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Russel Crowes „Robin Hood“

Russell Crowe, Hauptdarsteller und Mitproduzent, soll in einem Interview auf die Frage, ob die Welt wirklich noch ein weiteres Werk zu diesem Thema benötige, gesagt haben: Wenn es bereits einen wirklich guten Robin-Hood-Film geben würde, dann hätte er diesen neuen gar nicht gemacht.

Was bedeuten würde, wir hätten es hier mit dem ersten wirklich guten Robin-Hood-Film zu tun. Eine gewagte Behauptung.

Um tatsächlich ein interessantes Remake zu erschaffen, durfte es eben kein Remake sein, darüber waren sich Crowe, sein Regisseur Ridley Scott (dies ist die mittlerweile 5. Zusammenarbeit der beiden seit dem Riesenerfolg ‚Gladiator’ vor zehn Jahren) und Drehbuchautor Brian Helgeland einig.
Dieselbe Geschichte natürlich irgendwie, aber auf links gekrempelt, völlig anders erzählt.

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Nicht noch mal eine graziöse Maid Marian mit großen braunen Kulleraugen wie Olivia de Havilland, Mary Elizabeth Mastrantonio oder Audrey Hepburn.
Nicht noch mal einen Stockkampf auf dem Baumstamm über einem Bach als rustikaler Beginn der Freundschaft zwischen Robin und Little John.
Nicht schon wieder der ewige Guy of Gisburne und der schon gewohnte Sheriff von Nottingham als Erzschurken.
Sogar Robin selbst wird kein weiteres Mal als leichtfüßiger, charmanter Gauner in grünen Strumpfhosen gezeigt, der die Reichen raffiniert beklaut, um es den Armen zu geben. Was sicher auch daran liegt, dass der stämmige, grimmige Russell Crowe alles Mögliche sein mag; leichtfüßig jedenfalls nicht und auch kein charmanter Gauner, ganz im Gegenteil.
Zwar spielt er flink mit drei Bechern: unter welchem ist eine Erbse verborgen? Doch als man ihm nachweisen will, dass er dabei betrügt, stellt sich das als Irrtum heraus. Und als Richard Löwenherz persönlich (Danny Huston) von ihm wissen möchte, ob denn wohl Gottes Segen auf dem vergangenen Kreuzzug ruhte, da ist seine Antwort derart aufrichtig, dass sie sofortige Bestrafung nach sich zieht.
Crowes Robin Hood schaut ernsthaft, redlich, bieder und blinzelt nur, falls ihn die Sonne in den Augen kneift. Dass er Australier ist, schadet wenig, sein kurznasiges, bulliges Gesicht mit den nach unten laufenden Augenwinkeln wirkt absolut englisch. Ich finde nur, er wäre vielleicht (wenn er schon einen Briten spielen muss) eher die Idealbesetzung für Sir Winston Churchill oder Alfred Hitchcock.

Man benutzt den inzwischen bewährten Trick, eine bis zum Erbrechen bekannte Geschichte neu zu erzählen, indem man ein paar Schritte in die Vergangenheit macht, um zu schildern, ‚wie es dazu kam’. Erst ganz am Ende des Films wird Robin zum Geächteten, der es sich mit seinen Gefährten im Wald gemütlich macht. Bis dahin hat er immerhin Britannien vor einer Invasion der Franzosen gerettet und mehr oder weniger die Magna Charta entworfen, die John Lackland (zwar nicht in diesem Film, aber später auf jeden Fall, das ist geschichtlich verbürgt) unterzeichnen wird.

Marian, dargestellt von Cate Blanchett, ist die passende starke Frau an Robins Seite. Ihr gehört die allererste Szene im Film, noch bevor der Vorspann ganz gelaufen ist. Sie weckt ihr Gesinde wegen eines Überfalls auf die Vorratskammer mit Fußtritten, die nicht böse, sondern energisch sind, sie schießt zielsicher einen brennenden Pfeil direkt vor die Zehen eines Diebes, sie ist alles andere als kulleräugig und schon gar nicht ‚Maid’, vielmehr eine Witwe in den besten Jahren. Sie erzählt Robin nebenbei, sie sei zur Zeit ihrer Eheschließung bereits eine alte Jungfer gewesen – und das ist auch schon zehn Jahre her. Hager und handfest erinnert sie ein bisschen an die Päpstin im Wehrdienst, wenn sie ihren Kerl durchaus nicht allein in die Schlacht ziehen lässt und mit entschlossenem Knall das Helmvisier schließt.
Und doch muss sie im Endeffekt dann wieder gerettet werden, bedauerlicherweise. (Gerade Regisseur Ridley Scott war es ja, der in seinem Film ‚Alien’ 1979 eine Frau als einzige mit dem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt fertig werden ließ! Vielleicht, weil sich kein Typ wie Russell Crowe mit an Bord des Raumschiffs befand?)



Aber zurück ins Mittelalter.
Vieles an diesem Film ist tatsächlich grandios, ist neu, wurde in dieser Perfektion noch nie gezeigt. Den Trick mit dem gespaltenen Pfeil vom noch besseren Treffer kennen wir und er kommt hier nicht mehr vor. Dagegen wird mehrfach ein Bogen gespannt – noch mehr gespannt und noch mehr, bevor der Pfeil abschwirrt. Wie die Kamera das festhält und wie der Ton das Knarren des Bogens wiedergibt und mit dem Zischen dem Pfeil folgt, das habe ich so noch nie erlebt: absolut sinnliches Kino.

Viele kleine Regieeinfälle machen Spaß, etwa, wenn sich der nichtsnutzige Prinz John (Oscar Isaac) nach der Bettbalgerei mit seiner Geliebten (Léa Seydoux) im Gespräch mit der strengen Königinmutter (Eileen Atkins) träge und nebenbei ein Haar von der Zunge sammelt oder wenn der junge, bereits verwüstet König von Frankreich (Jonathan Zaccai) Austern schlürft während er Intrigen spinnt und sogar wieder irgendetwas kaut, als er, halb seekrank und von der englischen Übermacht schockiert, vor den Doverklippen dümpelt.
Löwenherz , mit angedeutetem Bäuchlein und leicht verfilzten Korkenzieherlocken, wirkt als in die Jahre gekommene, an sich selbst zweifelnde Idealfigur bedeutend amüsanter als Sean Connery, der am Ende von Kevin Costners Robin Hood wie eine Weihnachtsoblate auf seinem Ross thront.

Die Kampf- und Schlachtszenen sind phantastisch, realistisch und doch ganz große Choreographie.
Erneut begaben sich Russell Crowe und Ridley Scott in den Wald von Farnham, der schon 2000 für ‚Gladiator’ als Schlachtenhintergrund diente und, hin und wieder aus der Vogel- (bzw. Hubschrauber)-perspektive gezeigt, extrem urtümlich wirkt.
Kameramann John Mathieson kann kaum genug gelobt werden, oft ist seine Kunst dem Gesamtfilm um Einiges voraus. Immer wieder gibt es wunderbare Bilder, vom Blick auf die mittelalterliche Themsemündung über das Innere eines damaligen Prunkschlosses bis zum kleinen Feld, das gepflügt wird, während dahinter am Horizont ein Gewitter aufzieht.

Die neue Geschichte um die altbekannten Figuren wird gut erzählt und ist im Prinzip glaubwürdig. Klar, auch so könnte es gewesen sein und auch so ist es ganz interessant.

Leider existiert kein richtig mitreißender Bösewicht.
Den Sheriff von Nottingham in einer Nebenrolle gibt diesmal Matthew Macfayden und er wirkt dabei fast wie Marlon Brando, als er sich Watte hinter die Backenzähne stopfte, um die Rolle des Paten zu ergattern. Außerdem zieht er fortgesetzt die Nase hoch, als sei dies das einzige, was ihn charakterisieren könnte. Im Übrigen ist er ein bisschen scharf auf Marian, doch auch dies scheint sich, wer weiß warum, wieder zu verlieren. Er zeigt nicht mal richtige Eifersucht, als sie Robin am Hals hängt und er bleibt, alles in allem, schrecklich blass und unwichtig.
Was für eine anbetungswürdige, abgrundmiese, pervers sympathische Gestalt war dagegen Alan Rickman in derselben Rolle, wenn er wütend verlangt, dass Weihnachten abgesagt werden soll!
Prinz John ist schon ganz okay als Augen rollender Unsympath – aber er kann Disneys - von Peter Ustinov gesprochenem - Löwen nicht das Wasser reichen, dem die zu große Krone von Bruder Richard über die Ohren rutschte und der Daumen nuckelnd klagte, Mama hätte Richard immer viel lieber gehabt.
Mark Strong spielt Godfrey, Johns Milchbruder, der den König und das Land verrät. Er ist der Superböse – und das ist es eben auch wieder nicht, weil der Bruch fehlt, der Hauch Verständnis oder Sympathie, die man empfinden sollte. Sein bodenloser Charakter ist (außer an den bösen Taten) vor allem am rasierten Schädel zu erkennen. Mich erinnerte er fatalerweise ständig an den bösen Achim aus der Serie ‚Das Erbe der Guldenburgs’, das konnte Ridley Scott ja nun wirklich nicht ahnen.
Ist ein kahler Kopf ein Hinweis auf eine schwarze Seele? In diesem Film schon; ein ebenso kahl Geschorener versucht nämlich, Marian zu schänden und wird von ihr tatkräftig, vor dem Vollzug, erdolcht.

Robins Gefährten Allan A’Dale (Alan Doyle), Will Scarlett (Emergency-Doc Scott Grimes) und Little John (Kevin Durant) sowie der dicke Bruder Tuck (Mark Addy) tauchen alle auf, bleiben jedoch ebenfalls seltsam nebensächlich im Schlagschatten des treuherzigen, aufrechten und so weiter Robin auf seinem vom toten König ‚geerbten’ Schimmel und des finsteren Godfrey, stets unterwegs auf einem wunderschönen Rappen. Dass die Getreuen sich häufig besaufen oder verkatert herumliegen ist so witzig nun auch wieder nicht.

‚Robin Hood’ ist ohne Zweifel ein brillanter, unterhaltender, spannender Film.
Aber der erste wirklich gute Robin-Hood-Film? Nö.


("Trailer", ca. 2,19 Min.)

Robin Hood
USA 2010
Darsteller: Russell Crowe, Cate Blanchett, Mark Strong, William Hurt, Oscar Isaac
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Brian Helgeland, Ethan Reiff, Cyrus Voris
Produzenten: Brain Grazer, Russell Crowe, Ridley Scott
Start: 13.05.2010

Copyright Fotos+Trailer: Universal Pictues

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