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Im Gespräch: Claus Friede mit Sylvie Arlaud, Initiatorin der Produzentenkunstmesse

Die junge Münchner Kunstbiennale, die Produzentenkunstmesse "Island of Art Festival", zeigt sich dieses Jahr vom 22. - 25. Oktober treu Ihrem Motto "Kojen und Quotenfrei" in der Kunsthalle whiteBOX, in der Kultfabrik am Ost-Bahnhof.
Schon 2007 begrüßte Oberbürgermeister Christian Ude diese Initiative sehr, die "Künstlerinnen und Künstlern am Anfang der Professionalität bessere Marktchancen eröffnet", und der Rektor der Münchner Kunstakademie Nikolaus Gerhart unterstrich "die viel versprechenden Perspektiven" der Messe für Akademieabsolventen und begrüßte die "Bereicherung für den Kunststandort München, der dadurch an Vitalität und Frische gewinnt". Für die Veranstalterin Sylvie Arlaud steht die Auswahl der teilnehmenden Künstler, die neben hoher Qualität auch vielfältige und kosmopolitische zeitgenössische Kunst erwarten lässt, im Vordergrund. Obendrein empfindet sie das "Making Of" mit seinem Mix aus Selbstverwaltung, Eigenvertretung, gemeinsamem Kuratieren und ehrenamtlichem Engagement als ziemlich einzigartig.

Claus Friede (CF): Wie kamen Sie als Künstlerin auf die Idee, eine Produzentenkunstmesse zu initiieren?

Sylvie Arlaud (SA): In der Nacht... Nach vergeblichen Versuchen die „Vision“ zu verdrängen, griff ich zum Kugelschreiber. Es lief wie ein Programm ab, dem ich nur folgen musste. Vier Stunden lang saß ich da und schrieb. Die verschmierten Originalblätter habe ich behalten. Danach waren alle Prinzipien klar.
Nein, ernsthaft: Ich bin nicht nur eine politische Künstlerin, ich bin ein politischer Mensch. Ich habe mich über alle möglichen Missstände, die die Künstler und die Kunstwelt betreffen geärgert. Angefangen bei den teilweisen eklatanten Situationen auf der Kunstakademie, die die Studenten unmündig machen, den scharfen Konkurrenzen in der Kunstwelt. Man ahnt schon als „Frischling“ wenn man dort anfängt worauf es hinausläuft: Karrierismus. Personenkult und Verkaufsrekorde besetzen allgemein die Bühne, während künstlerische Inhalte zusammenschrumpfen. Und es endet beim Mangel an Berufsschutz. Ich empfand es nur als fair, meine Idee einer Produzenten-Kunstmesse an die Kunsthochschule anzuknüpfen. Wenn man sich vorstellt, dass Studenten 6 Jahre lang Studiengebühren bezahlen, um dann einem nicht einmal geschützten Beruf nachgehen zu müssen... (Was nicht bedeuten soll, dass es nicht auch gute Autodidakten gibt.) Alles Gründe genug, um ein alternatives Parallelsystem schaffen zu wollen. Hinter meiner Messeidee steht ein gewerkschaftlicher Grundgedanke. Deshalb entwickelte ich einen detaillierten und ausführlichen Ausstellungsvertrag, der nicht bloß einen bürokratischen Akt darstellt, sondern insbesondere eine Aufklärung über Rechte und Pflichten der Künstler garantiert.

CF: Was treibt Sie an, ein solches Projekt durchzuführen?

SA: Ich bin eine unverbesserliche Weltverbesserin, eine Querdenkerin. Ich hatte Lust, mit meinen kleinen Mitteln dem hyperkommerziellen Kunstmarkt ein Messeprojekt gegenüberzustellen. Nach der Devise: Quoten- und Kojenfrei. Ich gebe gerne zu, es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.

CF: Sie arbeiten nicht mit einem klassischen kuratorischen Konzept und pseudodemokratischen Verfahren, sondern benutzen vielmehr eigenverantwortliche, selbstreferenzielle Komponenten für die Verwaltung, Organisation und Durchführung des „Island of Art Festivals“. Welche Haltung steht dahinter?

SA: Ich nenne es den „Anti-Macht-Gedanken“. Mein Wunsch wäre, die Menschen selbstverantwortlich zu machen, mich selbst als Chef oder Kurator weg zu rationalisieren. Es steht eine antipädagogische Einstellung dahinter (Ekkehard von Braunmühl), die die Gleichberechtigung in den Vordergrund stellt - und außerdem das Vertrauen, dass die „Freiarbeit“ (nach Maria Montessori) auch für Erwachsene möglich ist sowie die Überzeugung und den Glauben an nicht-autoritäre und nicht-hierarchische Strukturen. Altruismus liegt mir! Dennoch, es gibt kein Erfolgsrezept. Um zu einem gelungenen Prozess des gemeinsamen Kuratierens zu kommen, verlangt es viel: sich als Projektleiter zurück zu nehmen und bei den ausstellenden Künstlern den Gemeinsinn zu provozieren. Ich versuche immer wieder allen klar zu machen, dass niemand benachteiligt wird und dass alle Wünsche offen diskutierbar sind! Wenn dieses Bewusstsein nicht eintritt, kommt man mit den freiheitlichen Angeboten der Produzenten-Kunstmesse nur sehr schwer klar.

CF: Im Jahr 2007 organisierten Sie die erste Produzenten Kunstmesse auf der Münchener Praterinsel. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und was hat sich bewährt und wo waren Korrekturen notwendig?

SA: Die schönste Erfahrung war, dass das gemeinsame Kuratieren, also die Montessorische „Freiarbeit“, auch mit Erwachsenen funktioniert.
Die Korrekturen waren rein verwaltungstechnischer Natur. Das Ganze hat, so spontan, intuitiv und authentisch wie ich vorging, möglicherweise an sich und für sich gleich auf Anhieb gestimmt.
Das, was 2007 mehr wie ein freundschaftlicher Briefwechsel zwischen den Teilnehmern und mir aussah, läuft nun in einem knapperen und telegrafischeren Stil. Das spart Zeit bei den vielen Aufgaben und verhindert Missverständnisse und Wiederholungen.
Notgedrungen hat mich das Fiasko mit dem Verlust der anfänglich vorgesehenen Ausstellungsräume auf der Praterinsel dazu gebracht, zukünftig nur noch Kunst- oder Kulturräume als Messestandort auszusuchen.
2007 lief die Messe teilweise während der Schulferien, das mache ich nicht wieder.
In diesem Jahr vermeide ich Veröffentlichungen einzelner Künstler des Festivals. Ich möchte nicht, dass nur einige wenige hervorgehoben werden, weil sich deren Arbeit gut medial abbilden lässt. Es sollen alle Künstler gleichberechtigt behandelt werden, was dieses Mal auch mit Hilfe des Messe-Guides gewährleistet wird.

Ich habe auch auf die Durchführung einer Auktion verzichtet, die 2007 im Vergleich zum Aufwand zu geringe Resonanz fand. Außerdem glaube ich, dass man im Rahmen des „Island of Art Festival“ die Kunst als Produkt eher vergessen sollte, was möglicherweise erstmal paradox erscheinen mag. Ich konzentriere mich dieses Jahr lieber auf die Lebendigkeit der Veranstaltung durch ein spannendes Performance- und Vortragsprogramm.

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