Architektur
Jean Molitor BauhausGlobal die Moderne in der Welt

2019 werden in Hamburg zwei Jubiläen begangen, die eng mit der Architektur verknüpft sind, national und darüber hinaus: die Gründung des Bauhauses vor 100 Jahren und 25 Jahre Hamburger Architektur Sommer. Dieses Festival der Baukultur, das alle drei Jahre stattfindet, hat weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus Wirkung, denn die Architektur gibt allem ein Gesicht, in den unterschiedlichen Regionen, bei der Stadtplanung, beim Wohnen und Arbeiten, bei der Identifikation.
Unter dem Dach des Hamburger Architektur Sommers, der dieses Mal den Untertitel trägt „Ausgang offen – Moderne mit Zukunft?“, werden sich bis Ende Juli über 250, davon allein 60 Veranstaltungen mit dem Bauhaus und der Moderne beschäftigen. Der Deutsche Bundestag würdigte 2015 das Bauhaus als den „erfolgreichsten kulturellen Exportartikel Deutschlands“.

Selbstverständlich darf das Bauhaus nicht nur lediglich auf die Architektur reduziert werden. Es ist neben der Kunst, dem Design und übergreifenden Kulturbereichen immer auch während dessen Bestehens mit einer kulturellen, kosmopolitischen und sozialen Haltung verbunden gewesen.

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Der in Berlin lebende Fotograf Jean Molitor präsentiert seit dem 12. April und bis zum 14. Juni in der Handelskammer Hamburg 100 Bildwerke zum 100. Jubiläum. Allein das Datum ist sehr präzise gewählt, denn der 12. April 1919 markiert den Tag der Bauhaus-Gründung, entstanden aus der Zusammenlegung zweier Kunsthochschulen und der Initiative von Henry van der Velde.

Jean Molitor – und darauf legt er zurecht großen Wert – ist kein Architekturfotograf, sondern jemand, der sich auf kein Genre reduzieren lässt, er ist universell, das zeigt sich auch an seiner Biographie. Der gebürtige Berliner (Prenzlauer Berg) absolvierte eine Foto-Fachausbildung und anschließend studierte er künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Professor Arno Fischer, einem der bedeutendsten unabhängigen Kunst-Fotografen der DDR. Er arbeitet für Touristik-Unternehmen, Banken und Automobil-Firmen, portraitiert die Menschen auf seinen Reisen, hielt die unglaublichen Zerstörungen in Afghanistan fest und stellt seine „abstrakte“ Fotografie in Galerien aus.

Allerdings hat mittlerweile das Work-in-Progress-Projekt im Zusammenhang mit dem Bauhaus und der Moderne einen bedeutsamen und großen Stellenwert in seinem Werk. Auch wenn es nicht sogleich als Work-in-Progress auszumachen ist, weil die Ausstellung in der Handelskammer wie ein fertiger und abgeschlossener Zustand erscheint. Jean Molitor hat jedoch die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte viel zu tun, weil er sich an dem Thema festgebissen hat und er in seiner ihm eigenen Ästhetik (schwarz-weiß) zum Gebäude-Sammler geworden ist.
Molitor spürt dem Bauhaus-Stil und dessen Beeinflussungen nach und sucht auf allen Kontinenten explizit nach der gemeinsamen Formensprache, nach Querverbindungen und Einflüssen, die er fotografisch aufwendig dokumentiert. Eine erste Ausstellung seiner Fotografien fand von Mai bis Dezember 2016 im Henry van de Velde Museum in Gera unter dem Titel „bau1haus – Die Moderne in der Welt“ statt. Mittlerweile sind Ausstellungen in ganz Deutschland zu sehen, zurzeit auch in München und in Chemnitz, wo andere, weitere Motive zu sehen sind.
Außerdem ist im Aufbau begriffen ein weltweites Archiv des modernen Bauens unter dem Label „Bau1haus“ als Rettung vor dem Vergessen und vor Abriss, durch fotografische Dokumentation. Fotografie hat hier gleich multiple Funktionen.

Was die Kuratoren Claus Friede und Mathias von Marcard an dem Thema neben der Architektur, dem Stil und den Ideen des Bauhauses interessiert, ist, dass Molitor quasi parallel auch die Migrationswege jener Protagonisten aufspürt, die ihre Heimat verlassen mussten oder wollten, jedoch die Haltungen und Formensprache des Bauhauses weitertrugen. In der ausgesprochen kurzen Phase seines Bestehens hat das Bauhaus und seine Lehrenden und Lernenden trotz des immer rigider werdenden nationalistischen Klimas bereits in den 1920er Jahren es geschafft, international und kollaborativ zu bleiben. Der Austausch und die Begegnung verschiedener Kulturen war eine Prämisse an der Schule und erhielt auch dadurch wichtige Impulse und seine bis heute andauernde Strahlkraft. Dazu gehört auch das sogenannte „Rote Bauhaus“ der 1930er Jahre von einer Gruppe von Bauhausschülern und -lehrern, die die Aspekte des vorletzten Bauhausleiters, des Schweizer Urbanisten Hannes Meyer, nicht nur im Westen, sondern auch in der Sowjetunion, Nordkorea, dem Irak und der DDR weiterentwickelte. Aber auch der Kolonialismus und der Mandatsmacht-Status – vergessen wir es bitte nicht, den es bis weit in die 1960er Jahre gegeben hat – hat auch die Idee der europäischen Moderne in die Welt transportiert.

Die nonverbale direkte „Sprache“ sowohl von Architektur als auch von Fotografie vermittelt jedem Besucher der Ausstellung „BauhausGlobal“ gleich welcher ethnischen, sprachlichen und kulturellen Abstammung, gemeinsame, verbindende und gleichbleibende, d.h. identitätsstiftende Grundelemente des Bauhaus-Stils, aber auch lokale und regionale Abwandlungen, Variationen und Anpassungen, die einen hybridisierenden Wiedererkennungseffekt des „fremden“, nomadischen Bauhaus-Stils in einer „vertrauten“ Umgebung außerhalb Deutschlands und Europas erzielen. Dies zeigt auch, dass es das eine Bauhaus nicht gegeben hat, sondern dies aus Brüchen und Widersprüchen bestand. Die Ausstellung lässt sich überdies nicht unter ein Diktat einer „Bauhaus-Polizei“ stellen, die vorgibt, was denn Bauhaus ist und was nicht. Es sind in dieser Ausstellung daher auch Vorreiterbeispiele (Art Deco, Jugendstil, Expressionismus, Konstruktivismus) zu entdecken, Parallel-Ideen (Werkbund, Moderne, Sachlichkeit), und Retro-Reflexe (Nachkriegsmoderne) und dies an teilweise vermeintlich exotischen Orten.

Kontinuierlich versucht Jean Molitor seit zehn Jahren in der Reflexion auf das Erbe und auf die Hinterlassenschaften dieses prägenden Stils, auch auf bekannte kulturelle Werte zu verweisen, die uns bis heute gemeinschaftlich über Grenzen hinaus verbinden.

Die Ausstellung zeigt in elf fokussierten Themenbereichen großformatige Fotowerke aus den Jahren 2009 bis heute. Die abgelichteten Bauwerke stammen aus ca. 20 Ländern – neben Deutschland u.a. aus Norwegen, Tschechien, Russland, Guatemala, Kuba, Indonesien, Kambodscha, Thailand, Kenia, Burundi, Israel und dem Libanon.

Jean Molitor: BauhausGlobal – die Moderne in der Welt

Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg
12. April bis 14. Juni 2019, Eintritt frei
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr, Freitag von 9 bis 16 Uhr, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen geschlossen. Informationen zu abweichenden Öffnungszeiten finden Sie auf der Startseite der Handelskammer Hamburg unter www.hk24.de.

Eine Ausstellung von Claus Friede*Contemporary Arts und Marcard Pro Arte & V V GmbH anlässlich der Feierlichkeiten 100 Jahre Bauhaus und 25 Jahre Hamburger Architektur Sommer, gefördert von der Fondation Erica Sauter, Genève und der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Hamburg.

Weitere Informationen zum Programm Hamburger Architektur Sommer
Weitere Informationen zu Bauhaus 100


Abbildungsnachweis: © Alle Fotos Jean Molitor
Header: Haus N. in O. (Villa Reemtsma) Hamburg
Galerie:
01. U-Com-Haus, Burundi
02. Wohnhaus, Prag/Tschechien
03. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
04. Rundeckhaus, Tel Aviv/Israel
05. Rathaus, Aarhus/Dänemark
06. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
07. Wohnhaus, Kristiansand/Norwegen
08. Blick in die Ausstellung. Foto: Michael Zapf
09.
Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
10.Jean Molitor in der Ausstellung. Foto:Michael Zapf

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