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Kafkas unvollendeter Roman, der nach dem Tode des Schriftstellers gegen dessen Willen von seinem Freund Max Brod unter dem Titel „Amerika“ veröffentlicht wurde, ist heute auch unter dem ursprünglichen Arbeitstitel „Der Verschollene“ bekannt. Kafka erzählt darin die Geschichte des 16-jährigen Karl Roßmann, der wegen einer Jugendsünde von seinen Eltern zur Auswanderung nach Amerika gezwungen wird. Die Reise entwickelt sich aber zur Odyssee: aufgrund eines Missverständnisses wird er von seinem reichen Onkel auf die Straße gesetzt. Lange vor der Einführung des Fließbandes und der Erfindung von Industrierobotern schildert Kafka hellsichtig bedrängende Arbeitsverhältnisse, in denen sich gehetzte Menschen zurechtzufinden versuchen. Sein Romanfragment ist gekennzeichnet von der Suche nach Zugehörigkeit und von der wiederholten Vertreibung des jungen Karl – aus Europa durch seine Eltern, aus dem traumhaften Luxusleben des Verwandten, aus der Anstellung im Hotel am Rande von New York bis in die Fänge der monströsen Sängerin Brunelda. Am Ende steht – vielleicht einmalig bei Kafka – die Möglichkeit einer Rettung: in der Vision des „Naturtheaters von Oklahoma“, für das gilt: „Jeder ist willkommen!“

Regisseur Riemenschneider hat gemeinsam mit Jaroslav Rudiš eine Textfassung erarbeitet, die Inszenierung wiederum basiert laut Dramaturg Martin Mutschler auf folgender Grundfragestellung: „Wie erzählt man die Geschichte mit möglichst wenig Text?“ Die Produktion sei angelegt als vom Text ausgehende, assoziative Arbeit, um die zentralen Motive des Romans, aber auch Kafkas besondere Sprache und Erzählperspektive in Bühnenhandlung zu übertragen. Die eigens für diese Produktion komponierte Musik der Kafka Band spielt dabei wie schon in „Das Schloss“ erneut eine tragende Rolle.

Quelle: Theater Bremen GmbH