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29. Internationales KurzFilmFestival Hamburg

Hamburg wird in diesen Tagen zum Mekka für Kurzfilm-Fans.
Über 400 cineastische Perlen aus aller Welt flimmern bei der 29. Ausgabe des Internationalen KurzFilmFestivals über die Leinwände und beweisen, dass großes Kino durchaus in wenige Minuten passt.

Auf einer Landstraße mitten in der französischen Pampa. Dort steht Tommy mit einer Warnweste, die seinen schlaksigen Oberkörper bedeckt. Das Walkie-Talkie in seiner Hand ist seine einzige Verbindung zu einem nahe gelegenen Filmset. Eigentlich hatte der junge Mann eine andere Vorstellung von seinem ersten Job beim Film, als auf Anweisung lediglich die Straße mit einem Poller abzusperren, wenn gedreht wird und wieder zu öffnen, wenn der Take vorüber ist. Langeweile macht sich breit. Das Aufeinandertreffen mit einer hübschen Französin und einem rüstigen Traktorfahrer sorgt kurz für Ablenkung und im Publikum für Gelächter, denn die Konversation auf Französisch verläuft für den Deutschen mehr als holprig. Zugleich entsteht ein Gefühl von Mitleid für den Protagonisten, mit dem die Zuschauer gemeinsam warten: er einen ganzen Nachmittag lang, der Zuschauer nur 13 Minuten und 21 Sekunden. „Die Ruhe bleibt“ unter der Regie von Stefan Kriekhaus ist einer von 29 Kurzfilmen, die beim diesjährigen Festival im Deutschen Wettbewerb miteinander konkurrieren.

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Gezeigt wurde der Kurze bereits gestern auf der Auftaktveranstaltung des 29. Internationalen KurzFilmFestivals (IKFF), die einen guten Vorgeschmack auf das lieferte, was in den kommenden Tagen von den Leinwänden in sieben Hamburger Kinos und im Festivalzentrum im Kolbenhof im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld flimmern wird: Kurzfilme, die sämtliche Filmgenres bedienen, die experimentell, mutig, oft abstrakt, reaktiv und diskursiv sind.

Noch bis zum 10. Juni werden auf Hamburgs ältestem Filmfestival mehr als 400 filmische Petitessen aus über 40 Ländern präsentiert – keiner von ihnen überschreitet die 30-Minuten-Marke.

Für das Wettbewerbsprogramm konnten die Macher aus dem Vollen schöpfen: Unter den rund 5.300 Einreichungen aus über 70 Ländern wählten Sichtungsteams 148 Perlen aus. Sie starten in einem der fünf Wettbewerbe: International, Deutsch, Hamburg und No Budget. Nicht zu vergessen der legendäre „Flotte Dreier“, dem, wie die künstlerische Leiterin Birgit Glombitza bei der Eröffnungsrede betonte, „Alleinstellungsmerkmal des Hamburger Festivals“. In dem Wettbewerb werden Filme prämiert, die eine maximale Länge von drei Minuten nicht überschreiten und sich mit dem diesjährigen Thema „Durchbruch“ filmisch auseinandersetzen. Auf einen Durchbruch als Gangster hoffen die beiden „Helden“ des animierten Kurzfilms „Ransom“ von Dustin Rees aus der Schweiz, der ebenfalls dem „Sneak-Preview“-Publikum beim Auftakt gezeigt wurde. Ob der amüsante Streit über die Gestaltung einer Lösegeldforderung sich gegen die anderen 28 Flotten Dreier durchsetzen und 1.000 Euro Preisgeld einheimsen wird, darüber entscheidet in diesem Wettbewerb das Publikum. Insgesamt werden Preise im Wert von mehr als 15.000 Euro vergeben.

Auch in diesem Jahr wartet das Festival mit vielversprechenden Sonderprogrammen auf: So werden unter dem Titel „Indigenes Kino aus Europa“ im Länderschwerpunkt Filme aus dem Land der Sami gezeigt, einem Volk, das im Norden Skandinaviens beheimatet ist. Tatsächlich, hat sich dort seit einigen Jahren eine produktive Filmszene etabliert. Grenzen kennt das Land nicht, wohl aber die zahlreichen Arbeiten, die zum Thema präsentiert werden – rein zeitlich natürlich. Das Spektrum reicht von Dokumentationen über Rentierzucht und Kunsthandwerk über Bestandsaufnahmen der sich verändernden Lebensstile der Sami bis zum Video für den Eurovision Song Contest und inszenierten Kurzspielfilmen. „Wir freuen uns sehr, dass wir in diesem Jahr so viele Gäste in Hamburg begrüßen dürfen. Darunter auch einige samische Filmemacher“, sagt Sven Schwarz, Leiter des IKFF. Über 300 Kurzfilm-Enthusiasten aus aller Herren Länder haben sich für das Festival angekündigt. Ingesamt rechnen die Macher – ähnlich wie 2012 – mit über 15.000 Besuchern.

Ungewöhnlich Spannendes in kurzweiligen Häppchen serviert versprechen auch die Programme "FRÜH- UND AUFTRAGSWERKE: Werbeblöcke – Avantgarde zwischen Werbefilm und Augenmusik", "GALERIE: (dark) traces – Neue Tendenzen der Mythenbildung in europäischer Videokunst", "MOTIV: Ornament der Masse - Filmische Reliefs", "LABOR: Klänge der Randgebiete" und "FUNDSTÜCKE: Andenken aus der Rumpelkammer – Ein Filmschatz". Hinter Letzterem verbirgt sich der Nachlass des Verleihers Walter Kirchner, den Guiseppe Gagliano, Archivar der KurzFilmAgentur (KFA), in Göttingen auf einem staubigen Dachboden entdeckte. Aus dem historischen Sammelsurium aus rund 100 Kurzfilmen von den 1950ern bis in die 70er-Jahre, das sich inzwischen im Besitz der KFA befindet, präsentiert Gagliano einige filmische, meist preisgekrönte Leckerbissen in raren 35-mm-Kopien.

Parallel zum IKFF läuft bis Sonntag das 15. Mo&Friese KinderKurzFilmFestival Hamburg mit mehr als 50 Streifen aus über 20 Ländern für Zuschauer von vier bis 14 Jahren. Erstmals in diesem Jahr gibt es ein eigenes Jugendprogramm. Mehr Informationen unter www.moundfriese.de.


29. Internationales Kurzfilmfestival Hamburg, vom 4. Bis 10.6. in den Kinos Zeise, Metropolis, Lichtmeß, B-Movie, 3001, Rialto und Filmraum, Karten unter Tel. (040) 3910 6313 4 und an den Kinokassen. Alle Infos zum Programm und Extras: www.shortfilm.com


Fotonachweis: (c) IKFF
Header: Open Air beim IKFF
Galerie:
01. Plakat des IKFF 3013
02. Filmstill (Internationaler Wettbewerb): The Captain, Nash Edgerton, Spencer Susser, Australien 2013
03. Filmstill (NoBudget): Crashing Skies, Penny McCann, Kanada 2012
04. Filmstill (Flotter Dreier): Mission: Apo11o, Daniel Jenny, Stéphane Guénin, Frankreich 2012
05. Filmstill (Deutscher Wettbewerb): Velo Mysterium, Jörn Staeger, Deutschland 2013
06. Filmstill (Hamburger Wettbewerb): Romy, ich bin krank, Andreas Grützner, Deutschland 2013
07. Filmstill (Sonderprogramm): LAND: The Yoiking Hand, Elle Sofe Henriksen, Sapmi, Norwegen 2011
08. Filmstill (Sonderprogramm): Strange Days Winterthur: Just a Perfect Day, Evris Papanikolas, Griechenland 2011
09. Plakat zu Spanish Trash: Attack of the Mutant Dick from Outer Space, Dani Moreno / Marc Velasquez, Spanien 2008
10. Plakat Mo&Friese KinderKurzFilmFestival 2013