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In einem „Liebeserklärung“ untertitelten schlanken Buch bekämpft Roland Kaehlbrandt in überzeugender Weise die zehn meistverbreiteten Vorurteile über die deutsche Sprache.

 

Wir hören nichts Gutes, wenn sich Ausländer über die deutsche Sprache verbreiten. Es scheint, dass sie sich für viele nicht sehr melodisch anhört – etwa so wie das Italienische, das bekanntlich reine Musik ist, sozusagen Belcanto –, sondern hart oder guttural oder sogar grob; und außerdem sei es fast unmöglich, sich in ihr so kurz und präzise auszudrücken, wie das im Wesen des Englischen liege.

 

Die langen zusammengesetzten Wörter schrecken ab, und schließlich ist der Satzbau sehr kompliziert, sogar so kompliziert, dass auch Deutsche vieles verkehrt machen. Erinnert sei nur an die von Kaehlbrandt „Satzklammer“ genannte Trennung von Hilfsverb, das weiter vorn im Satz auftaucht, und Partizip, das gelegentlich sehr lange auf sich warten lässt. Nicht alle Deutschen wissen damit umzugehen. Über „Die schreckliche deutsche Sprache“ hat sich ein gewisser Mark Twain in einer so witzigen Weise aufgeregt, dass sein Buch bis heute gelesen wird.

 

Porträt RK 2020 Foto Dominik BuschardtKaehlbrandt ist ein seit längerem mit Büchern über die deutsche Sprache erfolgreicher Linguist, der nach einer langen Tätigkeit an Universitäten und Akademien Bücher über schöne und seltene Wörter oder auch über ihr Gegenteil, über „Plastikwörter“, vorgelegt hat. Er schreibt ein wegen seiner Klarheit sehr gut lesbares Deutsch, und so ist die Lektüre auf weiten Strecken tatsächlich ein Vergnügen. Auch seine moderate Art erleichtert dem Leser die Zustimmung, denn Kaehlbrandt vertritt keine steilen Thesen, sondern argumentiert durchweg ausgewogen und gemäßigt. Wenn er über modische Erscheinungen aller Art schreibt, dann nennt er zwar Fehler und Irrtümer beim Namen, vertritt aber keine zu konservativen Positionen: „Schadet dieser Sprachwandel? Nein. Er ist schiere Variation, und Variation ist einer der ganz normalen Triebkräfte des Sprachwandels.“

 

Das Buch ist keineswegs allein eine Schrift gegen Vorurteile, sondern man könnte (oder sollte sogar) es auch als Stilfibel benutzen, als Lehrbuch für gutes Deutsch, denn eigentlich ist es ein als Loblied auf die deutsche Sprache getarnter Ratgeber. Besonders die ersten Kapitel widerlegen tatsächlich Vorurteile – sie tun es sehr überzeugend –, aber später gibt der Autor wertvolle und leicht verständliche Hinweise für richtiges Deutsch, was für ihn nicht zuletzt eine stilsichere, sachliche und angemessene Sprache bedeutet. Besonders wichtig scheinen seine sehr kurzen Hinweise auf den Unterschied zwischen indirekter Rede und Irrealis, der ja von den meisten Muttersprachlern weder verstanden noch respektiert wird – und dabei ist seine Anwendung doch so leicht, wie Kaehlbrandt anhand einiger weniger Beispiele demonstriert.

 

In diesem Zusammenhang findet sich auch einiges Einleuchtende über Konjunktionen, die vielleicht nicht zuerst in unserer mündlichen Rede, sondern vielmehr in journalistischen Texten immer wieder unterschlagen werden – sehr zum Nachteil des inneren Zusammenhangs der Satzgefüge. Denn schließlich sind es die Konjunktionen, die die verschiedenen Beobachtungen und Bemerkungen, Widersprüche, Zusätze und Überlegungen zu einem in sich schlüssigen Text zu machen. Ebenso einleuchtend ist das, was Kaehlbrandt über die Zusammen- und Getrenntschreibung sagt – aber die Kritik an der Rechtschreibreform, die hier manches verunklärt hat, das zuvor eindeutig und leicht zu verstehen war, wird von ihm nur vorsichtig angedeutet. Denn ein Polemiker ist dieser Autor nicht.

Immer wieder kommt Kaehlbrandt auch auf die Dichtung zu sprechen. Seine Beispiele entnimmt er der deutschen Literatur seit Goethe und gelangt über den Neoklassiker Thomas Mann bis zu Autoren der Gegenwart. Allerdings, weil er auch hier gemäßigte Positionen vertritt, sind die eigentlich interessanten Dichter, sind Avantgardisten und Frontläufer der Vergangenheit wie Jean Paul, expressionistische Lyriker oder Arno Schmidt leider nicht vertreten.

 

Der Titel des Buches ist ein wenig irreführend, denn es handelt sich um deutlich mehr als bloß eine Liebeserklärung. Sind die ersten Kapitel der Widerlegung der Vorurteile und die mittleren einer Stillehre gewidmet, so werden in den beiden letzten Kapiteln die Probleme diskutiert, die einer Sprache durch die vergrößerte Vielfalt ihrer Sprecher entstehen. Einerseits geht es um die nicht von allen Muttersprachlern goutierte Aufnahme von Fremdwörtern in unseren Wortschatz, andererseits thematisiert der Autor Deutsch als Einwanderungssprache, womit nicht allein die Deutschkenntnisse von Migranten aller Art angesprochen werden, sondern auch ihre Romane und Gedichte. Hier kommt Kaehlbrandt auf den mittlerweile eingestellten Chamisso-Preis zu sprechen. Er war benannt nach einem Freund E.T.A. Hoffmanns, dem aus Frankreich zugewanderten Adelbert Chamisso (1781-1838), Verfasser einiger schöne Gedichte und besonders des romantischen Kunstmärchens „Undine“, aus dem sein Freund Hoffmann eine erfolgreiche Oper machen sollte. Angeblich war Chamisso, immerhin ein deutscher Dichter, zeitlebens unfähig, flüssig Deutsch zu sprechen… Der Preis, initiiert von dem bedeutenden Linguisten Harald Weinrich, wurde bis 2017 auf Deutsch schreibenden Migranten zugesprochen. Einige von ihnen werden in diesem Buch vorgestellt.

 

Nicht dem Autor anzulasten ist das merkwürdige Layout eines sonst erfreulich sauber edierten Buches. Den einzelnen Kapiteln sind kurze Texte in Kursivschrift vorangestellt – in meinen Augen eine sinnlose und dazu ästhetisch wenig überzeugende Spielerei –, und in den Fließtext sind längere Zitate in einem weniger kräftigen Grauton eingearbeitet, wodurch die Lesbarkeit nicht unbedingt erhöht wird.


Roland Kaehlbrandt: Deutsch. Eine Liebeserklärung.

Die zehn großen Vorzüge unserer erstaunlichen Sprache.

Piper Verlag, 256 Seiten

ISBN: 978-3492317566

Weitere Informationen (Verlagsseite)

 

 

Abbildungsnachweis: Portait Kaehlbrandt. Foto: Dominik Buschardt

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