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Was sehen wir wirklich? Und wie gut sehen wir es? Wie können wir unsere Entdeckungen in aussagekräftige Arbeiten verwandeln? Diese zentralen Fragen trieben Josef Albers  (1888 – 1976) zeitlebens sowohl als Künstler wie auch als Lehrer am Bauhaus, später in Yale, Harvard oder Ulm um. Um Antwort rang er auch, wenn er Fotomontagen und  -collagen von seinen Reisen durch Europa und Lateinamerika zusammenstellte. Zwischen 1929 und 1955 entstanden, öffnet sich in seinen Bilderserien der Ausblick auf den Lago Maggiore, tummeln sich junge Damen am Strand von Biarritz oder werden Tempelanlagen in Peru und Mexiko fotografisch vermessen. In der Kombination von verschiedenen Perspektiven, mit starken Kontrasten und hartem Licht spielend, tritt das Einzelbild in den Hintergrund. Im Reigen der Fotos beginnen die Motive zu kommunizieren und erschaffen ein komplexes Form- und Linienspiel voller Assoziationen, aus denen in der Multiperspektive ein neues Bild in der Collage ersteht. Ein historischer Moment der Fotografie: In den komplexen Arrangements von Josef Albers löst erstmals die Fotoserie das Einzelbild ab.

Das Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop, dem Geburtsort des Künstlers, beherbergt die bedeutendste Kollektion seiner Werke in Europa. Doch klaffte eine Lücke in der exqui-siten Sammlung; schon lange wollte man auch das fotografische Œuvre von Josef Albers zeigen können. Nun gelingt der Ankauf einer repräsentativen Werkgruppe von 28 fotografischen Montagen. Die Kulturstiftung der Länder unterstützte gemeinsam mit der Kunst-stiftung NRW, der Ernst von Siemens Kunststiftung, dem Land Nordrhein-Westfalen, den Sparkassen in Westfalen-Lippe sowie der Kulturstiftung der Sparkasse Bottrop die Erwer-bung.
 
Erstmals kam Josef Albers mit der Fotografie während seiner Zeit am Bauhaus in Kontakt, wo das Medium von Lehrenden wie Studierenden auf innovative Weise genutzt wurde. Albers war am Bauhaus zunächst Schüler, bis er 1923 ins Kollegium berufen und ab 1930 stellvertretender Direktor wurde. In dieser Zeit arbeiteten am Bauhaus eine Anzahl von Künstlern, die sich intensiv mit Fotografie auseinandersetzten – allen voran László Moholy-Nagy oder T. Lux Feininger. Unter ihrem Einfluss begann Josef Albers zunächst, seine Kollegen und Freunde zu fotografieren. Später setzte er seine fotografischen Erkun-dungen auf verschiedenen Reisen fort, bei denen sein Interesse insbesondere Natur und Architektur, dem Porträt und der sakralen Kunst galt. 
 
Albers experimentierte in seinen Montagen auf Karton mit mehreren Abzügen unter-schiedlicher Größe. Im Wechsel verschiedener Ansichten sowie durch das Spiel zwischen Fläche und Tiefe werden vielschichtige, atmosphärische Bilderzählungen geschaffen, die im Gegenüberstellen der Bilder einen multiperspektivischen Raum erzeugen. Durch die Interaktion der montierten Fotografien erschafft Albers seine neue Bildwirklichkeit. Albers’ fotografische Arbeiten berühren ästhetische Fragen, die er auch in anderen Medien aufgreift. In seiner bekannten Serie „Homage to the Square“ erforscht Albers in der geometri-schen Abstraktion die subjektive Wahrnehmung von Fläche und Raum, dort scheinen Quadrate verschiedener Größe farblich miteinander zu verschmelzen. Hier dient ihm die Farbe als Agent von optischen Veränderungen, während er in seinen Fotografien Licht und Schatten wirken lässt.
 
Die nun angekaufte Werkgruppe stammt von der Josef and Anni Albers Foundation mit Sitz in den USA, die selten etwas aus ihrem Bestand veräußert. Die Erwerbung der kost-baren, repräsentativen Auswahl von Josef Albers’ fotografischen Werken ist somit ein Glücksfall, durch den das Josef Albers Museum Quadrat nun auch diesen Aspekt von  Albers’ Schaffen in Bottrop präsentieren kann.

Quelle: Kulturstiftung der Lände