Architektur
Snøhetta: Architektur – Landschaft - Interieur

Snøhetta heißt einer der höchsten Berge Norwegens. Majestätisch, meist mit weißer Schneekrone bedeckt, ragt er solitär aus der Landschaft Opplands, im Zentrum des Landes.
Eine bizarr aufgebrochene Felsformation an einer der Flanken gibt dem einfach zu besteigenden Berg seine individuelle Gestalt. Aber was hat ein Berg mit Architektur zu tun? Gar nichts und sehr viel zugleich. Ein norwegisches Architekturbüro bedient sich seines Namens. Eigentlich das norwegische Architekturbüro: innovativ, ideenreich, unverwechselbar, erfolgreich und irgendwie auch majestätisch.

Entschuldigung, klingt zwar schön, aber es ist alles ganz anders, viel banaler, jedoch eben dadurch auch nicht so hochtrabend: Snøhetta ist der Name einer Bierkneipe in Oslo, dort treffen sich Ende der 1980-Jahre junge Architekten, die ein Büro eröffnen wollen. 1989 gründet sich Snøhetta, ein Büro für Architektur, Landschaftsarchitektur und Inneneinrichtung.

Kjetil Trædal Thorsen, Direktor und Gründer von Snøhetta ist in Hamburg und eröffnet die Ausstellung „Snøhetta: Architektur – Landschaft – Interieur“ in der Freien Akademie der Künste. Es ist die abgespeckte Version einer sehr umfangreichen Schau, die bereits in Oslo, Madrid und Lissabon gezeigt wurde und nach Hamburg in Rom und Kopenhagen präsentiert wird.

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Kejtil Thorsens Maxime in seinem Einführungsvortrag lautet: „Architektur ist nur ein Werkzeug“ und er erläutert an verschiedenen Begriffen und beispielgebenden Fotos den Anspruch, die Haltung und die Philosophie des Büros. Die Natur spielt eine genauso wichtige Rolle wie die Gegebenheiten in urbanen Räumen. Ideen werden ausgetauscht und entsprechend angewendet. Wenn er von „piercing the landscape“ spricht, so ist das kein Begriff der ländlichen Welt. Was sich aber architektonisch dahinter verbirgt ist mehr als spannend, einfühlsam und richtig erkannt. Neben einer kleinen, historischen Dorfkirche in Norwegens Provinz soll das „Petter Dass Museum“ gebaut, darin soll viel erklärt, gezeigt und vermittelt werden. Petter Dass ist einer der berühmtesten Dichter des Landes aus dem 17. Jahrhundert. Um alles unter zu bekommen, wäre das Gebäude größer und höher als die Kirche selbst, hätte man es in die hügelige Landschaft gesetzt. Snøhetta kam aber mit einer ganz anderen Idee, ein Hügel wurde regelrecht mit einem 15 Meter breiten Segment aufgeschnitten und das 70 Meter lange Gebäude hineingesetzt. Das Dach entspricht der natürlichen Form des Terrains; aufgeschnitten und wieder aufgefüllt mit einem Museum. Der Landschaft wurde ein Piercing vermacht.

Auch um die Idee der Langsamkeit plant Snøhetta. So wird die Bewegung der Ankommenden in das Gebäude der Nationaloper in Oslo ebenso weich abgebremst, wie durch die rampenartige Umgebung. Es ist eine architektonische Meisterleistung die Snøhetta da vollbracht hat. Wie Innen und Außen miteinander in Dialog treten, wie sich Kunst und Gebäude ergänzen, wie sich das Material miteinander verhält ist bis ins letzte Detail anschaulich und akustisch gelöst. Obwohl sich das Büro immer auch mit Materialien aus der jeweiligen Umgebung beschäftigt, wurden hier anstatt Granit, Tonnen von Marmor aus Carrara verbaut. Und warum? Weil Marmor „blinnn“ macht, wenn man es anschlägt und Granit „plonk“. „Das klingt bei einem Opernhaus nicht“, sagt Thorsen.

In diesem und in weiteren Gebäuden ist außerdem das Thema der Horizontlinie signifikant. „Die gerade Achse, die Erde und Himmel von einander trennt, ist die zentrale Line für das Auge, danach orientieren wir uns“, führt Kjetil Thoresen aus. Die Bauten der Oper in Oslo und die Bibliotheca Alexandrina sind von der Horizontlinie abgeleitet. Der runde Bau der neuen Bibliothek im ägyptischen Alexandria wirkt wie aus dem Boden geklappt. Ein kleinerer Teil liegt unterhalb der Horizontlinie der weitaus Größere oberhalb. Der riesige Bibliotheksraum hat eine immense Höhe, als ob das Wissen der Bücher sein Volumen benötigt.
Der öffentliche Raum um die Bibliothek herum, mit seinen Wasserläufen, Grünanlagen, Treppen und Plätzen ist den Architekten ebenso wichtig. Überhaupt ist diese Fokussierung für den Snøhetta-Gründer der zentrale Planungsschwerpunkt der Zukunft, das gilt für das Bauprojekt am Ground Zero in New York in gleicher Weise wie für die in Saudi Arabien. Da kann es dann auch durchaus auch passieren, das Bauprojekte für das Büro zu groß sind und man die eigenen Grenzen erkennt, wie bei dem Gateway Project (Kongress- und Messezentrum mit Hotels) im Emirat Ras Al Khaimah, ein über einhunderttausend Quadratmeter großes Areal, mitten in der Wüste. Wie sympathisch Bescheidenheit sein kann...

Für die einhundertfünfzehn Mitarbeiter aus fünfzehn Nationen offensichtlich kein Problem, denn es warten noch andere Herausforderungen: Jedes Jahr besteigen nämlich sie den Berg: Snøhetta auf Snøhetta.

Eva E. Madshus vom Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design in Oslo schreibt über die von ihr kuratierte Ausstellung: „Die internationale Anerkennung, die die Architekten von Snøhetta erfahren haben, ist im norwegischen Kontext einzigartig. Die Firma hat ihre Position hauptsächlich durch das Gewinnen von zwei offenen internationalen Wettbewerben mit Hunderten von Teilnehmern aus aller Welt erreicht: für die Bibliotheca Alexandrina in Alexandria und für das neue Opernhaus in Oslo. Die siegreichen Entwürfe sind in ihren jeweiligen Heimatländern zu Wahrzeichen geworden.
2009 war ein besonderes Jahr für Snøhetta. Die Firma konnte ihr 20-jähriges Bestehen feiern und am 7. Mai wurde eine große Ausstellung im neuen Nationalmuseum für Architektur in Oslo eröffnet. Gleichzeitig erschien das Buch „Snøhetta Works“ bei Lars Müller Publishers. Darüber hinaus wurde Snøhetta am 28. Mai in Barcelona mit dem „Mies van der Rohe Award“ für das Opernhaus in Oslo ausgezeichnet.
Die Wanderausstellung ist eine gestraffte Ausgabe der in Oslo gezeigten Ausstellung. Sie besteht aus acht Teilen, die das Büro und seine Arbeiten mit Hilfe von Filmen, Computeranimationen, Fotos, Zeichnungen und Texten darstellt. Der erste Teil präsentiert Snøhetta und die Büros in Oslo und New York. Die folgenden fünf Teile zeigen fünf der wichtigsten Bauprojekte: den September 11 Museum Pavilion auf Ground Zero, das King Abdulaziz Zentrum für Wissenschaft und Kultur, das Ras Al Khaimah Gateway Project, das Opernhaus in Oslo und die Bibliotheca Alexandrina. Die letzten zwei zeigen drei Museumsgebäude in Norwegen und drei Kunstprojekte. Ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung ist der Multitouch-Tisch, der spielerisch und interaktiv die Möglichkeit bietet, alles Wissenswerte über 100 Projekte von Snøhetta zu erfahren. Die Filme „The Desert Castle“ (Das Wüstenschloss) über das Ras Al Khaimah Gateway Project und „Building a legend“ (Eine Legende wird gebaut) über die Bibliothek von Alexandria sind äußerst sehenswert.

Ziel dieser Ausstellung ist es, die Entwürfe von Snøhetta einer breiten Öffentlichkeit weltweit bekannt zu machen. Die gezeigte Architektur ist innovativ und fordert heraus, sie ist international in ihrem Charakter, aber mit einer norwegischen Handschrift. Sie ist in Oslo und New York von einem internationalen Team von Architekten, Landschaftsarchitekten und Industriedesignern in enger Zusammenarbeit mit Menschen aus den verschiedensten Berufsrichtungen und mit den unterschiedlichsten Hintergründen geschaffen worden.
Snøhetta hat viele Auszeichnungen bekommen und zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, aktuell den um das Learning Center in Toronto, Kanada.

Die Ausstellung ist vom norwegischen Außenministerium in Auftrag gegeben und vom norwegischen Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design in enger Kooperation mit Snøhetta produziert worden. Weitere Partner waren:
Ausstellungsdesign – Askim/Lantto Architects, Grafikdesign – Bleed, Multimedia Installationen – One Communication AS.
Die Ausstellungsmacher waren bestrebt, den wahren Geist von Snøhetta zu reflektieren und hoffen, dass diese Ausstellung zu anregenden Diskussionen und neuen Fragen über Architektur inspiriert.“

Snøhetta: Architektur – Landschaft – Interieur

zu sehen vom 6. Mai bis 19. Juni 2011 in der Freien Akademie der Künste
Klosterwall 23 in 20095 Hamburg
Geöffnet: Di.-So. 11 bis 18 Uhr
Eintritt: € 4,- / erm. € 2,50


Abbildungsnachweis:
Header: Petter Dass Museum. Foto: Ake E. Lindmann
Galerie:
1-3 Operhaus in Oslo
4 Bibliotheca Alexandrina, Alexandria/Ägypten. Foto:Â James Willis
5-6 Bibliotheca Alexandrina, Alexandria. Fotos:Â Karsten Whimster
© Snøhetta, Oslo/Norwegen

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