Bildende Kunst
Konrad Klapheck. Das Graphische Werk

Eine Ausstellung anlässlich des 80. Geburtstags des Künstlers in München.
Im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern ist soeben eine große Retrospektive des graphischen Werkes von Konrad Klapheck eröffnet worden. Zur morgendlichen Pressekonferenz kommt ein erlesenes kleines Grüppchen von Museumsleuten, Journalisten, Galeristen und der Künstler höchstpersönlich. Nach einer Einführung des Kuratoren der Ausstellung und Klapheck-Spezialisten Siegfried Gohr sowie den üblichen Ausstellungsbeteiligten, führt der Künstler selbst durch die Ausstellung, mit der er sehr zufrieden zu sein scheint. Interessant und vor allem sehr unterhaltsam führt er über eine Stunde durch die Räume.

Der blaugraue Ton der Wände gefalle ihm sehr und erinnere ihn an das Weimarer Goethe Haus und überhaupt sei die Stadt München immer gut zu ihm und seinem Werk gewesen. Er erinnere sich an die große Retrospektive im Haus der Kunst 1986. Der damalige Direktor des Hauses Peter-Klaus Schuster, mit dem er gemeinsam die Bilder gehängt hatte, habe ihm den Tipp gegeben, die Architektur des Hauses mit ihrer Geschichte zu ertragen und nicht die faschistische Innenarchitektur mittels Einbauten zu maskieren. Er habe den Rat beherzigt und es sei eine spannende Ausstellung entstanden.

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Diese und noch viele kleine Anekdoten aus Begegnungen mit wichtigen und bekannten Persönlichkeiten des Kunstbetriebes gibt der charmante Künstler zum Besten. So zum Beispiele: Sein Professorenkollege an der Düsseldorfer Kunstakademie, Gerhard Richter habe einmal eine Grafik von ihm als Geschenk mit „zu experimentell“ abgelehnt, was Klapheck mit fröhlichem Schmollen bedacht habe.

Konrad Klapheck – der mit den Schreibmaschinen, der „Maschinenmaler“.
Präzise nur scheinbar realistisch dargestellte Alltagsgegenstände, Maschinen und Gerätschaften werden in seinen Arbeiten seltsam verfremdet und systematisch komponiert. Zu seinen Motiven gehören, Schreib- und Nähmaschinen, Malerutensilien, Sportgeräte, Duschköpfe, Wasserhähne, Schläuche, Bügeleisen, Schlüsselbretter, Schuhspanner, Fahrräder und vieles mehr.

In dieser ersten Grafischen Retrospektive, die die Kulturstiftung der Versicherungskammer Bayern als Geburtstagsgeschenk an den Künstler versteht, sind 120 Arbeiten auf Papier zu sehen. Gleichzeitig ist auch ein Werkverzeichnis seiner Druckgrafik im Deutschen Kunstverlag erschienen.
Konrad Klapheck kam nicht von sich aus zur Grafik. Er wurde 1975 darum gebeten eine Grafik für den Titel einer Monographie zu schaffen, für eine Sonderauflage. Der Verleger Arturo Schwarz hat ihm wenig später gar eine schon vorbehandelte Kupferplatte in die Hand gedrückt, die der Künstler auf dem „harten Hotelbett“ in Mailand brav bearbeitete. Der Verleger war glücklich, der Künstler eher nicht! Von den 100 Blättern die Klapheck durch Farbe zu verschönern hoffte, haben es nur 10 geschafft seinem kritischen Auge stand zu halten. Mehr Nachfrage nach Grafiken des Künstlers kamen vom Düsseldorfer Kunstverein und der Kestner Gesellschaft in Hannover, die um Blätter für die Jahresgaben oder kleine Editionen für Mitglieder baten.
In Klaphecks Oeuvre ist die Graphik keine kontinuierliche Begleiterscheinung zur Malerei, sondern kam in Phasen – immer wenn die Nachfrage stieg und auch die innere Bereitschaft da war. Es können drei Schwerpunkte festgemacht werden, nämlich die späten 1970er-Jahre, Mitte der 1990er-Jahre und in den 2000ern.

Klapheck erzählt während seiner Führung von einer Reise mit seinen Kindern: Am Bahnhof von Genua seien ihm die Kinder abhanden gekommen... Von einer Erkundungstour im Bahnhof seien sie dann schließlich zurückgekommen, um ihrem Vater von einem tollen aufgerollten Wasserschlauch zu berichten, der ihn wahnsinnig interessieren dürfe. Der skeptische Vater musste seinen Kindern Recht geben. Die Reiseskizze auf einer Speisekarte dient ihm später als Vorlage für die Grafik „Repression“, früher „Schlauch im Kasten“, 1975, Radierung, 34x25cm, 1. Zustand, 4/10.

Metamorphosen.
Immer wieder entstehen unglaubliche Verwandlungen eines Motives von diesen scheinbar alltäglichen Gegenständen die doch ein geheimnisvolles Eigenleben entwickeln. Und das nicht erst durch die Titel. Wir kennen diese Thematik bereits von den Surrealisten in deren Werken Gegenstände als Konkurrenz zum Menschen auftreten. Aus dieser Tradition entwickelt Konrad Klapheck seine Arbeiten. Mal entsteht durch starke Vergrößerung Monumentalität, mal isoliert er Details oder zeigt ein Objekt mehrere Male in verschiedener Ausführung und Perspektive. Die Motive bewegen sich in Richtung Pop Art, denn die abgebildeten Objekte bleiben intakt, sie sind moderne technische Portraits mit deutlicher Linienführung, denen er surrealistischen Atem einhaucht. Klapheck bleibt aber trotzdem nicht an der Oberfläche, sondern vertieft sich immer weiter in die Materie. Wenn eine Komposition entwickelt ist, die Linien stehen, sucht Klapheck durch genaues Verschieben des ganzen Konstrukts auf dem Blatt das für ihn so wichtige „Gleichgewicht von Spannung und Harmonie“. Auf einigen Arbeiten ist noch das rote Kreuz sichtbar, das die Mitte des Blattes markiert und das ihm bei diesem Vorgang als Werkzeug dient. Niemals, so der Künstler, dürfe der Gegenstand perfekt in der Mitte platziert sein. Es entsteht eine unverwechselbare Formensprache, eine Marke mit hohem Wiedererkennungswert, mit deren Hilfe Konrad Klaphecks Werke in den Museen schon weitem identifiziert werden können.

Im Gegensatz zu den meisten Werken der Surrealisten lohnt sich bei Konrad Klapheck das lesen der Titel. Es findet sich dort immer ein Hinweis auf das Motiv auch wenn dieser selten tatsächlich etwas mit dem dargestellten Gegenstand zutun hat. Oft sind die Titel autobiographisch und nie ganz ernst gemeint. Der erste spezielle Titel sei ihm ein Jahr nach der ersten Schreibmaschine einfach eingefallen. Er hatte Liebeskummer und über Nacht sei ihm der Titel für die Schreibmaschine gekommen: „Die verlassene Braut“. Denn er suche nicht, er finde, sagt Konrad Klapheck. So sei mit dem Titel des eigerollten Schlauches im Kasten, „Repression“, die Angst des Besitzenden gemeint, so erläutert der Künstler, denn nur wenn man etwas besitze, könne man fürchten es zu verlieren. Der eingerollte Schlauch stehe für die Angst vor dem Verbrennen des Eigentums.

Der Tüftler als Perfektionist.
Mit Hilfe seiner ersten Lithographie, „Die Pleite“, früher „Sportschuh“, 1967/68, zweifarbige Lithographie, 28,1x35,3 cm, nicht nummeriert, habe er den frustrierenden vierten Platz bei einem Leichtathletik Wettbewerb verarbeitet. Nur die drei Erstplatzierten kamen in die Zeitung, er als Vierter nicht. Für Künstler sei das leichter, die werden ständig in der Zeitung abgebildet. Berichtet der Künstler selbstironisch.

Das fast monumentales Dampfbügeleisen nennt er mit einem schmunzeln „Die Schwiegermutter“, früher „Dampfbügeleisen“, 1967/68, dreifarbige Lithographie, 45,7x36,4 cm. Die Variante ohne Dampf sei nur halb so unterhaltsam, so habe er sich gedacht: „geb dem Publikum Zucker“ und ließ Dampf austreten.

Als Hommage an eines seiner Lieblingsbilder des französischen Malers Jean-Auguste-Dominique Ingres: „Das türkische Bad“, 1862, Musée National du Louvre, Paris, entsteht „Der Haarem“, früher „Schuspanner“,1967/68, Lithographie, 47x37,5 cm, nicht nummeriert, eine besonders plastische Ansammlung verschiedener hölzerner Schuhspanner von unterschiedlichen Perspektiven.

Oft sei es auch eine formale Verwandtschaft die ihn Reize, sowie Telefonhörer oder Duschköpfe. Der Titel zu „Der Spassvogel“, früher „Ventilator“, 1976, Radierung, 22,8x17,6 cm, 5/50 sei entstanden, weil ihn die Form an ausgebreitete Flügel erinnert habe.

Der Künstler zeigt sich als Tüftler, als Perfektionist. Natürlich werden Motive auch für Gemälde wiederverwendet und so beschreibt Klapheck wie sehr ihm die Grafik bei der Entwicklung einer starken Komposition hilft, er sie wieder und wieder überarbeitet um das „ideale Verhältnis zwischen Spannung und Harmonie“ zu erzeugen. Bei seinen Radierungen stört ihn der kleinste weiße Punkt, manchmal legt er eine Druckplatte fünfzehn Mal in die Säure für ein perfektes Ergebnis. An der Grafik „Die Supermutter“, früher „Bohrmaschine II“ 1977, Radierung, 42,2x36,2cm, Auflage 36 Exemplare, habe er ein ganzes Jahrzehnt gearbeitet. Als er die Komposition endlich als gut empfand, entstand ein Ölbild (Die Supermutter, 1969/1975/1992, Galerie Lelong, Zürich). Die Grafik habe ihm als Trainer gedient, der ihn immer weiter antrieb, damit ein formal und farblich stimmiges Gemälde entstehen konnte. „Eine Grafik ist das Skelett, die Binnenstruktur, ist wie der Klavierauszug aus einer Oper. Der Betrachter hat den Gewinn Einsichten entdecken zu können.“ Seine Bilder würden auch mit ihm sprechen. Manchmal sei er eigentlich zufrieden gewesen mit einer Arbeit, das Bild selbst aber nicht. So sei er schon manchmal gezwungen gewesen, ein Bild zu vernichten und am nächsten Tag nochmal Neu anzufangen.

Konrad Klapheck experimentiert gerne mit Farben. Mal druckt er auf buntes Papier („Glanz und Elend der Reformen“, früher „Planierraupe“, 1976/77, Radierung, 48,7x67cm, 3. Zustand, Hochdruck mit weißer Farbe auf grünem Papier gedruckt, Auflage 20 Exemplare.), mal koloriert er im nachhinein mit altmeisterlichen Techniken wie Beispielsweise der Weißhöhung, die er wiederum als Hommage an Holbein oder Dürer versteht („Die Intellektuelle“, früher „Die Bohrmaschine“, 1964, Kaltnadelradierung handkoloriert, 14,6x10,7cm, 5/10).

In den 1990er-Jahren verändert sich Klaphecks Formenrepertoire und er wendet sich von der Welt der Dinge ab. Auch sein Stil vereinfacht sich, wird flach mit stark betonter Umrißlinie. Im Mittelpunkt seiner späten Arbeiten stehen nun Aktdarstellungen und die Helden seiner Jugend aus der Jazzmusik, außerdem widmet er sich privat einer Portraitserie, die er als Scharnier zu den Aktbildern versteht. Wichtig bei seinen Portraits sei ihm die Frische der Linien, die Ähnlichkeit und eine Gute Komposition, erklärt der Künstler. Die Titel seiner Bilder sind eher deskriptiv und nicht mehr ironisch. Auf „Der Ring“, 2004, Radierung, 34x27cm, 9/30 ist ein Nummerngirl im Boxring dargestellt auf „Swing, brother, swing“, 2007, 21,7x39,5cm, 9/50 die von Klapheck verehrte Sängerin Billy Holliday.

Konrad Klapheck. Das Graphische Werk ist eine gelungene Ausstellung mit starker Bildauswahl und gekonnter Hängung. Orientierungspunkt ist die Bildmitte, nicht wie häufig eine einheitliche Linie der Rahmenunterkanten. Schöne Gruppierungen und spannende motivische Wiederholungen runden das Bild ab. Einzig das letzte Kabinett mit den späten Akten und Musikern scheint nur zur Komplettierung des graphischen Gesamtwerkes zu dienen, denn es fehlt das Geheimnisvolle, das Monumentale und auch der Witz seiner Titel.

Konrad Klapheck. Das Graphische Werk
Noch zu sehen bis zum 17. Mai 2015, im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung, Maximiliansstraße 53, in 80530 München.
Ein Katalog ist erhältlich
Öffnungszeiten: täglich 9:00-19:00 Uhr. Eintritt frei
Öffentliche Führungen:
Dienstag, 10.03.2015, 12:30 und 18:00 Uhr
Freitag, 17.04., 12:30 und 18:00 Uhr
Montag, 27.04., 12:30 und 18:00 Uhr
Mittwoch, 06.05., 12:30 und 18:00 Uhr
Sonntag, 17.05., 12:30 und 18:00 Uhr
Die Teilnahme an den Führungen ist kostenfrei
Abendöffnung zum Münchner Stiftungs-Frühling
am Montag, 23.03.2015: 19:00 bis 21:00 Uhr ab 19.30 Uhr Führung durch die Ausstellung
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis: Alle Konrad Klapheck © VG Bild-Kunst, 2015 / Kunstfoyer
Header: „Die Ungeduld der Sphinx“, 1998, Lithographie in drei Farben.
Galerie: Alle Angaben unter den Abbildungen.

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