Bildende Kunst
St. Annen-Museum, Gavnø-Retabel von Jacob van Utrecht

In einer dramatischen Aktion gelang es dem St. Annen-Museum, das Gavnø-Retabel von Jacob Claesz van Utrecht, ein hochkarätiges Triptychon aus dem frühen 16. Jahrhundert, nach Lübeck zurück zu holen.
Es ist eines der letzten in Lübeck geschaffenen kirchlichen Kunstwerke aus der Zeit des Katholizismus. Seinen Namen erhielt der Altaraufsatz von dem Ort, an dem er lange Jahre aufbewahrt wurde, dem Schloss Gavnø auf einer Insel vor der Südküste Seelands, dem Wohnsitz des Kunstsammlers Graf Otto von Thott. Nach seinem Tod 1785 wurde seine kostbare Gemäldesammlung in alle Winde verstreut. Das Gavnø-Retabel aber blieb bis 1976 im Schloss. Danach ging es in unbekannten Privatbesitz über.

Fünf Tage vor der geplanten Auktion bei Sotheby´s in London erhielt Thorsten Rodieck, Leiter des St. Annen-Museums, die Nachricht, dass der Altaraufsatz dort versteigert werden sollte. Es muss als besonderer Glücksfall gewertet werden, dass just zu dieser Zeit die Lübecker Kulturstiftung einen bedeutendes Testat erhalten hatte mit der Auflage, das Erbe für den Ankauf eines alten Kunstwerks zu verwenden. Das Testat allein hätte nicht ausgereicht, das kostbare Werk zu ersteigern. Das gelang mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, die ein Drittel des Kaufpreises übernahm. Eine so kurzfristige Entscheidung dürfte auch bei der Kulturstiftung der Länder die große Ausnahme sein. Jetzt stand eine Summe bereit, die Aussicht bot, erfolgreich zu steigern. Das tat ein befreundeter Kunsthändler aus London für das Museum. Dass er den Zuschlag erhielt, ist ein weiterer Glücksfall, denn mehr als die rund 900.000 Euro, für die das Werk nach Lübeck ging, hätte er nicht bieten können. Mit diesem Erwerb ging ein lang gehegter Wunsch des Museumsleiters und seiner kürzlich in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen Kuratorin der Mittelaltersammlung Hildegard Vogeler in Erfüllung, ergänzt doch das Gavnø-Retabel nicht nur die herausragende Sammlung von Flügelaltären, sondern auch ein weiteres Werk Jacob von Utechts, das Kerckring Retabel.

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Jacob van Utrecht (um 1480 bis nach 1525) erfuhr seine Ausbildung in Antwerpen, eine Stadt, die um 1500 Brügge als kulturelles Zentrum der Niederlande abzulösen begann. Antwerpens Maler ergänzten die traditionelle Kunst altniederländischer Meister mit italienischen und französischen Elementen der beginnenden Renaissance. Anders als die meisten Flügelaltäre des St. Annen-Museums verzichtet das Gavnø-Retabel ganz auf Skulpturen. Es ist komplett mit Mitteln der Malerei gestaltet. Den Auftrag erteilten der Lübecker Kaufmann, Ratsherr und Bürgermeister Hermann Plönnies und seine Ehefrau Ida Greverade. Die Innenseite zeigt die Stifter in prachtvollen Gewändern, begleitet von ihren Schutzpatronen Matthäus und Katharina. Kleine Wappenschilde zu Füßen des Stifterpaares beweisen die Herkunft der Porträtierten. Die Verkündigungsszene im Mittelteil verweist auf den Kinderwunsch des Paares, der nicht erfüllt wurde, da Ida Greverade früh verstarb. Die Marienfigur steht nicht, wie in der Zeit üblich, in einem bürgerlichen Ambiente, sondern in einem offenen Raum, einer Art Loggia, die den Blick freigibt auf Piazza und Hafen einer mittelalterlichen Stadt.

Zur Präsentation des Werks war Schleswig-Holsteins Bildungsminister Eckard Klug aus Kiel angereist, der zusammen mit Vertretern der Kulturstiftung der Länder und der Lübecker Kulturstiftung den Neuerwerb würdigte. Bis zum 19. Februar ist das Gavnø-Retabel im St. Annen-Museum zu sehen. Danach wird es restauriert und erhält dann seinen endgültigen Platz im Museum. Schon lange Zeit ist die kostbare Mittelaltersammlung des St. Annen-Museums Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt. Mit dieser Neuerwerbung wird eine Sammlung von Flügelaltären ergänzt, die in der Welt ihresgleichen sucht.

Fotonachweis:
Header: Detail aus Gavnø-Retabel, St. Annen-Museum, Lübeck
Galerie: Gavnø-Retabel, St. Annen-Museum, Lübeck, (c) Fotoarchiv der Hansestadt Lübeck

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