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Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale 2015–2017: „Unser Leitmotiv „Seid umschlungen“ bekommt in diesem Jahr eine zusätzliche Bedeutung. „Seid umschlungen, Millionen“ heißt es in dem Gedicht Schillers. Wie steht es in Europa um unsere Werte, jetzt da wir die erste Million Geflüchtete in Deutschland umschlingen wollen – oder müssen? Oder umgekehrt vielleicht manche von uns das Gefühl haben, selbst umschlungen, erdrückt zu werden? Diese Saison lenken wir bei der Ruhrtriennale den Blick auf die Werte, auf denen die europäische Kultur fußt. Wir fragen, was Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit heute bedeuten. Nicht missionarisch, sondern mit viel Fantasie.“


Christina Kampmann, NRW-Kulturministerin: „Es ist beeindruckend, in welcher Weise Johan Simons auf die Region zugeht, neue Orte entdeckt und bespielt. Mit seinem aktuellen Programm reflektiert er auch die gesellschaftlichen und politischen Änderungen, die sich derzeit in Europa vollziehen.“


Musiktheater – Am 12.8.16 eröffnet das Festival in der Jahrhunderthalle Bochum mit der Musiktheaterproduktion „Alceste“, einem europäischen Urmythos aus der Zeit der Aufklärung als die europäischen Grundwerte formuliert wurden. Willibald Glucks Barock-Oper wird von Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons neu inszeniert und stellt Fragen nach Opferbereitschaft, Mut und Demut. Die musikalische Leitung des B’Rock Orchestra und MusicAeterna Chores hat der belgische Dirigent René Jacobs.

Drei Wochen später feiert am 2.9.16 die zweite Musiktheaterkreation unter der Regie von Johan Simons Premiere: „Die Fremden“, eine Uraufführung nach dem im März 2016 auf Deutsch erschienenen Roman „Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung“ von Kamel Daoud kombiniert mit Musik von György Ligeti und Mauricio Kagel. Daouds Antwort auf Albert Camus‘ Klassiker „Der Fremde“ erzählt die Geschichte des im Roman ermordeten namenlosen Arabers aus arabischer Perspektive findet am Ende das menschliche Dasein in einer gottverlassenen Welt. Die Inszenierung fragt: Welche Werte bestimmen unsere Kultur? Mit „Die Fremden“ bespielt die Ruhrtriennale zum ersten Mal die Kohlenmischhalle der im Dezember 2015 stillgelegten Marler Zeche Auguste Victoria. Die musikalische Leitung des Asko|Schönberg Ensembles übernimmt Reinbert de Leeuw.

Bei „Earth Diver“, Uraufführung am 21.9.16, treffen alte und neue Chormusik auf Literatur und Film. Im Zentrum der Kreation steht der Umgang des Menschen mit der globalen Krise. Konzipiert und inszeniert wird die Musiktheaterkreation von Wouter van Looy, die musikalische Leitung von ChorWerk Ruhr hat Florian Helgath.


Musik – Die Ruhrtriennale spannt auch 2016 einen weiten musikalischen Bogen von Renaissance bis elektronischem Pop. Am Eröffnungswochenende feiert das Festival mit Ritournelle eine lange Nacht der elektronischen Musik. Am 13.8.16 spielen neben Peaches und Oneothrix Point Never auch Moderat, eine der international bekanntesten deutschen Bands, in der Jahrhunderthalle Bochum. Zahlreiche nationale wie internationale Live-Acts, DJs und Vertreter der lokalen Szene bespielen in- und outdoor das Gelände rund um den Wasserturm.

Gleich zwei Konzerte umschlingen das Publikum räumlich mit Klang und Musik. Aufgeteilt in vier Chor- und vier Orchestergruppen umgeben das ChorWerk Ruhr und die Bochumer Symphoniker das Publikum bei „Carré“ (Premiere 18.8.16), dem selten gespielten Avantgardewerk des Komponisten Karlheinz Stockhausen. „Répons“ (Premiere 16.9.16), das Raummusik-Meisterwerk des Komponisten Pierre Boulez, wird in der Kraftzentrale des Landschaftspark Duisburg-Nord unter der musikalischen Leitung von Matthias Pintscher vom Ensemble InterContemporain gleich zweimal hintereinander gespielt. Das Publikum wechselt in der Pause die Plätze – und hat so ein neues Klangerlebnis.

Zwei internationale Spitzenchöre gastieren 2016 bei der Ruhrtriennale. Philippe Herreweghes Collegium Vocale Gent singt am 13.9.16 Johann Sebastian Bachs Hauptwerk „Messe in h-moll“. Und der Chor MusicAeterna unter der musikalischen Leitung von Vitaly Polonsky verbindet in „Spem in alium“ am 17.8.16 in der Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern Renaissance-Musik mit Werken des Barock und der Gegenwart. Zahlreiche weitere Konzerte eröffnen ein musikalisches Spannungsfeld von Neuer Musik über Pop bis hin zu Doom-Metal. Die Tindersticks spielen am 18.9.16 ein Cine-Konzert in der Essener Lichtburg und die Legende des Doom-Metal, Sunn O))), schicken am 3.9.16 in der Bochumer Turbinenhalle ihre Drones durch Mark und Bein ihrer Zuhörer.


Schauspiel – 2016 setzt sich die erste Schauspieltrilogie in der Festivalgeschichte fort. Mit „Geld. Trilogie meiner Familie 2“ (Uraufführung am 7.9.16) widmet sich Regisseur Luk Perceval erneut Émile Zolas Romanzyklus „Die Rougon-Macquart“. Ivo van Hove bringt mit „Die Dinge, die vorübergehen“ ein weiteres Werk des bedeutendsten Schriftstellers der Niederlande, Louis Couperus, am 16.9.16 auf die Bühne der Maschinenhalle der Gladbecker Zeche Zweckel. Die Theatergruppe Wunderbaum fragt mit „The Future of Sex” nach der Zukunft körperlicher Liebe im digitalen Zeitalter (Deutschlandpremiere 1.9.16). Die neueste Arbeit von Susanne Kennedy, „MEDEA.MATRIX“, feiert in Ko-Regie mit dem bildenden Künstler Markus Selg am 15.9.16 Weltpremiere. Birgit Minichmayr verkörpert Medea an diesem Abend zwischen Schauspiel und Installation. „Sumpfland“ betritt Studio Orka in Bottrop am 26.8.16 (Deutschlandpremiere). Für alle zwischen 8 und 108 Jahren wird unter freiem Himmel eine Geschichte voll schräger Gestalten in einem Café ohne Zukunft erzählt. Ab dem 14.8.16 lenkt „URBAN PRAYERS RUHR“ den Blick auf die religiöse Vielfalt des Ruhrgebiets. Von Bochum bis Dinslaken gastiert die Ruhrtriennale in sechs Gebetshäusern sechs unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften.


Tanz – Mit dem „Mahler Projekt (AT)“ zeichnet Alain Platel eine Analogie auf den Zustand Europas am Beginn des 21. Jahrhunderts und fokussiert sich auf das taumelnde Europa am Anfang des 20. Jahrhunderts. Musikalisch nimmt die Uraufführung am 1.9.16 ihren Ausgang bei Gustav Mahler. Eine weitere Tanz-Weltpremiere feiert die Ruhrtriennale mit Richard Siegals neuester Produktion „In Medias Res“ (13.8.16). Die Fortsetzung von Siegals „Model“, uraufgeführt bei der Ruhrtriennale 2015, basiert ebenfalls auf Dantes „Göttlicher Komödie“. Nach der Hölle durchstreift Siegal 2016 bei PACT Zollverein ein multimediales Fegefeuer. Ebenfalls bei PACT gezeigt werden neben „Meyoucycle“ (Deutschlandpremiere 8.9.16), eine Art Liederzyklus von Eleanor Baur, Chris Peck und dem Ictus Ensemble, auch „Sketches / Notebook“, die gefeierte Produktion von Meg Stuart und Damaged Goods. Anne Teresa De Keersmaekers „Golden Hours (As you like it)“ ist ab dem 22.9.16 zu sehen.


Installationen – „Manifesto“, die neueste Arbeit von Julian Rosefeldt, ist ab dem 13.8.16 in der Duisburger Kraftzentrale zu sehen. Rosefeldt zeigt in seiner Filminstallation eine Collage aus unterschiedlichen Manifesten. Die Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett schlüpft dafür in 13 unterschiedliche Rollen. „The Good, the Bad and the Ugly“, das verrückte Kunstdorf von Atelier Van Lieshout, kehrt zurück. Über den gesamten Festivalzeitraum wird das Kunstdorf wieder zum Herzstück der Ruhrtriennale – mit bekannten Kunstwerken wie dem Domestikator und dem Refektorium, dessen umfangreicher Extra-Spielplan am 16.6.16 veröffentlicht wird. Und mit neuer Kunst unter dem diesjährigen Thema „Mensch und Maschine“. Zum ersten Mal wird die Installation auch zur Künstlerresidenz: Jugendliche aus dem Nachwuchsproduktionsbüro der Ruhrtriennale, Mit Ohne Alles, laden unter dem Titel „Teentalitarismus“ zu Aktionen und Performances in ihren Machtbereich ein – nicht nur Erwachsene. Eine Entdeckungsreise der etwas anderen Art erarbeitet das Künstlerkollektiv Rimini Protokoll mit „Trucks Tracks Ruhr #3“ (ab 12.8., auf den Straßen Duisburgs), einer Produktion von Urbane Künste Ruhr zwischen Roadmovie und Theaterstück. Ein weiterer Beitrag von Urbane Künste Ruhr setzt sich unter dem Titel „well,come“ mit dem urbanen Alltag auseinander. Die neue Arbeit von osa_office for subversive architecture wird ab dem 13.8.16 im Dortmunder Hafen gezeigt.


Campustriennale – Mit der Campustriennale fördert die Ruhrtriennale die zukünftige Theater- und Künstlergeneration. In einer Masterclass realisieren drei junge Künstlerkollektive ihre eigenen Projekte in Kooperation mit dem Ringlokschuppen Ruhr, Schauspiel Essen und Schauspielhaus Bochum. Abschließend werden ihre Aufführungen unter dem Titel Zwischen Welten (17. und 18.9.) präsentiert. Teilnehmer der Fotografie-Meisterkurse von Daniel Josefsohn und Julian Röder zeigen ihre Arbeiten im Rahmen der Exhibition (ab 12.8.) in den Foyers der Spielstätten und in dem eigens produzierten Katalog BUDE BETT BARGELD / Licht unserer Tage. Im College wird das Festival mit Seminaren und Workshops zum Begegnungsort für Studierende aus ganz Europa.


Seid umschlungen – auch 2016

Das Leitmotiv verbindet alle drei Jahre der Intendanz Johan Simons‘ als Geste der künstlerischen, gesellschaftlichen und geografischen Umarmung – etwa indem die Ruhrtriennale das gesamte Ruhrgebiet mit 24 Spielstätten umspannt – so vielen wie noch nie. Das Musikprogramm spricht verschiedene Altersgruppen an. Das Kunstdorf „The Good, the Bad and the Ugly“ bietet dem Festivalpublikum und allen Neugierigen viel Kunst – „umsonst und draußen“. Das Refektorium wird wieder mit einem weit gefächerten Programm aus Lesungen, Konzerten, Kino-Abenden und Partynächten aufwarten – zum Großteil kostenlos. Eröffnet wird die Ruhrtriennale 2016 erneut mit einer Festspielrede bei freiem Eintritt – diesmal gehalten von der renommierten Publizistin Carolin Emcke (12.8.16).

Egal ob in der Kohlenmischhalle von Auguste Victoria oder in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck: Bei rund 120 Veranstaltungen begegnen sich auch 2016 KünstlerInnen aus mehr als 25 Ländern, Festival-Publikum und Menschen der Region – um hochkarätige Produktionen zu erleben, miteinander in Kontakt zu kommen, zu diskutieren und zu feiern.


Quelle: Kultur Ruhr GmbH