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IH: Die Blödel-Gruppe Insterburg hätte ich jetzt nicht in Ihrem Repertoire vermutet.

KJ: Insterburg war Nonsense. Die Leute haben sich beölt! Ich war ein echter Fan von der Gruppe. Aber es war auch anstrengend, mit denen auf Tour zu sei. Die waren pausenlos im Training und haben einen ständig veräppelt.

IH: Gab es auch mal ein echtes Desaster? Einen Verlust, den Sie nicht so locker wegstecken konnten?

KJ: Das war eine Tour mit Marius Müller-Westernhagen 1983. Marius rief unmittelbar vorher an: Mein Saxophonist ist ausgestiegen, ich kann die Tour nicht machen. Er nannte mir noch drei Namen, aber welcher renommierte Saxophonist kann schon von heute auf morgen eine Tour machen. Ich musste also absagen. 600.000 Mark weg, das war viel Geld. Ich war natürlich versichert, aber bei einer englischen Versicherungsgesellschaft, die einfach nicht zahlte. Ich habe dann einen Anwalt eingeschaltet und nach zwei Jahren das Geld bekommen. Die Sache hätte mir fast das Genick gebrochen.

IH: Westernhagen, Herbert Grönemeyer und Depeche Mode gehören zu den Musikern, die Sie entdeckt und groß gemacht haben. Haben Sie auch an Künstlern festgehalten, an die keiner mehr geglaubt hat?

KJ: Mit Heinz Rudolf Kunze hatte ich fünf Tourneen gemacht und alle im Minus. Da hätte wohl jeder andere gesagt, jetzt ist Schluss. Aber dann brachte er „Dein ist mein ganzes Herz“ heraus und wir haben die sechste Tour gemacht. Da haben wir die ganzen Verluste wieder eingefahren. Man muss ein Bauchgefühl haben als Veranstalter.

IH: Was braucht man noch?

KJ: Ich finde, man muss Künstler bestens behandeln und auch mal zurückstecken. Ein Ego-Problem kann in unserer Branche tödlich sein. Und ich glaube, dass es wichtig ist, einem Künstler gegenüber aufrichtig zu sein. Sagen zu können, ich bin ehrlich begeistert. Oder auch: Was du heute abgeliefert hast, gefällt mir nicht. Das ist inzwischen ein Problem, denn die meisten Künstler sind nur noch von Ja-Sagern umgeben.

IH: Viele Musiker gelten ja auch als ziemlich exaltiert und schwierig im Umgang. Was war Ihr schwierigster Fall?

KJ: Norman Granz, einer der größten Jazzveranstalter der USA, hat einmal gesagt, das Leben ist zu kurz, um mit Arschlöchern zu arbeiten. An diesen Satz halte ich mich eigentlich. Aber bei Van Morrison würde ich eine Ausnahme von der Regel machen. Der Typ ist total unberechenbar, aber für mich ein Halbgott. Der hat hunderte von Platten gemacht und nicht eine schlechte. Ich bin ja Irland-Fan und man soll auch nicht verallgemeinern. Eigentlich sind die Iren dufte Typen. Aber die Nordiren - das ist schon ein anderer Schlag. Und Van Morrison ist Nordire.

IH: Ist er auf Sie losgegangen?

KJ: 
Das nicht, aber wir hatten mal das Konzert „Van Morrison und die Chieftains“ und da war er so sauer, dass er mit dem Rücken zum Publikum spielte. Bei einem anderen Konzert hat er einen Musiker auf der Bühne entlassen, weil der falsch gespielt hat. Da gehört schon was dazu! Und dann hat er so eine komische Uhr, die fängt bei 90 Minuten an. Wenn die abgelaufen ist, dann hört er auf zu spielen. Das kann auch mitten im Stück sein. Dann verlässt er die Bühne und kommt auch nicht wieder.

IH: So etwas traut man eher Mick Jagger zu.

KJ: Mick Jagger ist vielleicht exaltiert, aber hinter der Bühne. Solche Gags kenne ich jedenfalls nicht von ihm.

IH: Zum Image von Rockstars gehört doch, dass sie schwierig, arrogant und abgedreht sind, denken Sie an Bob Dylan.

KJ: Den kenne ich nicht persönlich, aber Bob Dylan ist sicher einer der ganz schwierigen Gesellen. So viel ich weiß, ist er beratungsresistent. Aber mit den meisten Musikern kommt man gut klar. Sie sind einfach nur mit Leib und Seele Musiker.

IH: Was ist mit Drogen?

KJ: Das ist allerdings eine Tragik. Jazzmusiker haben ja schon früher alle Rauschgifte dieser Erde genommen. Das hat ja auch viele Musikerleben zerstört. Aber einige haben auch Glück gehabt. Joe Cocker beispielsweise. Den habe ich 1978/79 in einer ganz schlimmen Phase erlebt. Völlig down, gekleidet wie ein Clochard. Drei Jahre später hatte ich ihn im Stadtpark, da kommt eine Limousine hereingefahren und ein gut gekleideter, fröhlicher Joe Cocker steigt aus. Inzwischen hatte er seine Frau kennengelernt, die ihn von den Drogen runtergebracht hat. Ein anderes Beispiel ist Sonny Rollins, einer der einflussreichsten Jazz-Saxophonisten überhaupt und einer meiner ganz großen Heros. Sonny hatte nun wirklich alles eingepfiffen, was es so gab. Seine Frau hat ihn wirklich gerettet. Inzwischen ist er 80, spielt aber immer noch phantastisch.

IH: Stellen Sie sich vor, Sie kommen später einmal ins Paradies und dürften dort noch einmal drei Konzerte hören. Welche wären das?

KJ: Sammy Davis Junior mit der Buddy Rich Bigband. Ich hatte die wirklich große Ehre, in den 70er Jahren ein Konzert mit ihnen zu machen. Buddy Rich ist wahrscheinlich der beste Schlagzeuger aller Zeiten und Sammy Davis ein Entertainer, wie es ihn wohl nicht wieder geben wird. Das zweite Konzert wäre eine Jazz-Gala, die ich 1976 mit Peter Herbolzheimer Rhythm gemacht habe – mit Stan Getz, Gerry Mulligan, Nat Adderley, Slide Hampton und anderen. Das war auch grandios. Und das dritte Konzert wäre mit Peter Gabriel – egal ob mit seiner Rockband oder mit dem Symphonieorchester. Gabriel ist wirklich ein Ausnahmemusiker – und außerdem noch ein sehr, sehr sympathischer Mensch.


Die Karsten Jahnke Konzertdirektione arbeitet u.a. mit  Peter Gabriel, Herman van Veen, The Dubliners, The Cure, Erasure, Bryan Adams, Elton John, Klaus Hoffmann, Pat Metheny, Pink Floyd, Status Quo, Neil Young, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Supertramp, U 2, James Brown, Sting, Tina Turner, Joe Cocker, Barry White, Ute Lemper bis hin zu The Strokes, The White Stripes, The Hives, The Libertines, Foo Fighters, Sigur Rós, um nur einige zu nennen.

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