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„Lieber Thomas” erzählt von den umkämpften Welten eines radikal Unangepassten: Thomas Brasch (1945-2001), dem Dichter, Rebellen, Filmemacher, Fabrikarbeiter, Häftling, Frauenhelden, gefeiert und fast vergessen. Sein Leben war eng mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts verbunden. In der DDR konnte der Künstler nicht bleiben und im Westen wollte er nicht sein. 
Regisseur Andreas Kleinert und Drehbuchautor Thomas Wendrich kreieren ein magisch suggestives Leinwand-Epos zwischen Traum und Wirklichkeit. In betörenden Schwarz-Weiß-Bildern ist ein frappierendes Porträt über Deutschland entstanden, erschreckend eindringlich und zugleich doch von jener unglaublichen Leichtigkeit, die an Jean-Luc Godards „Außer Atem” erinnert. 

 
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Auch in „Ammonite” erzählt Francis Lee wieder vom unerwarteten Ende der Einsamkeit, jener Einsamkeit, die auch sein Leben prägte. Mit keiner Figur hat sich der britische Regisseur und Drehbuchautor so verbunden gefühlt wie mit Mary Anning, der 1799 geborenen Paläontologin und Fossiliensammlerin.


Als Frau aus der Unterschicht blieb ihr trotz herausragender Leistungen das männlich dominierte Wissenschaftsestablishment verschlossen. Lee kreiert für sie, die Pionierin der Wissenschaft, eine ungewöhnliche und berührende fiktive Lovestory. Grandios in den Hauptrollen: Kate Winslet und Saoirse Ronan. 

 
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Gehasst, vergöttert, Wagner ist mehr als Musik, – ein Mythos, Glaubensfrage, Politikum, Doktrin. 
Wagner polarisiert und genau dort setzt Axel Brüggemann an mit seinem Dokumentarfilm „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt”. Neue Perspektiven eröffnen sich uns auf den vor rund 140 Jahren verstorbenen Komponisten und sein Gesamtkunstwerk, auf Genie und Antisemitismus. Von Venedig über Lettland, Israel, Abu Dhabi und die USA bis nach Japan führt die Reise durch die Welt der Wagnerianer, gibt exklusive Einblicke in ihr Allerheiligstes, das Festspielhaus. 

 
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Noch nie hat Wes Anderson so unverhohlen einer Amour fou gefrönt wie in „The French Dispatch”. Bereits auf der Highschool war der in Texas geborene spätere Kult-Regisseur dem US-Magazin The New Yorker mit Haut und Haar verfallen, das ihn nun zu dem vielleicht bezauberndsten Oeuvre seiner Karriere inspirierte.
Skurril, überbordend, anarchisch und von bizarrer Schönheit, eine melancholische Lektion über die Kunst des Erinnerns und Frankreich als Sehnsuchtsziel amerikanischer Exilanten im 20. Jahrhundert. Hinreißend: Bill Murray in der Rolle des Verlegers, der keine Tränen in seinem Office duldet.   

 
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Betroffenheit, Momente des Schocks, ein Lächeln, unterdrückte Tränen, ungläubiges Staunen, erlösendes Lachen und wieder Betroffenheit.

 

Das Filmfest Hamburg war ein cineastisches Wechselbad der Gefühle, dieses Jahr vielleicht noch mehr als früher, eine Pandemie im eigenen Land sensibilisiert die Menschen.
Besonders der neue Realismus aus weiblicher Perspektive fordert die Zuschauer emotional heraus: Laura Samanis poetischer Debütfilm „Piccolo Corpo” spielt um 1900 in Friaul, einer christlich archaischen Welt. Verzweifelt kämpft eine junge Mutter um Selbstbestimmung und die Seele ihres totgeborenen Kindes.

 
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Das facettenreiche Fantasy-Drama „Titane”, diesjähriger Gewinner der Goldenen Palme in Cannes, ist eine Eruption von Emotion: Fesselnd, brutal, verstörend, zärtlich. Julia Ducournau durchbricht die Grenzen der Genres und Geschlechterrollen, zerstört mit betörender Radikalität Normen, Strukturen, Logik, Erwartungen.  
Die französische Regisseurin kreiert einen wahnwitzigen ästhetischen Kosmos beängstigender Eindringlichkeit. Nur wer sich einlässt auf diese neue Welt, dem erschließt sie die schmerzvolle Selbstfindung in ihrer sakralen Poesie und schillernder Symbolik, verrät ihm das Geheimnis bedingungsloser Liebe. 

 
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Am Vormittag des 21. Februars 1942, einem Samstag, bringt Stefan Zweig drei Typoskripte der „Schachnovelle” zur Post in Petrópolis. Sie sind bestimmt für die deutsche, amerikanische und argentinische Ausgabe. In der Nacht vom 22. auf den 23. Februar nimmt sich der Schriftsteller zusammen mit seiner Frau Lotte das Leben.

 

Jede Adaption dieser Novelle ist ein Wagnis. Regisseur Philipp Stölzl lässt auf der Leinwand Zeit- und Bewusstseinsebenen erst miteinander kollidieren, um dann in visuell surrealen Bildern zu verschmelzen. Die beklemmenden rätselhaften Metaphern zwischen Ohnmacht und verzweifeltem lautlosen Widerstand brennen sich unauslöschlich in unser Gedächtnis ein.

 
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Mit Geschick aber auch Charme hieven Regisseur Detlev Buck und Drehbuchautor Daniel Kehlmann den Klassiker von Thomas Mann in die Ära von #MeToo. Sie wollen ihre „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull” als „philosophische Komödie” verstanden wissen, statten den Protagonisten mit einem Touch Tragik aus, was die Rolle des galanten Schwindlers, gespielt von Jannis Niewöhner, facettenreicher werden lässt.  
Frappierend, wie jene französische Metropole Anfang des 20. Jahrhunderts unserer nach Aufstieg und Reichtums lechzenden Gesellschaft ähnelt. Die Filmkritiker reagieren recht unterschiedlich auf die schillernde opulente Leinwand-Adaption, viele zufrieden über gediegene Unterhaltung, manche gar hellauf begeistert, andere nörgeln über einen altbackenen Kostümschinken mit Zuckerguss. 

 
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Die britische Schauspielerin Emerald Fennell („The Crown“) entrümpelt bei ihrem Regiedebüt gründlich das Rape & Revenge Genre: Entstanden ist ein spektakuläres Hybrid aus Comedy, Drama und Neo-Noir mit tragischem Finale.

Schwärzester Humor trifft auf feministischen Anspruch inmitten betörender Bonbonfarben, kitschiger Engel Ästhetik, griechischer Mythologie und Paris Hiltons Song Philosophie. Fennells provokante Satire wurde mit dem Academy Award für das Beste Originaldrehbuch ausgezeichnet.

 
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„Glanzvolle Ironie, zärtliche Lyrik und ein gehöriger Schuss Bitterkeit”, so charakterisiert Dominik Graf die Sprache des Schriftstellers Erich Kästner, sie prägt sein dreistündiges Leinwand-Epos. Der 68jährige Regisseur inszeniert „Fabian oder Der Gang vor die Hunde” mit der melancholischen Beiläufigkeit des Untergangs.

Die Adaption von Kästners erstmals 1931 veröffentlichtem Klassiker ist eine der schönsten und ungewöhnlichsten deutschen Literaturverfilmungen. Grandios Tom Schilling als Fabian, ein Moralist, der auf den Sieg der Anständigkeit wartet, ohne recht daran zu glauben genauso wenig wie an die Liebe, -bis sie ihn überrumpelt.

 
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1909 erschien Jack Londons Schlüsselroman „Martin Eden”. Filmregisseur Pietro Marcello verlegt den Kampf seines proletarischen Antihelden um Bildung und gesellschaftliche Anerkennung vom kalifornischen Oakland in die italienische Hafenstadt Neapel.


Das vielschichtige Künstlerporträt „Martin Eden” mutiert zum suggestiven historischen Fresko, erinnert an Bernardo Bertoluccis Monumentalwerk „Novecento”. Es ist, als drohe sich vor unseren Augen das frühe 20. Jahrhundert samt kapitalistischer Maschinerie in seine Bestandteile aufzulösen: Die ästhetischen Fixpunkte der Epochen werden austauschbar, überlagern sich mit den verschiedenen gegensätzlichen politischen Überzeugungen. 

 
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Ursprünglich sollte der Film jenes magische lebensbejahende Glücksgefühl der Trunkenheit feiern, dann aber nahmen Regisseur Thomas Vinterberg und Co-Autor Tobias Lindholm Abstand von der einseitig romantischen Idealisierung des Alkohols. Vielleicht war es auch nur die Idee einer durchzechten Nacht. 
Stattdessen katapultiert „Der Rausch” seine männlichen Protagonisten in die Gefahrenzonen der Midlife-Crisis, ein Promille-Experiment entlarvt ihre Unsicherheit, Frustrationen und Sehnsüchte, eine Katastrophe scheint unabwendbar. Der Titel ist Programm, das bacchantische nordische Epos reißt uns mit, -Schrecken nicht ohne Komik, das Kino als Droge. Schauspielerisch umwerfend Mads Mikkelsen. 

 
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Im Juni 1959 brach Pier Paolo Pasolini in seinem Fiat Millecento auf, die Küste Italiens zu umrunden. Noch war er nicht der legendäre Regisseur des Neorealismus, sein Auftrag für die Zeitschrift „Successo” lautete, das veränderte Ferienverhalten der Mitbürger zu erkunden.
Aus der Reportage wurde ein poetisch philosophisches Reisetagebuch: Melancholisch, amüsant, politisch kompromisslos. Pasolini empfand den wachsenden Konsumismus schlimmer als jede Diktatur.

 
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Pieter-Rim de Kroon gehört in Deutschland nicht zu den bekanntesten Regisseuren aus den Niederlanden, obwohl der nunmehr 66-Jährige auf viele Jahrzehnte Filmschaffen zurückgreifen kann, auf zig Dokumentationen, die ihn einmal um den Globus führten.

Seine Filmsprache ist bedeutsam und in einem ganz besonderen Punkt vergleichbar mit einem anderen großen Niederländer, der die Kamera meisterlich führte: Gerard Vandenberg (1932-1999). Das, was sie vereint ist, wie sie mit Licht und Abwesenheit von Licht umgehen.

 

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