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„Hatten Sie jemals Lust, an die Küste Italiens zu ziehen, eine Insel zu bauen und Ihren eigenen Staat zu gründen? Nun, dieser Kerl hat es getan."

Es ist eine wahre Geschichte, die sich elf Kilometer östlich von Rimini und der italienischen Küste in der Adria abspielte und ab 9. Dezember in einem Netflix-Film international in Erinnerung gerufen wird.

 

Die wahre Begebenheit
Der aus Bologna stammende Ingenieur Giorgio Rosa (1925-2017) baute und finanzierte ab 1965 seine eigene künstliche Insel – eine aus verschiedenen Materialien off-shore und auf neun Pylonen ruhende und 400 m2 große Plattform, die frei, unabhängig, selbstständig und außerhalb des italienischen Staatsgebiets und Einflussbereichs und damit außerhalb dessen Gesetzgebung lag. Am 1. Mai 1968 wurde die Insel als eigenständiger Staat, mit Namen „Esperanta Respubliko de la Insulo de la Rozoj’ (Esperanto Republik der Roseninsel) gegründet. Giorgio Rosa ernannte sich selbst zum ersten Präsidenten und Esperanto wurde zur offiziellen Sprache deklariert. Rosa wies die italienischen Behörden sorgfältig darauf hin, dass sich die Republik in internationalen Gewässern befände und erklärte seine Absicht, eine Reihe von Einrichtungen auf der Insel zu platzieren, darunter ein Restaurant, eine Bar, Wohnräume und ein Postamt. Bald darauf gab die Isola delle Rose (Roseninsel) sogar eigene Briefmarken heraus, darunter eine, die die ungefähre Lage in der Adria zeigt. Der neue Staat, mit eigenem Wappen, erklärte auch seine Absicht, eine eigene Währung (il „Mill“) einzuführen.


Die italienische Regierung handelte relativ rasch, nachdrücklich und nachhaltig, u.a. mit dem Argument, dass mitten im Kalten Krieg vor allem linke italienische Gruppierungen sich die Insel zu Nutze machen wollen würden.
Am Dienstag, den 25. Juni 1968 – 55 Tage nach der Unabhängigkeitserklärung – landete eine Gruppe von Offizieren der Carabinieri und Guardia di Finanza (Zoll) auf der Plattform und übernahm die Kontrolle. Am 11. und 13. Februar 1969 mussten schließlich Spezialisten der italienischen Marine die Roseninsel mehrmals sprengen, was aber durch die ausgeklügelte Konstruktion nicht vollständig gelang. Nach einem Sturm am 26. Februar sank die Plattform und damit das Projekt und die Utopie endgültig auf den Meeresboden.
Bis heute gilt der Ort bei Tauchern als beliebtes Gebiet, um die längst überwucherten Reste zu besuchen. Im Mai 2018 entstand die Insel wie Phoenix aus der Asche erneut, diesmal jedoch für die Dreharbeiten zu der Netflix-Produktion „L'incredibile storia dell'Isola delle Rose“ (deutscher Titel: „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“).

 

Inseln der Utopie, – von den Vorläufern bis zur Gegenwart
Bei der Entwicklung derartiger politischer und autarker Systeme spielt das antike Griechenland eine wichtige Rolle. Von Platon stammt die älteste Staatsutopie.

Mit dem Buch „Utopia" (lateinischer Volltitel: De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia, dt.: „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“), in dem der englische Humanist Thomas Morus (1478-1535) im Jahr 1516 das vermeintlich makellose Staatswesen einer fiktiven Inselrepublik beschreibt, findet literaturhistorisch die Utopie Eingang in die Staatsphilosophie. Er stellt die Glaubens- und Gewissensfreiheit gegenüber staatlicher Anmaßung und Willkür.

 

In der Renaissance entstand quasi parallel zu Morus eine ebenfalls vergleichbare Sozialutopie, der von Tommaso Campanella (1568-1639) entwickelten Vision „La città del Sole“ (1602, zu deutsch: „Der Sonnenstaat“, gemeint ist ein Stadtstaat): Ein Seemann berichtet von der Insel Taprobana und dem darauf befindlichen Sonnenstadtstaat. Dessen Einwohner haben Insel und Lebensweise ganz und gar auf einem Gemeinwesen gegründet – ohne Privateigentum, ohne Eifersucht und Neid. Durch umfassende Bildung erlangen sie Weisheit und Tugend. Der Sonnenstaat basiert auf einer theokratischen Monarchie, an deren Spitze der „Sol“, der höchste Priester steht.

 

Letztendlich wären in diesem thematischen Sinn weitere Bücher chronologisch zu nennen wie „Nova Atlantis“ von Francis Bacon, „A Modern Utopia“ von H. G. Wells, „Ecotopia“ von Ernest Callenbach sowie „Island“ von Aldous Huxley.

 

Die seriöse Frage, die sich in heutiger Zeit stellt, ist, ob derartige Systeme und Identitätsgebilde auch aktuell noch möglich und aufgebaut werden, beziehungsweise bestand haben könnten.
Heute gibt es zumindest gut einhundert unabhängige Kryptowährungen wie zum Beispiel Bitcoin, Tether oder Ether, die nicht mehr an Zentralbanken gebunden sind. Dennoch, Steuern müssen durch Handel über einem Gewinn ab 600 Euro an den jeweiligen Staat gezahlt werden. Und ist nicht auch der selbsternannte „Islamische Staat“ mit der Wiedereinführung des Kalifats und dem staatsbildenden Projektcharakter in dieser Reihe zu nennen?

 

Die Synopse des Films „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“

Galerie - Bitte Bild klicken
Der talentierte, aber doch verkannte Ingenieur Giorgio ist an einem Tiefpunkt angelangt: Er hat seinen Job verloren, seine Eltern reden nicht mehr mit ihm, und die Liebe seines Lebens verließ ihn, nachdem er sie beide versehentlich ins Gefängnis brachte (lange Geschichte…). Giorgio hat genug von den spießbürgerlichen Regeln im Italien der 1960er-Jahre und schmiedet einen verrückten Plan: Er will seine eigene Insel mitten im Meer errichten. Zusammen mit einem Team von Revolutionären und Staatenlosen wird die Republik Roseninsel gegründet, die Unabhängigkeit ausgerufen und Giorgio zum Präsidenten ernannt. Alles läuft wunderbar, doch dann erklärt Italiens Premierminister die Insel plötzlich zum Staatsfeind Nummer 1. Unter der Regie von Sydney Sibilia (Morgen ist Schluss-Trilogie) und produziert von Grøenlandia (The First King. Romulus & Remus) ist „Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel“ ein charmantes Drama zum Schmunzeln mit einem rebellischen Herzen, das auf einer einzigartigen wahren Geschichte beruht.


Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel (ital. Originaltitel: L'incredibile storia dell'Isola delle Rose)

2020, ein Netflix Film
Regie: Sydney Sibilia
Eine Grøenlandia Produktion
Weltweiter Start auf Netflix am 9. Dezember 2020

 

Produzent: Matteo Rovere
Drehbuchautoren: Sydney Sibilia, Francesca Manieri
Schauspieler:
Giorgio Rosa: Elio Germano
Gabriella: Matilda De Angelis
Maurizio Orlandini: Leonardo Lidi
W.R. Neumann: Tom Wlaschiha
Pietro Bernandini: Alberto Astorri
Franca: Violetta Zitroni
Jean Baptiste Toma': François Cluzet
Franco Restivo: Fabrizio Bentivoglio
Giovanni Leone: Luca Zingaretti

 

YouTube-Video:
Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel | Offizieller Trailer | Netflix

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