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Die Verleihung der Goethe-Medaille 2017 steht unter dem Motto „Sprache ist der Schlüssel“. Mit den Preisträgerinnen Urvashi Butalia, Emily Nasrallah und Irina Scherbakowa werden drei Persönlichkeiten geehrt, die mutig Stellung beziehen zu Tabuthemen in ihren Gesellschaften – von Gewalt gegen Frauen bis zur Erinnerungspolitik. Urvashi Butalia engagiert sich seit über vierzig Jahren dafür, marginalisierten Gesellschaftsgruppen in Indien eine Stimme zu geben. Als feministische Verlegerin setzt sie sich für einen Wandel der indischen Gesetzgebung zu Vergewaltigung und Mitgift ein und ist eine international geschätzte Essayistin. Emily Nasrallah gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der arabischen Welt. In ihren Texten für Erwachsene und Kinder hat sie eine poetische Sprache gefunden, um den Alltag im vom Bürgerkrieg gezeichneten Libanon zu beschreiben. Irina Scherbakowa setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, über die Repressionspolitik der ehemaligen Sowjetunion aufzuklären. Sie war 1988 Gründungsmitglied der ersten sowjetischen Nichtregierungsorganisation: „Memorial" kämpft bis heute für den Schutz der Menschenrechte in Russland und steht dort seit 2016 auf der Liste der „ausländischen Agenten“. Als gefragte Gesprächspartnerin zu den deutsch-russischen Beziehungen wirkt sie maßgeblich mit an der Verständigung zwischen beiden Ländern.
 
Urvashi Butalia

Urvashi Butalia, geboren 1952, studierte in Neu-Delhi Literatur und in London Südasienwissenschaften. Sie lehrt seit über zwanzig Jahren an der Universität, momentan an der Universität Ashoka in der Nähe von Neu-Delhi. 1984 gründete sie das erste feministische Verlagshaus Indiens, Kali for Women. Daraus entstand 2003 der Verlag Zubaan („Zunge, Sprache, Stimme“), der auf Frauenrechte, Gender und sozialwissenschaftliche Themen spezialisiert ist. In der Reihe Young Zubaan publiziert sie Kinder- und Jugendbücher, die sich mit Themen auseinandersetzen, die in Indien meist tabuisiert werden, wie beispielsweise alternative Lebens- und Familienmodelle, Behinderung, Tod oder Fanatismus. Ohne direkt politisch tätig zu sein, ist Urvashi Butalia doch landesweit dafür bekannt, die Rechte von Minderheiten mit starker Stimme einzufordern und die jüngere indische Vergangenheit aufzuarbeiten. Seit 1997 veröffentlicht sie regelmäßig Artikel in Lettre International zur Lage der Frauen und zu sozio-politischen Entwicklungen in Indien sowie zur Erinnerungskultur nach der Teilung Indiens im Jahr 1947. Ihr Buch „The Other Side of Silence: Voices from the Partition of India“ (2000) ist eine der wichtigsten Arbeiten zu diesem Thema. Es dokumentiert anhand von Interviews mit Zeitzeugen, wie diese die politische Teilung Indiens, bei der etwa eine Million Menschen starben, erlebt haben.
 
Emily Nasrallah
Emily Nasrallah gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der arabischen Welt. Sie wurde 1931 geboren und wuchs in einer christlichen Familie in einem Dorf im Südlibanon auf. Nach ihrem Studium der Erziehungswissenschaften in Beirut arbeitete sie zunächst als Lehrerin, dann als Journalistin und freie Schriftstellerin. 1962 debütierte sie mit dem Roman „Touyour Ayloul“ („Septembervögel“), der mit drei arabischen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Neben Romanen, Essays und Erzählbänden für Erwachsene veröffentlichte Emily Nasrallah auch sieben Kinderbücher. Im Zentrum ihrer Texte stehen das Dorfleben im Libanon, Emanzipationsbestrebungen der Frauen, Identitätsfragen im libanesischen Bürgerkrieg und Migrationserfahrungen. Als im Libanon ab 1975 für mehr als fünfzehn Jahre Bürgerkrieg herrschte, wurden ihre Romane und Erzählungen zu Hilferufen aus einer zerfallenden Gesellschaft. In ihrem bekanntesten Kinderbuch „Yawmiyyat Hirr“(„Kater Ziku lebt gefährlich“, 1998) schildert sie den Kriegsalltag im umkämpften Beirut aus dem distanzierten Blickwinkel eines Katers. Obwohl ihre Besitztümer mehrmals vollständig Bombenangriffen zum Opfer fielen, weigerte sich Emily Nasrallah, selbst ins Exil zu gehen. Ihr Roman „Septembervögel“ gilt heute als Klassiker der arabischen Literatur und gehört im Libanon zur Schullektüre.
 
Irina Scherbakowa
Die Historikerin Irina Scherbakowa, geboren 1949 in Moskau, ist Publizistin und Übersetzerin. Ende der 1970er Jahre begann sie, Tonbandinterviews mit Opfern des Stalinismus zu sammeln, seit 1991 forscht sie in den Archiven des KGB. Irina Scherbakowa ist Gründungsmitglied von „Memorial", die 1988 gegründete erste unabhängige, zivilgesellschaftliche Organisation der Sowjetunion. Mit „Memorial" setzt sie sich für die Aufklärung der sowjetischen Repression und den Schutz der Menschenrechte im heutigen Russland ein. Irina Scherbakowa ist Leiterin der Jugend- und Bildungsprogramme, koordiniert Oral History-Projekte sowie den alljährlichen, landesweiten Schülerwettbewerb „Der Mensch in der Geschichte. Russland im 20. Jahrhundert“. Im Oktober 2016 wurde „Memorial" durch das russische Justizministerium auf die Liste der „ausländischen Agenten“ gesetzt. Als Autorin und Herausgeberin hat Irina Scherbakowa zahlreiche Bücher zu den Themen Stalinismus und Erinnerungskultur veröffentlicht, viele davon sind in deutscher Sprache erschienen. Große Beachtung fand zuletzt das gemeinsam mit dem deutschen Osteuropa-Historiker Karl Schlögel verfasste Dialogbuch „Der Russland-Reflex. Einsichten in eine Beziehungskrise“ (2015).
 
Die Laudationes auf die Preisträger der Goethe-Medaille 2017 halten Marianne Birthler (Irina Scherbakowa), ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, die Journalistin Emily Dische-Becker (Emily Nasrallah) und die Soziologin Christa Wichterich (Urvashi Butalia). Gemeinsam mit dem Kunstfest Weimar veranstaltet das Goethe-Institut am Tag vor der Verleihung eine Matinee mit den drei Preisträgerinnen: Am Sonntag, 27. August 2017, sprechen vormittags Urvashi Butalia, Emily Nasrallah und Irina Scherbakowa mit der Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun, Vizepräsidentin des Goethe-Instituts. Im Rahmen des Kunstfests Weimar diskutieren am Abend des 27. August 2017 Irina Scherbakowa und der Osteuropa-Experte Karl Schlögel über die deutsch-russischen Beziehungen.
 
Die Goethe-Medaille wurde 1954 vom Vorstand des Goethe-Instituts gestiftet und 1975 von der Bundesrepublik Deutschland als offizielles Ehrenzeichen anerkannt. Die Goethe-Medaille wird zum Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe, am 28. August, verliehen.
 
Seit der ersten Verleihung 1955 sind insgesamt 344 Persönlichkeiten aus 65 Ländern geehrt worden. Zu den Preisträgern gehören unter anderen Daniel Barenboim, Pierre Bourdieu, David Cornwell alias John le Carré, Sir Ernst Gombrich, Lars Gustafsson, Ágnes Heller, Petros Markaris, Sir Karl Raimund Popper, Jorge Semprún, Robert Wilson, Neil MacGregor, Helen Wolff oder Juri Andruchowytsch.
 
Die Verleihung der Goethe-Medaille 2017 wird in enger Partnerschaft mit der Klassik Stiftung Weimar und der Stadt Weimar veranstaltet. Das Gespräch mit den drei Preisträgerinnen ist eine Kooperation mit dem Kunstfest Weimar. Der Diskussionsabend mit Irina Scherbakowa und Karl Schlögel ist ebenfalls eine Kooperation mit dem Kunstfest Weimar und wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.

Quelle: Goethe-Institut

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