Weiblichkeit. Die sexuelle Befreiung eines älteren Herrn von verstaubten Moralbegriffen? Wie dem auch sei, mit seinen Küchenbildern "Küche I" und "Küche II" von 1997 und 1998 betritt er Neuland, wagt einen Neuanfang. Dralle, nackte Frauen mit den puppenhaften Gesichtern posieren beim Pseudo-Kochen in der Küche. Ihre Körper sind, ähnlich wie bei den Maschinen, von kalter Ästhetik. Gleichwohl spielen auch hier technisch-glänzende Küchengeräte eine wichtige Rolle: der Mülleimer, Eierschneider oder die runden Kuchenformen – ein Hinweis auf die prallen Brüste der Damen.

Wesentlich pikanter sind dagegen "Der Friedhof" und "Das Foto" aus dem Jahr 2001, welche nackte Paare beim Koitus zeigen. Erotisch aufgeladen sind auch "Das Weihnachtszimmer", "Table Dance", "Wodkalied" oder "Initation". Auffallend ist, dass seine Bildkompositionen neben der Sexualität diverse symbolhafte Attribute enthalten, deren Entschlüsselung dem Betrachter obliegt. Dennoch fokussiert sich der Blick unwillkürlich auf die Nacktheit, welche die sexuelle Phantasie des Betrachters stimuliert.

Weit weniger erotisch ist dagegen die Bildserie zum Thema Jazz. Seine Bilder fangen den Sound der Musik ein, die vibrierende, verräucherte Atmosphäre der Bars und Clubs, die Ekstase der Zuhörer. „Swing, Brother, Swing“ von 2006 zeigt das Jazz-Orchester von Count Basie mit der Sängerin Billi Holyday. In Frontalansicht sind die Körper der vier Blechbläser dargestellt, deren Köpfe hinter den Rundungen der Instrumente verschwinden. Daneben finden sich Einzelbilder von Musikern mit denen Klapheck befreundet ist: "Round about Midnight", 2007, "Four Horns, One Mouth", 2008, "After Practicing", 2009, oder "Klezmer Blues" von 2009, in dem er Benny Goodman porträtiert. Stand bei den frühen Bildern die Maschine im Fokus, sind jetzt der individuelle Mensch und die technoid glänzenden Musikinstrumente gleichwertig.

Faszinierend sind die zahlreichen Vorzeichnungen des Künstlers, welche den Entstehungsprozess eines Bildes dokumentieren. Im Verhältnis 1:1 wird mit Kohle, Blei-, Rot- und Blaustift eine Vorzeichnung auf Transparentpapier erstellt: Mit Rotstift eine senkrechte und waagerechte Mittellinie gezogen, ein dem Größenverhältnis der Figuren entsprechendes Raster übertragen, mit Zollstock, Winkeldreieck und Zirkel Figuren und Gegenstände gezeichnet und die perspektivischen Verkürzungen, notfalls mit dem Taschenrechner, berechnet. Jedes kleinste bildnerische Detail wird in der Vorzeichnung berücksichtigt, sodass das Endprodukt ein originalgetreuer Entwurf des Bildes geworden ist.

Klapheck, 1935 in Düsseldorf geboren, gehört zu den ganz großen Stars der Kunstszene. Seine Maschinenbilder sind zu Ikonen der modernen Malerei geworden. Mit 29 Jahren stellte er 1964 seine Bilder "Die Sexbombe und ihr Begleiter", "Patriarchat" und "Die Mütter" auf der documenta III in Kassel aus. Einzelausstellungen in Paris und London folgten, die ihm die Türen zum internationalen Kunstbetrieb öffneten. Seitdem ist er auf nationalen und internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Mit der Retrospektive "Klapheck. Bilder und Zeichnungen" ehrt das Museum Kunstpalast in Düsseldorf einen großen Maler ihrer Stadt.

Eine empfehlenswerte, hervorragend konzipierte Ausstellung.


Zu sehen bis zum 4. August 2013 im Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, in 40479 Düsseldorf.
Die Öffnungszeiten sind Di-So von 11-18 Uhr und Do von 11-21 Uhr. Montags geschlossen.
Ein Katalog ist erschienen.
www.smkp.de


Bildnachweis
Header: Die Fragwürdigkeit des Ruhms, 1978, Kohle und Rotstift auf gelb gefärbter Leinwand, 253x183 cm. Privatsammlung. Foto: Christel Busch
Galerie:
01. Konrad Klapheck vor dem Werk „Der Despot“, 2012. Foto: Willi Kemp, 2012
02. Die gekränkte Braut, 1957, Öl auf Leinwand, 50x61 cm. Im Besitz des Künstlers. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013
03. Royal, 1957, Öl auf Leinwand, 70x80 cm. Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Dauerleihgabe aus Privatsammlung. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013. Foto: © Stiftung Museum Kunstpalast – ARTOTHEK
04. Die Schwiegermutter, 1967, Öl auf Leinwand, 100x85 cm. Sprengel Museum, Hannover, Leihgabe der Commerzbank AG, Frankfurt am Main. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013. Foto: © Wolfgang Günzel, Offenbach
05. Vorzeichnung und Bild zu Der Erfolg und sein Preis Nr. 6, 1993, Kohle und Bleistift auf Leinwand, 300x250 cm. Courtesy Galerie Lelong, Paris und Zürich. Foto: Christel Busch
06. Reichtum, 1976, Öl auf Leinwand, 140x110 cm. Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf. Stiftung der Firma Henkel KGaA. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013. Foto: © Stiftung Museum Kunstpalast - ARTOTHEK
07. Autobiographie, 1983, Öl auf Leinwand, 229x370 cm. Foto: Michel Nguyen. Prada Collection, Mailand. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013
08. Die Küche II, 1998, Acryl auf Leinwand, 122,5x83,5 cm, Im Besitz des Künstlers. © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013
09. Der Erfolg und sein Preis, 1993, Öl auf Leinwand, 300x250 cm. Courtesy Galerie Lelong, Paris und Zürich
10. Four Horns, One Mouth, 2008, Acryl auf Leinwand, 160x81 cm. Privatsammlung, Courtesy Galerie Michael Haas © Konrad Klapheck, VG Bild-Kunst, Bonn 2013, Foto: Olaf Bergmann
11. Blick in die Ausstellung. Foto: Christel Busch