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„Keep Swinging“ - ein Gespräch mit Konzertveranstalter Karsten Jahnke

Er ist ein waschechter Hamburger, das hört man schon am Zungenschlag. Seine Verträge macht er noch per Handschlag, seine Briefe unterzeichnet Karsten Jahnke jedoch auf Englisch - mit „Keep Swinging“.
Jahnke (74), einer der größten und wichtigsten Konzertveranstalter der Republik, hat Mega-Stars wie Tina Turner, Elton John und Pink Floyd nach Deutschland geholt. Seine große Liebe aber gehört dem Jazz. Wenn am kommenden Wochenende das zweite Elbjazz-Festival im Hamburger Hafen steigt, ist er selbstverständlich mit dabei. Als Partner und Pate des jungen Elbjazz-Teams - aber auch als Fan von Musikern, deren Großvater er sein könnte.

Isabelle Hofmann (IH): Herr Jahnke, Sie veranstalten seit einem halben Jahrhundert Rock- Pop- und Jazz-Konzerte. 800 bis 1000 pro Jahr. Was haben Sie gedacht, als Tina Heine und Nina Sauer Ihnen den Plan eines internationalen Jazzfestivals im Hamburger Hafen unterbreiteten? Ein Fall von Größenwahn?

Karsten Jahnke (KJ): Also, ich fand die Idee spontan hervorragend. Das ist ja so eine herrliche Mischung aus Naivität, Professionalität und Leidenschaft. Toll, aber auch gefährlich in unserer Branche, weil man dann von der Idee so begeistert ist, dass man die Kosten nicht mehr real einschätzen kann. Ich hab‘ die beiden ja auch gleich gebremst und gesagt, ihr braucht jemanden, der da einsteigt.

IH: Das haben Folkert Koopmans (Scorpio Konzertproduktionen) und Sie dann ja auch gemacht. Haben Sie sich geärgert, nicht selbst auf die Festival-Idee gekommen zu sein?

KJ: Also, woll’n mal so sagen: Ich hatte mehrmals die Idee, in Hamburg ein Festival zu machen. Aber ich war nicht so gepolt. Das haben die beiden toll aufgebaut. Mensch, im Hafen! Und dann der Name „ Elbjazz“. Das ist doch genial, da stimmt alles!

IH: Kein Konkurrenzgefühl?

KJ: Nö, da hab‘ ich keine Berührungsängste. Ich hab‘ einfach schon zu viele Jazz-Tourneen gemacht. Ich weiß, wie sehr man fighten muss. Bei Elbjazz sind wir ja auch noch nicht über den Berg – aber wir sind auf einem verdammt guten Weg.

IH: Warum ist das Geschäft mit Jazz so schwierig?

KJ: Jazz steht in dem Ruf, dass man so ungefähr Abitur haben muss, um ihn zu verstehen. Was natürlich Blödsinn ist. Die meiste Musik ist gut konsumierbar.

IH: Dank Ihrer Kontakte kommen jetzt Jazz-Größen wie Klaus Doldingers Passport und Charlie Haden zum Elbjazz.

KJ: Dass es mir gelungen ist, Klaus Doldinger zu holen, freut mich besonders, denn mein erstes modernes Jazzkonzert, das ich 1965 veranstaltet habe, war „The sensational Klaus Doldinger Quartett“.

IH: Sie haben immer wieder erzählt, dass Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht haben - nach zehn Jahren als Im- und Exportkaufmann.

KJ: Hm. Das stimmt.

IH: Und dass Sie dabei nicht nur aufs Geld geschaut haben. Das ist ziemlich untypisch für einen hanseatischen Kaufmann.

KJ: Na ja, ich gehöre zu den Leuten, die Musik wirklich interessiert. Ich gehe ja nach wie vor noch in meine Konzerte. Die jungen Leute sind alle fixiert auf eine bestimmte Musikrichtung. Ich liebe alles, nur keine Klassik. Ich mag unheimlich gerne Chanson, ich mag Folk, Rock und Pop und vor allem Jazz. Ich finde, als Musikliebhaber muss ich einen Joe Cocker mal gehört haben, einen Ray Charles, einen BB King. Die haben ja Musikgeschichte geschrieben.

IH: Sie haben in Ihrer Jugend bestimmt alle gehört, die nach Hamburg kamen.

KJ: Fast alle. Louis Armstrong, Count Basie, Ella Fitzgerald, Duke Ellington, Dave Brubek. Dass ich mir mit meinem Lehrlingsgehalt von 45 Mark eine Karte für Erroll Garner nicht leisten konnte, ärgert mich heute noch. Die sollte 15 Mark kosten.

IH: Ihr Sohn und Ihr Enkel sind beide in Ihre Firma eingestiegen. Spielen Sie ihnen manchmal die Musik vor, die Sie mögen?

KJ: Ne, das hat keinen Zweck. Als mein Sohn noch klein war und mit einem Song ankam, habe ich mal gesagt, „hör dir doch das Original an“. Das war ein Fehler. Das darf man überhaupt nie machen. Im Moment gibt es wieder derartig gute Bands, ob das nun Bruno Mars, James Blake, Aloe Blacc oder Adele sind. Die junge Generation muss ihre Musik selbst entdecken.

IH: Das läuft heute in der Regel über das Internet.

KJ: Unsere Generation hatte noch alles im Plattenschrank. Die jungen Leute machen Downloading.

IH: Meistens illegal. Der Markt ist dadurch dramatisch eingebrochen.

KJ: Es ist doch aber eine Illusion der Plattenfirmen zu glauben, die jungen Leute dafür bestrafen zu können. Völlig albern. Das ist für die doch wie Äppel klauen. Natürlich weiß man, das ist de facto nicht erlaubt, aber jeder macht es.

IH: Mit Jazz verdient man eh kein Geld, haben Sie mal gesagt.

KJ: Das stimmt. Ich hatte aber das große Glück, „Insterburg & Co“ entdeckt zu haben. Mit der Gruppe haben wir zehn Jahre lang jedes Konzert ausverkauft. Deshalb konnte ich mir das Hobby Jazz auch leisten. Ich erinnere, dass wir damals auch eine Tour mit Peter Herbolzheimer Rhythm Combination & Brass gemacht haben. Die hat damals 250.000 Mark gekostet. Das war richtig viel Geld. Das haben wir verloren. Aber wir hatten ein gutes Polster.

IH: Die Blödel-Gruppe Insterburg hätte ich jetzt nicht in Ihrem Repertoire vermutet.

KJ: Insterburg war Nonsense. Die Leute haben sich beölt! Ich war ein echter Fan von der Gruppe. Aber es war auch anstrengend, mit denen auf Tour zu sei. Die waren pausenlos im Training und haben einen ständig veräppelt.

IH: Gab es auch mal ein echtes Desaster? Einen Verlust, den Sie nicht so locker wegstecken konnten?

KJ: Das war eine Tour mit Marius Müller-Westernhagen 1983. Marius rief unmittelbar vorher an: Mein Saxophonist ist ausgestiegen, ich kann die Tour nicht machen. Er nannte mir noch drei Namen, aber welcher renommierte Saxophonist kann schon von heute auf morgen eine Tour machen. Ich musste also absagen. 600.000 Mark weg, das war viel Geld. Ich war natürlich versichert, aber bei einer englischen Versicherungsgesellschaft, die einfach nicht zahlte. Ich habe dann einen Anwalt eingeschaltet und nach zwei Jahren das Geld bekommen. Die Sache hätte mir fast das Genick gebrochen.

IH: Westernhagen, Herbert Grönemeyer und Depeche Mode gehören zu den Musikern, die Sie entdeckt und groß gemacht haben. Haben Sie auch an Künstlern festgehalten, an die keiner mehr geglaubt hat?

KJ: Mit Heinz Rudolf Kunze hatte ich fünf Tourneen gemacht und alle im Minus. Da hätte wohl jeder andere gesagt, jetzt ist Schluss. Aber dann brachte er „Dein ist mein ganzes Herz“ heraus und wir haben die sechste Tour gemacht. Da haben wir die ganzen Verluste wieder eingefahren. Man muss ein Bauchgefühl haben als Veranstalter.

IH: Was braucht man noch?

KJ: Ich finde, man muss Künstler bestens behandeln und auch mal zurückstecken. Ein Ego-Problem kann in unserer Branche tödlich sein. Und ich glaube, dass es wichtig ist, einem Künstler gegenüber aufrichtig zu sein. Sagen zu können, ich bin ehrlich begeistert. Oder auch: Was du heute abgeliefert hast, gefällt mir nicht. Das ist inzwischen ein Problem, denn die meisten Künstler sind nur noch von Ja-Sagern umgeben.

IH: Viele Musiker gelten ja auch als ziemlich exaltiert und schwierig im Umgang. Was war Ihr schwierigster Fall?

KJ: Norman Granz, einer der größten Jazzveranstalter der USA, hat einmal gesagt, das Leben ist zu kurz, um mit Arschlöchern zu arbeiten. An diesen Satz halte ich mich eigentlich. Aber bei Van Morrison würde ich eine Ausnahme von der Regel machen. Der Typ ist total unberechenbar, aber für mich ein Halbgott. Der hat hunderte von Platten gemacht und nicht eine schlechte. Ich bin ja Irland-Fan und man soll auch nicht verallgemeinern. Eigentlich sind die Iren dufte Typen. Aber die Nordiren - das ist schon ein anderer Schlag. Und Van Morrison ist Nordire.

IH: Ist er auf Sie losgegangen?

KJ: 
Das nicht, aber wir hatten mal das Konzert „Van Morrison und die Chieftains“ und da war er so sauer, dass er mit dem Rücken zum Publikum spielte. Bei einem anderen Konzert hat er einen Musiker auf der Bühne entlassen, weil der falsch gespielt hat. Da gehört schon was dazu! Und dann hat er so eine komische Uhr, die fängt bei 90 Minuten an. Wenn die abgelaufen ist, dann hört er auf zu spielen. Das kann auch mitten im Stück sein. Dann verlässt er die Bühne und kommt auch nicht wieder.

IH: So etwas traut man eher Mick Jagger zu.

KJ: Mick Jagger ist vielleicht exaltiert, aber hinter der Bühne. Solche Gags kenne ich jedenfalls nicht von ihm.

IH: Zum Image von Rockstars gehört doch, dass sie schwierig, arrogant und abgedreht sind, denken Sie an Bob Dylan.

KJ: Den kenne ich nicht persönlich, aber Bob Dylan ist sicher einer der ganz schwierigen Gesellen. So viel ich weiß, ist er beratungsresistent. Aber mit den meisten Musikern kommt man gut klar. Sie sind einfach nur mit Leib und Seele Musiker.

IH: Was ist mit Drogen?

KJ: Das ist allerdings eine Tragik. Jazzmusiker haben ja schon früher alle Rauschgifte dieser Erde genommen. Das hat ja auch viele Musikerleben zerstört. Aber einige haben auch Glück gehabt. Joe Cocker beispielsweise. Den habe ich 1978/79 in einer ganz schlimmen Phase erlebt. Völlig down, gekleidet wie ein Clochard. Drei Jahre später hatte ich ihn im Stadtpark, da kommt eine Limousine hereingefahren und ein gut gekleideter, fröhlicher Joe Cocker steigt aus. Inzwischen hatte er seine Frau kennengelernt, die ihn von den Drogen runtergebracht hat. Ein anderes Beispiel ist Sonny Rollins, einer der einflussreichsten Jazz-Saxophonisten überhaupt und einer meiner ganz großen Heros. Sonny hatte nun wirklich alles eingepfiffen, was es so gab. Seine Frau hat ihn wirklich gerettet. Inzwischen ist er 80, spielt aber immer noch phantastisch.

IH: Stellen Sie sich vor, Sie kommen später einmal ins Paradies und dürften dort noch einmal drei Konzerte hören. Welche wären das?

KJ: Sammy Davis Junior mit der Buddy Rich Bigband. Ich hatte die wirklich große Ehre, in den 70er Jahren ein Konzert mit ihnen zu machen. Buddy Rich ist wahrscheinlich der beste Schlagzeuger aller Zeiten und Sammy Davis ein Entertainer, wie es ihn wohl nicht wieder geben wird. Das zweite Konzert wäre eine Jazz-Gala, die ich 1976 mit Peter Herbolzheimer Rhythm gemacht habe – mit Stan Getz, Gerry Mulligan, Nat Adderley, Slide Hampton und anderen. Das war auch grandios. Und das dritte Konzert wäre mit Peter Gabriel – egal ob mit seiner Rockband oder mit dem Symphonieorchester. Gabriel ist wirklich ein Ausnahmemusiker – und außerdem noch ein sehr, sehr sympathischer Mensch.


Die Karsten Jahnke Konzertdirektione arbeitet u.a. mit  Peter Gabriel, Herman van Veen, The Dubliners, The Cure, Erasure, Bryan Adams, Elton John, Klaus Hoffmann, Pat Metheny, Pink Floyd, Status Quo, Neil Young, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Supertramp, U 2, James Brown, Sting, Tina Turner, Joe Cocker, Barry White, Ute Lemper bis hin zu The Strokes, The White Stripes, The Hives, The Libertines, Foo Fighters, Sigur Rós, um nur einige zu nennen.

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