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Geboren wurde er 1934 im tschechischen Brünn (heute Brno), er war Mitglied der Hitlerjugend und für kurze Zeit Schüler einer „nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ (Napola). Mit seinen Eltern flieht er 1944 Richtung vor den heranrückenden Russen nach Bernburg/Saale, wo er die Schule beendet. Nach dem Abitur geht er aus der DDR in den Westen, er studiert in Tübingen Germanistik, Geschichtswissenschaft und Anglistik, promoviert und beginnt als Journalist bei der Stuttgarter Zeitung. Bald aber zieht es ihn zum Theater der baden-württembergischen Hauptstadt. 1968 holt ihn „Die Zeit“ als Theaterkritiker. Von wo es nicht weit ist bis zu der Position, die er dann 22 Jahre lang ausgefüllt: Ab 1974 leitet er das Kulturressort des „Spiegel“ und saß damit an einem der großen Steuerpulte für die Kulturwahrnehmung der Bundesrepublik. Anschließend wird er Mitherausgeber beim Berliner „Tagesspiegel“ und heuert 2004 bei Axel Springer als Autor und Kolumnist an.

Seine Popularität, die ihn schließlich auch zum Teil der deutschen Unterhaltungskultur werden lässt, steigt gewaltig an, als der „Spiegel“-Kulturchef gemeinsam mit Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler von 1988 bis 2001 im ZDF zum „Literarischen Quartett“ gehört und sich als feinsinniger, pointenscharfer, milder Gegenpart zum gern cholerischen und donnernden Reich-Ranicki profiliert. Auch nach dem Ende des „Literarischen Quartetts“ bleibt Karasek gern geladener Gast in Talkshows.

Karasek schrieb selbst nicht nur drei Theaterstücke unter dem Pseudonym Daniel Doppler, sondern auch knapp zwei Dutzend Bücher – darunter 1992 „Billy Wilder – eine Nahaufnahme“, 1998 den Roman „Das Magazin“, in dem er kaum verhüllt Erlebnisse aus seiner „Spiegel“-Zeit verarbeitet hat. Außerdem autobiografische Erinnerungen sowie einen Band, in dem der passionierte Filmkritiker „Die 100 schönsten Filme“ unter dem Titel „Mein Kino“ zusammenstellte. Und er schrieb Bücher über Witze.

Denn das war Hellmuth Karasek auch: leidenschaftlicher, ja manischer Sammler und Erzähler von Witzen – mit einem geradezu unerschöpflichen Reservoir, die er während seiner vielen prall gefüllten Lesungen und bei einem guten Glas Rotwein im großen Kreis seiner Freunde gern und geradezu genießerisch zum Besten gab. Er war immer offen für das große Feld der augenzwinkernden Unterhaltung – in seiner letzten Rezension beschäftigte er sich, den Schalk im Nacken, mit dem IKEA-Katalog („ein möblierter Roman“).

Was ihn so beliebt machte? Dass er seine scharfen Urteile mit Humor nicht unbedingt in der Sache abmilderte, aber doch so verpackte, dass man sie nicht als verletzend empfand. Dass und wie er das deutsche Feuilletons über Jahrzehnte mit seinem Humor bereichert hat, wird unvergessen bleiben.
 
Karasek über den IKEA-Katalog: https://www.youtube.com/watch?v=8mP0hwWEiko

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