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„Die Verschwommenheit provoziert Erinnerung“
Das malerische Repertoire von Hieronymus Proske ist vielfältig. Motivisch findet der Betrachter Bilder von Landschaften und Portraits von Kindern und Jugendlichen. Auch formal eröffnen sich eine Bandbreite, zwischen Malstilen, filmischen und fotografischen Auffassungen und vermengten Formensprachen.

Bei eingehender Beschäftigung mit den Werken des Malers fällt auf, dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen dem, was man oberflächlich sehen kann und dem, was sich darunter verbirgt. Eine Landschaft ist bei Hieronymus Proske nie nur das Abbild eines konkreten Ortes, er schafft geistige Räume. Diese wiederum dekliniert er jedoch nicht durch. Weil er als distanzierter Beobachter auftritt und nicht als Kommentator oder Interpret, entstehen Leerstellen in den Räumen, die von Betrachter gefüllt werden müssen. Damit schärft er Wahrnehmung und fordert unsere kulturellen und persönlichen Erinnerungen ab.
Proske entführt uns in eine Zwischenwelt: Irgendwo hin zwischen dem Heute und dem Gestern. Durch das Erinnern werden wir mit uns selbst konfrontiert, wir gleiten ab in unser eigenes Früher. Das können konkrete Momente als auch indifferente Gefühle sein, die wir mit etwas verbinden, das zurück liegt oder wir aus Filmen kennen.

Dieses Phänomen schafft der Maler durch die Anonymität der Personen, z.B. die nicht gemalten Gesichter. Auch wirkt eine unaufdringliche Verschwommenheit in vielen seiner Bilder. Sie suggeriert die zeitliche Entrückung. Der Betrachter entfernt sich aus der messbaren Realzeit und fließt quasi in eine Erlebnis- und Erinnerungszeit. Die kontemplative Ausstrahlung und Unschärfe der Bilder verändert die Fließgeschwindigkeit der Zeit und löst die Personen und Gegenstände auf. Die Verschwommenheit entpuppt sich als ein Vorzeichen des Verschwindens. Wir können aber das Verschwommene durch unsere Erinnerun-gen vor dem Vergessen retten.
Wir sehen die Welt nicht mit „unschuldigen“ Augen wie ein Neugeborener, ohne Wissen und Erfahrungen, sondern genau gegenteilig, wir brauchen das Wissen und vor allem unsere gemachten Erfahrungen, um uns den Werken anzunähern und die Räume mit den eigenen Geschichten und Gefühlen zu füllen.

In seinen neuen Arbeiten bedient sich Hieronymus Proske zwar weiterhin traditioneller Mittel der Malerei, er bezieht sich aber stilistisch nun auf eine fotografische, digitale Erscheinung.
Er vollzieht quasi eine Umkehrung der digitalisierten Fototechnik. Das, was in den Fotos noch Pixel waren, wird nun auf der Leinwand zu architektonischen Bildelementen umfunktioniert. Sie haben keinerlei technische Bedeutung mehr, sondern lassen sich ausschließlich künstlerisch erklären. Diese grobe ‚Pixelung’ der geometrisch angedeuteten Einzelelemente erscheint zudem stark vergrößert in einem sonst proportionsgetreuen Bild. Ein Paradoxon. Das sorgt für eine erneute Entrückung und eine Abstraktion. Dazu kommen Linien, verschobene einzelne Bildsequenzen, als ob ein Puzzle nicht ganz korrekt zusammengesetzt wurde oder einzelne Linsen des Kameraobjektivs einen Sprung hätten.
Auch malt er einige Linien so, als ob das Bild eine Faltung, einen Knick hätte ertragen müssen. Wie bei einer Fotografie, die immer mitgetragen wurde und Gebrauchsspuren sichtbar macht.

Bei allen Bildern Hieronymus Proskes bleibt am Ende die Erkenntnis, dass das Jetzt im nächsten Moment schon Vergangenheit ist und Erinnerung provoziert.


"Present Memories - Erinnerungen: Kindheit und Jugend"
Kunstforum Markert
Droopweg 31
20537 Hamburg
26.11.2010 bis 31.01.2011
Öffnungszeiten nach Vereinbarung unter Telefon: 04321 - 87010

Abbildungen:
Header: Details aus Hieronymus Proske: „Explorer“, Acryl auf Leinwand, 2010 / Gerwin Eipper: „The Darkest Star“, Videoprojektion, 2007 / Viola Matthias. o.T. Acryl auf Leinwand, 2006
Galerie: 
1. Viola Matthies, o.T. Acryl auf Leinwand, 2006
2. Viola Matthies, o.T. Acryl auf Leinwand, 2009
3. Gerwin Eipper, "Purple Dance", Collage, 2009
4. Gerwin Eipper, "Benidom", Collage, 2002
5. Gerwin Eipper, "Marrygoround", Fotografie 2000
6. Hieronymus Proske, "Lichtung", Acryl auf Leinwand, 2010
7. Hieronymus Proske, "There is no way, Acryl auf Leinwand, 2005
8. Hieronymus Proske, "My cap", Acryl auf Leinwand, 2009

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