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Dazu gehören Kunstgegenstände mit gesicherten Provenienznachweisen aber auch solche, deren Herkunftsgeschichten ungeklärt sind oder für die noch Forschungsbedarf besteht. Die Exponate sind nicht nach kunstgeschichtlichen oder thematischen Aspekten, sondern nach ihrer Herkunft geordnet. So treten Netzwerke und Beziehungen, die Bedingungen des Kunsthandels und die Vorlieben einzelner Privatsammler zutage. Forschungsdokumente wie Auktionskataloge, Inventarbücher oder Kunstzeitschriften machen die recherchierten Wege für den Betrachter nachvollziehbar. Ein Parcours führt von der Präsentation zu weiteren Objekten in den Dauerausstellungen des MKG.

Der aktuelle Forschungsauftrag ermöglicht eine proaktive, systematische Recherche und konzentriert sich zunächst auf Kunstwerke, die während und nach der Zeit des Nationalsozialismus erworben wurden. Die Ausstellung und der begleitende Katalog sollen Transparenz über den Stand der Recherchen schaffen, aber auch den Blick für die eigene Geschichte und die Erwerbungskultur vergangener Epochen sensibilisieren. Damit rücken auch der Umgang mit außereuropäischen oder antiken Kulturgütern, die heutige Erwerbungspraxis der Museen und der weitere Forschungs- und Handlungsbedarf ins Bewusstsein. Das MKG möchte diese wichtige wissenschaftliche Disziplin ergebnisunabhängig vorstellen und ihre Möglichkeiten und Grenzen aufzeigen. Der offene Umgang mit der eigenen Geschichte spielt in der Schau ebenso eine Rolle wie die Frage nach der historischen Verantwortung eines Museums.
 
Die Klärung der Herkunftsgeschichte eines Kunstgegenstandes ist eine akribische Spurensuche in den Medien zurückliegender Zeiten, die der buchstäblichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen allzu oft gleicht. Auktionskataloge müssen ausgewertet, in den Fachblättern des Kunsthandels muss nach Werbeanzeigen und Sammlergeschichten recherchiert werden. Die historischen Museumsarchive, die in Landes- und Bundesarchiven versammelten Aktenbestände zum Kunsthandel und die persönliche Korrespondenz zwischen den Museen, Sammlern und Kunsthändlern müssen eingesehen und ausgewertet werden. Man sucht nach Namen und historischen Zusammenhängen, nach Familiengeschichten und persönlichen Schicksalen, die oftmals nur in „Schnipseln“ überliefert sind, die ein Leben mehr oder weniger zufällig hinterlassen hat. Dazu gehören im MKG auch die mit persönlichen Einträgen versehenen Auktionskataloge aus der privaten Bibliothek von Martin Feddersen. Der ehemalige Kustos für Ostasiatische Kunst zählte zu den Bedrohten des NS-Regimes. Er war vom Museum suspendiert und wurde 1945 wieder rehabilitiert. Seine private Bibliothek hat ihn sein ganzes Berufsleben begleitet, bis sie in der Museumsbibliothek ihren dauerhaften Platz gefunden hat. Diese bisweilen sehr persönlich gefärbten Forschungsmaterialien sind den Fallgeschichten in der Ausstellung in einer Auswahl zugeordnet. Die Suche nach Fakten und Zusammenhängen gleicht nicht selten einem Puzzle, bei dem wichtige Teile unauffindbar bleiben. Fügen sich die Rechercheergebnisse dennoch zum Bild zusammen, so kann es auch das Falsche sein, zum Beispiel eine Person gleichen Namens, die aber nicht mit dem gesuchten Vorbesitzer eines Kunstgegenstandes identisch ist. Und so beginnt die Recherche von vorne.
 
In der Ausstellung werden zahlreiche Kunstgegenstände vorgestellt, die währen der NS-Kernzeit 1933 bis 1945 in das MKG gelangt sind. Das betrifft etwa 600 Kunstwerke, die in dieser Zeitspanne vom MKG erworben wurden oder dem Haus geschenkt worden sind. Auch spätere Ankäufe müssen überprüft werden, denn für alle Werke, die vor 1945 entstanden und gehandelt worden sind, ist ein Nachweis über ihren Verbleib während der NS-Zeit notwendig. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Silberobjekten aus ehemals jüdischem Besitz. Nach der Rückgabe vieler Objekte an die ehemaligen jüdischen Besitzer und einer Ausgleichszahlung an die Jewish Trust Corporation wurden die verbliebenen Objekte 1960 auf die Hamburger Museen verteilt. Doch bis heute besteht Klärungsbedarf darüber, wie mit diesen Silberbeständen umzugehen ist. Die Suche nach einem angemessenen Weg ist eine Herausforderung, der sich das MKG im Rahmen der Ausstellung und darüber hinaus im engen Austausch mit anderen Museen stellen will.
 
Mit dem Washingtoner Abkommen von 1998 ist die Provenienzforschung für deutsche Museen verbindlich geworden. Zweck dieses Auftrags ist es, diejenigen Kunstgegenstände aufzuspüren, die mit einer möglichen NS-verfolgungsbedingten Zugangsgeschichte belastet sind, ihre Herkunft und ihren Verbleib während der NS-Zeit zu ermitteln und im Bedarfsfall Wiedergutmachung zu leisten. Das MKG stellt sich seiner historischen Verantwortung und möchte, nach einer Zeitspanne intensiven Forschens, erste Ergebnisse und Erkenntnisse vorstellen. Dabei liegt der Fokus auf den „Biografien“ der einzelnen Kunstgegenstände. Jedes Stück hat seine eigene Geschichte, die verknüpft ist mit seiner Entstehung, seiner Funktion und seinem Weg in die Museumssammlung.
 
Das MKG will mit der Ausstellung dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber dieser kunsthistorischen Disziplin abzubauen. Museen geraten immer wieder in die Kritik, weil sie oft erst reagieren, wenn sie mit Restitutionsforderungen konfrontiert sind. Die zeitintensiven Recherchen sind unter Zeitdruck kaum zu leisten und bergen so die Gefahr umstrittener Entscheidungen. Diese Forschungsarbeit, die in der öffentlichen Meinung immer wieder mit dem Makel des Verlustes besetzt ist, gilt es nach den Erfahrungen im eigenen Haus mit dieser Ausstellung in ein neues Licht zu setzen.
 
Die Provenienzrecherche verbindet einen aktuellen Forschungsauftrag mit einer traditionsreichen Museumsdisziplin, nämlich einer kontinuierlichen Erforschung der Sammlung und der Geschichte des eigenen Hauses. Bei ihren Recherchen werden die Museen von der Politik unterstützt und mit Mitteln des Bundes über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin/Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefördert.
 
Quelle: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

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