Bildende Kunst
Bruegel Once in a Lifetime im Kunsthistorischen Museum Wien

Das Kunsthistorische Museum Wien lockt mit einer Ausstellung der Superlative: Pieter Bruegel der Ältere, einer der bekanntesten niederländischen Maler des 16. Jahrhunderts, ist zu Gast in den prunkvollen Räumen des historischen Gebäudes. Anlass dafür ist der 450. Todestag des Künstlers.

Siebenundzwanzig Tafelbilder aus eigenen Beständen, dazu nationale und internationale Leihgaben, Zeichnungen und Grafiken lassen den Betrachter eintauchen in die pittoreske, skurrile und humorvolle Bilderwelt des Malers. Egal ob Landschaftsmalerei, religiöse Szenen oder das bäuerliche Leben im Herzogtum Brabant, Peter Brueghel, auch als „Bauernbruegel“ bekannt, wird von vielen in der Tradition des 1517 verstorbenen Hieronymus Bosch gesehen. Zu Unrecht!

In detektivischer Kleinarbeit versuchten die Ausstellungsmacher dem Phänomen Pieter Bruegel auf die Spur zu kommen. Wer war der Maler, der mit etwa vierzig Jahren starb? Dem knapp über 40 Gemälde, 60 Zeichnungen und 80 Grafiken zugeschrieben werden? Der mit einer neuen Art der Landschaftsdarstellung als Miterfinder der Genre Landschaft und Seestück gilt?
Auf der Basis von umfassenden Forschungen wurden seine Bilder vor der Ausstellung mit Hilfe technologischer Analysen untersucht, unter anderem mit Röntgen- und Infrarotaufnahmen, Pigmentanalysen und 3D-Aufnahmen. Es ging um die Erforschung der Tafelkonstruktion, der Maltechnik und Materialgeschichte. Es ging aber auch um die komplexe Bilderwelt des Künstlers, dem kreativen Schaffensprozess und der Sichtbarmachung von Vorzeichnungen sowie seine stilistische Entwicklung, die unglaubliche Detailvielfalt seiner Bildsprache. Zudem ging es auch um die Frage der überlieferten Provenienz. „Viele der Bilder waren seit über 200 oder 300 Jahren nicht mehr zusammen, obwohl sie ursprünglich vielleicht eine Serie gebildet haben", erklärt Sabine Haag. "Das ist eine ‚Once in a Lifetime'-Möglichkeit.“

So präsentiert die Ausstellung Brueghels die 124 mal 170 cm große Bildtafel „Kreuztragung“ aus der Passion Christi, erstmals ohne Rahmen in einer Glasvitrine. Der Besucher hat somit die Gelegenheit die Vorder- und Rückseite des Werks zu betrachten, die Verbindungen der 5-teiligen, nur wenige Millimeter starken Eichenholztafeln, deren Ränder unbemalt geblieben sind sowie die Qualität und Quantität der diversen Malschichten. Es ist das einzige authentische Werk der Bruegel-Sammlung, das nie beschnitten wurde und noch den Originalzustand des Meisters zeigt. „Sie können das Bild rundherum sehen. Es ist die einzige Tafel in unserer Sammlung, die nicht gedünnt oder nicht im Format verändert wurde. Es ist ein hauchdünnes Holzblatt, wenn ich es so nennen darf“, so die Leiterin der Gemälderestaurierung des Museums, Elke Odenthaler.
In einzelnen Kabinetten werden dem Besucher weitere Forschungsergebnisse anderer Bruegel‘scher Werke anschaulich gemacht. Hier findet man beispielsweise die Unterzeichnungen zum Wiener „Turmbau zu Babel“ sowie die Realienkunde zu Bruegels Bild „Karneval und Fasching“.

Die großen Galerieräume zeigen eine sowohl chronologisch als auch thematisch geordnete Präsentationen. Mit zwölf Tafelbildern besitzt das Wiener Museum die größte Sammlung an Bruegel-Gemälden, da bereits im 16. Jahrhundert die Bildwelten des Flamen von der Habsburger Herrscherdynastie geschätzt und gesammelt wurden.

Zu den Highlights der Ausstellung zählt unter anderem der einst sechsteilige Jahreszeitenzyklus, der heute auf verschiedene Museen verteilt ist. Vier Gemälde aus dem berühmten Zyklus sind jetzt in Wien zu bewundern: „Die Jäger im Schnee“, „Der düstere Tag“, „Die Heimkehr der Herde“, „Die Heuernte“. Lediglich die „Getreideernte“ aus dem Metropolitan Museum in New York ist nicht nach Wien ausgeliehen worden und der „Frühling“ gilt als verschollen.
Die Serie, wahrscheinlich von dem Antwerpener Händler Niclaes Jonglinck in Auftrag gegeben, zeigt eine naturalistische Beobachtung der Jahreszeiten und der bäuerlichen Arbeit. „Jäger im Schnee“, ein wunderbar komponiertes Meisterwerk, schildert detailliert die winterlichen Freizeitvergnügungen der ländlichen Bevölkerung, wie Schlittschuhlaufen, Eishockey oder Eisstockschießen. Anstelle einer Ideallandschaft und den religiös motivierten Illustrationen wie in dem Stundenbuch der Brüder Limburg des Herzogs von Berry, versucht Bruegel in seinen Malereien das Wesen der Natur und der Jahreszeiten zu erfassen. „Die Menschen in Bruegels Bildern scheinen mit der Natur eine Gemeinschaft zu bilden und nicht durch göttliche Bestimmung über ihr zu stehen. Das ist beachtlich für das 16. Jahrhundert“, so der deutsche Künstler Carsten Höller.

Bei dem Jahreszeitenzyklus faszinieren die akribisch gemalte Natur, die Landschaft und Architektur sowie die detailfreudige Wiedergabe des bäuerlichen Personals. Bruegels von kleinen Flüssen durchzogene Landschaften, erstrecken sich bis weit in die Bildtiefe, die mit verblauten Bergen oder Himmels- und Wolkenformationen abschließt. – Seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts konnten sich übrigens Landschaften und Seebilder als eigenständiges Genre etablieren, sowohl in der Druckgrafik als auch in der Malerei.
„Jäger im Schnee“, auf 1565 datiert, zeigt eine Darstellung des Winters. Eingebettet in eine winterliche Landschaft mit schneebedeckten Bergen und hohem Horizont, im Tal liegenden verschneiten Siedlungen und Häusern sowie zugefrorenen Seen, vergnügen sich Menschen auf dem Eis. Links im Bild steigen drei Jägern mit ihren Jagdhunden von einem Hügel herab in das Tal. Wie in einer fotografischen Momentaufnahme, erfasst der Künstler alle simultan ablaufenden Details. Dem Betrachter ist es kaum möglich, den Bilddetails zu folgen und sie zu beschreiben, so vielfältig baut Bruegel seine Welt aus kleinsten Teilen zusammen, wobei manche Figuren oder Szenen mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar sind, wie die Figur eines Mannes, der mit seiner Flinte Jagd auf Vögel macht. (zu sehen rechte Bildseite, am Ufer des hinteren Sees)
Ferner sind in der Schau unter anderem zu sehen: „Der Hafen von Neapel“ aus der Galleria Doria Pamphilj in Rom, „Der Triumph des Todes“ aus dem Prado in Madrid, „Dulle Griet“ aus dem Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen sowie die „Anbetung der Könige im Schnee“ aus der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur. Und natürlich „Der Turmbau zu Babel“ in zwei Fassungen aus dem Rotterdamer Museum Boijmans Van Beuningen und dem Kunsthistorisches Museum Wien sowie diverse Zeichnungen und sein grafisches Werk. Im letzten Saal der Galerie hängen Bruegels Spätwerke die „Bauernhochzeit“ und der „Bauerntanz“.
Der horror vacui, die Angst vor der leeren Fläche, zeigt sich bereits in Bruegels frühesten Figurenbildern, wie in „Kinderspiele“ oder im „Kampf zwischen Karneval und Fasten“. Die Detailfreudigkeit dieser als „Wimmelbilder“ benannten Malerei ist faszinierend. Es wimmelt - im wahrsten Sinne des Wortes - nur so von Figuren und Gegenständen, von denen jede Einzelheit relevant ist für das Ganze. Der Betrachter sollte sich also Zeit nehmen, um die Details zu erfassen und zu verstehen.
Bis ins kleinste Teilstück beschreibt Bruegel die flämischen Bräuche der Karneval- und Fastenzeit. Das um 1559 entstandene 1,20 mal 1,60 Meter große Bild gibt einen Einblick in das Alltagsleben seiner Zeit: Eine Stadt, ein dicht bevölkerter Platz, auf dessen linker Bildseite sich die Karnevals-, auf der rechte Seite die Fastenzeit spiegeln. Quasi als weiterer Gegenpol stehen sich zwei Wirtshäuser am linken Bildrand und eine Kathedrale mit einer Aschermittwochsprozession auf der rechten Seite gegenüber. Personifiziert wird der Widerstreit der beiden Welten durch die Figuren am unteren Rand: Prinz Karneval und Frau Fasten – eine Parodie auf ein mittelalterliches Ritterspiel. Der feiste Prinz sitzt auf einem Fass und kämpft mit einem Bratspieß aus Schweinskopf, Geflügel und Wurst. Frau Fasten, gespielt von einem ausgemergelten Mönch mit einem Bienenkorb auf dem Kopf, sitzt auf einem von Mägden gezogenen Prozessionswagen und verteidigt sich mit einer Backschaufel und zwei darauf liegenden Heringen, der vorgeschriebenen kirchlichen Speise während der Fastenzeit. Unbändige Lebensfreude, Musik, Trunksucht und Völlerei treffen hier auf kirchlich verordnete Askese und Frömmigkeit. Versteckt sich hinter dem Bild eine latente gesellschaftliche Kritik? Sie könnte sich nicht nur gegen die Katholische Kirche richten, ihrem Kampf gegen Sünde und Laster sondern auch die politischen Verhältnisse jener Zeit anprangern. Es waren unruhige Zeiten, als sich die 17 Provinzen (heute: Niederlande, Belgien, Luxemburg) der habsburgischen Niederlande gegen den katholischen König Philip II. von Spanien auflehnten. 1568, ein Jahr vor Pieter Bruegels Tod, brach der 80-jährige Krieg aus. Bruegels Wimmelbild zeigt allerdings nicht die Qualen der christlichen Verdammnis, wie in den Visionen eines Hieronymus Bosch, sondern das lustvolle Leben einer sich vergnügenden Gesellschaft.

Im letzten Galeriesaal hängen seine Spätwerke, darunter die „Bauernhochzeit“ und der „Bauerntanz“ vereint nebeneinander. Humorvolle fröhliche Bauernbilder, bei denen gegessen, getrunken und getanzt wird. „Die Elster auf dem Galgen“ sorgt dagegen für eine düstere Endzeitvision, von denen auch die tanzenden Bauersleute nicht ablenken können.

Pieter Bruegel der Ältere
Sein exakter Lebenslauf bleibt im Dunkel der Geschichte. Er wurde wahrscheinlich zwischen 1525 und 1530 in Breugel oder Antwerpen geboren. In Antwerpen erhielt er wohl eine künstlerische Ausbildung. Jedenfalls wurde er 1551 als Freimeister im Zunftbuch der Malergilde erwähnt. Zur weiteren Bildung und zum Studium reiste er für etwa zwei Jahre nach Italien, eine für einen Künstler der damaligen Zeit durchaus übliche Ausbildung. Für die Jahre 1553/54 wurde Bruegels Aufenthalt in Rom dokumentiert. Nach seiner Rückkehr nach Antwerpen begann der Maler 1554 eine intensive Zusammenarbeit mit dem Verleger Hieronymus Cock, für dessen Verlag er erste Landschaften zeichnete sowie moralisierende Bilder im Stil von Hieronymus Bosch und Genrebilder. In den folgenden Jahren entstanden berühmte druckgrafische Serien und Einzelblätter wie „Die großen Fische fressen die kleinen“ oder „Die sieben Todsünden“. Nach seiner Rückkehr aus Italien war er zunächst als Entwurfszeichner sehr erfolgreich, bevor er sich der Malerei zuwandte. In den 1560er Jahren erfolgten eine Heirat mit Mayken Coecke und sein Umzug nach Brüssel. Hier verstarb er, knapp über vierzig Jahre alt. Seine Söhne Pieter Bruegel der Jüngere und Jan Bruegel der Ältere führten die Werkstatt und die Malerdynastie weiter.

Auch nach 450 Jahren löst Pieter Bruegel mit seinen Landschaften, grotesken Höllenszenen, Schiffsdarstellungen und satirischen Allegorien, biblischen Historienbildern und rauschenden Bauernfesten eine euphorische Begeisterung aus. Er gehört zu Recht zu den besten Malern des 16. Jahrhunderts.

„Bruegel – Once in a Lifetime”

Die von Sabine Pénot und Elke Oberthaler (Wien), Manfred Sellink (Antwerpen) und Ron Spronk (Niederlande/Kanada), kuratierte Ausstellung ist bis zum 13. Januar 2019 zu besichtigen.
Kunsthistorischen Museum Wien, Burgring 5, A-1010 Wien/Österreich
Die Öffnungszeiten sind täglich von 10 bis 18 Uhr. Do bis 21 Uhr.
Ein Katalog ist erschienen.
Weitere Informationen: www.khm.at und www.bruegel2018.at

YouTube-Videos:
- Generaldirektorin Sabine Haag zur Sonderausstellung „Bruegel"
- Ein Statement der Kuratorin Sabine Pénot zur Sonderausstellung „Bruegel"
- Bruegel Teaser – Sprachverwirrung


Abbildungsnachweis: Alle © KHM-Museumsverband
Header: Detail aus Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30 vermutlich in Breugel oder Antwerpen ‒ 1569 Brüssel): „Bauernhochzeit“, um 1567, Eichenholz, 114x164cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
Galerie:
01. „Der Turmbau zu Babel“, 1563, Öl auf Holz, 114x155cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie.
02. Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Auer
03. „Turmbau zu Babel“, Nach 1563?, Eichenholz, 59,9x74,6cm. Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen. © Museum Boijmans Van Beuningen, Foto: Studio Tromp, Rotterdam
04. „Die Heuernte“, 1565, Eichenholz, 114x158cm. Prag, The Lobkowicz Collections, Palais Lobkowicz, Prager Burg. © Prag, The Lobkowicz Collections
05. „Dulle Griet“, 1563, Holz, 117,4x162cm. Antwerpen, Museum Mayer van den Bergh. © Museum Mayer van den Bergh
06. „Der Triumph des Todes“, vermutlich nach 1562, Holz, 117x162cm. Madrid, Museo Nacional del Prado. © Museo Nacional del Prado
07. „Zwei angekettete Affen“, 1562, Eichenholz, 19,8x23,3cm. Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie. © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
08. „Der Hafen von Neapel“ um 1563?, Holz, 42,2x71,2cm. Rom, Galleria Doria Pamphilj. © Rom, Galleria Doria Pamphilj
09. „Der Selbstmord Sauls“, 1562, Eichenholz, 33,7x55,7cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
10. Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Auer
11. „Bauerntanz“, um 1568, Eichenholz, 113,5x164cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
12. „Bauernhochzeit“ um 1567, Eichenholz, 114x164cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
13. „Die Anbetung der Könige im Schnee“, 1563, Holz, 35x55cm. Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Sammlung Oskar Reinhart »Am Römerholz«, Winterthur. © Sammlung Oskar Reinhart »Am Römerholz«, Winterthur
14. „Die Jäger im Schnee“, 1565, Eichenholz, 117x162cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
15. „Der Vogeldieb“, 1568, Eichenholz, 59,3x68,3cm. Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
16. Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Auer
17. „Die Imker“, um 1568, Feder in Braun, 203x309mm. Staatlichen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett. © Foto: Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin ‒ Preußischer Kulturbesitz, Foto: Jörg P. Anders
18. Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Auer
19. „Ripa Grande in Rom”, um 1555/56, Feder in Rotbraun und Dunkelbraun, 207x283mm. Chatsworth, The Trustees of the Chatsworth Settlement. © Devonshire Collection, Chatsworth. Reproduced by permission of Chatsworth Settlement Trustees
20. Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Auer

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