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Bach-Kantate BWV 4 ,Christ lag in Todesbanden’
Uraufführung wahrscheinlich 1707 in Mülhausen, Notenmaterial überliefert 1724 aus Leipzig. Text: Martin Luther, 1524. Choral ,Christ lag in Todesbanden’. Evangelisches Gesangbuch No.101
„Und sie gingen schnell heraus und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen...“

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Dieser Satz des Evangeliums bestimmt die ‚Sinfonia’, die instrumentale Einleitung zu dieser Oster Cantata basierend auf dem Choral Martin Luthers ‚Christ lag in Todesbanden’ von 1524 nach der gregorianischen Sequenz ‚Victimae Paschali Laudes’ des Wipo von Burgund vor 1048. Die Cantata hat eine altertümliche Form – die eines Choralkonzertes das eigentlich im 17. Jahrhundert populär war und ohne Rezitative auskommt. Jeder ‚Versus’ ist eine Choralstrophe, vorgetragen vom Chor oder den Solisten.

Das besondere an dieser Kantate, die – so meint die Musikforschung – wohl zu Bachs ältesten gehört, ist das diese ‚alte’ Form mit enormem Leben gefüllt wird und ganz anders ist als man von einer ‚fröhlichen’ Osterkantate erwartet.
Schon die Einleitung atmet noch den Geist der Passion – der blanke Schrecken steckt den Frauen die das Grab besuchen noch in den Knochen – das Passionsgeschehen in seiner ganzen Entsetzlichkeit spiegelt sich musikalisch in den eher düsteren , furchtsam tastenden, seufzenden Takten der Sinfonia zu dieser Cantata wieder.
„Christ lag in Todesbanden
Für unsre Sünd gegeben,
Er ist wieder erstanden
Und hat uns bracht das Leben (...)“

Der Einleitungschor setzt fugiert ein – fast hektisch – wie vor Schreck außer Atem. Erst im zweiten Teil beruhigt man sich und preist:
„Des wir sollen fröhlich sein,
Gott loben und ihm dankbar sein
Und singen Halleluja, Halleluja!“

Besonders das Halleluja wird auch in jeder weiteren Strophe dieser Cantata immer wieder neu verziert und ausgeschmückt und klingt immer freudiger, die Passions Tiefe hinter sich lassend.
‚Halleluja’, der klassische Freudenruf der Kirche, ist eigentlich die Transkription des hebräischen hallelu-Jáh, das sich aus dem Imperativ Plural preiset von hillel – hebräisch für ‚preisen, verherrlichen, ausrufen’ – und Jah, der Kurzform des Gottesnamens JHWH, zusammensetzt. Wörtliche Übersetzung: Lobt Jah (Jahwe)!
Im evangelisch-lutherischen Gottesdienst ist das Halleluja die Antwort der Gemeinde auf die Epistellesung. Ihm folgt das Wochenlied, darauf das Evangelium. In der österlichen Fastenzeit wird im römischen Ritus das Halleluja durch einen anderen Christus-Ruf ersetzt, bis es vor dem Evangelium der Osternacht erstmals festlich wieder erklingt

Sopran und Alt singen in der Cantata ‚Christ lag in Todesbanden’ in fugierter Engführung den zweiten Versus im Duett und erzählen die Geschichte der sündigen Menschen und ihrer Befreiung durch das Opfer am Kreuz – dazu wird unisono begleitend ein Cornetto besetzt das dem Ganzen wiederum eine altertümliche – fast schreckhafte Färbung verleiht.

„Den Tod niemand zwingen kunnt
Bei allen Menschenkindern,
Das macht' alles unsre Sünd,
Kein Unschuld war zu finden (...)“

Der folgende Tenor Versus verkündet von fast jubelnden Violinen begleitet Jesu Opfertod und seine befreiende Wirkung beruft sich aber auch auf eine altertümliche Deutung der Macht des Todes uns eines Stachels die auf den Korinther Brief lehnt:

„Da bleibet nichts denn Tods Gestalt,
Den Stach'l hat er verloren (...)“
Original dargestellt im Korinther Brief zu Ostern. Epistel: 1. Korinther Brief, Vers 55 ff

‚Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?’ Aber der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz’
Besonders fremdartig erscheint uns der nächste Versus gesungen vom solistisch besetzten Chor (eine Stimme pro Part):
„Es war ein wunderlicher Krieg,
Da Tod und Leben rungen,
Das Leben behielt den Sieg,
Es hat den Tod verschlungen.
Die Schrift hat verkündigt das,
Wie ein Tod den andern fraß,
Ein Spott aus dem Tod ist worden.
Halleluja!”

Der Tod, der den anderen Tod ,frisst’ – Bach malt das sehr drastisch aus. Das Motiv ‚fraß’, frisst fugierend das folgende Motiv ‚fraß’ in der Tat auf bis harmonisch nur noch ein Restton übrig bleibt – einer der vielen bestechenden kompositorischen Kunstgriffe dieser Cantata. Die gewaltige Sprache des Luther Chorals im nächsten Versus vom Bass vorgetragen greift zu Bildern die tief alttestamentarisch sind: Christus wird als Opferlamm am Kreuz ‚gebraten’ um die Welt zu retten – sein Blut zeichnet unser aller Tür – das befreit von des Todes Schrecken.

„Hier ist das rechte Osterlamm,
Davon Gott hat geboten,
Das ist hoch an des Kreuzes Stamm
In heißer Lieb gebraten
Das Blut zeichnet unsre Tür,
Das hält der Glaub dem Tode für,
Der Würger kann uns nicht mehr schaden.
Halleluja!“

Das Lamm Gottes wird am Kreuzesstamm gebraten – wie das Opfer des Isaak durch Abraham der letztendlich ein Lamm ‚briet’ und seinen Sohn schonte: 1. Mose, Kapitel 22.
Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde (...)

Gott schont seinen Sohn nicht, so der Versus:
„Hier ist das rechte Osterlamm,
Davon Gott hat geboten,
Das ist hoch an des Kreuzes Stamm
In heißer Lieb gebraten (...)“

Und weiter geht die Beschwörung die alttestamentarischer Prophezeiungen und Bilder – diesmal aus dem Exodus. An das jüdische ‚Passah Fest’ erinnernd – den Auszug der Israeliten aus Ägypten unter Moses – der im Englischen sehr passend übertragen ‚Pass-Over’ heißt – der Tod, der an den durch Blut gezeichneten Türen der Israeliten vorbeigeht.
Und das Blut soll euer Zeichen sein an den Häusern, darin ihr seid, daß, wenn ich das Blut sehe, an euch vorübergehe und euch nicht die Plage widerfahre, die euch verderbe, wenn ich Ägyptenland schlage.
„Das Blut zeichnet unsre Tür,
Das hält der Glaub dem Tode für,
Der Würger kann uns nicht mehr schaden.
Halleluja“.
Exodus 2. Mose 12 ff

Christus hat die Sonne wieder scheinen lassen freuen sich Sopran und Tenor gemeinsam im vorletzten Versus und damit man auch weiß das es sich um einen König handelt der hier den Tod überwunden hat, geschieht das im Continuo im punktierten Königsrhythmus...

„So feiern wir das hohe Fest
Mit Herzensfreud und Wonne,
Das uns der Herre scheinen lässt,
Er ist selber die Sonne (...)“

Der abschließende Choral im Tutti nimmt nochmal im Exodus 2. Mose 12 ff Bezug und erneut auf das jüdische Passah-Fest das eigentlich den Ursprung von Ostern mit dem Auszug der Israeliten unter Mose aus Ägypten mit ungesäuerten (Mazza-) Broten feiert.
Ihr sollt diesen Tag haben zum Gedächtnis und sollt ihn feiern dem HERRN zum Fest, ihr und alle eure Nachkommen, zur ewigen Weise. Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen; nämlich am ersten Tage sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern tun.
Der Tag soll heilig sein, daß ihr zusammenkommt. Keine Arbeit sollt ihr an dem tun; außer, was zur Speise gehört für allerlei Seelen, das allein mögt ihr für euch tun.
Und haltet das ungesäuerte Brot; denn eben an demselben Tage habe ich euer Heer aus Ägyptenland geführt; darum sollt ihr diesen Tag halten, ihr und alle eure Nachkommen, zur ewigen Weise.
Es wird auch eine neue Parallele gezogen – zum Abendmahl – an dem Christus seinen Leib und sein Blut als ‚Koste’ angeboten hat – die Seele wird damit gespeist – Ostern ist in uns allen vollzogen.

„Wir essen und leben wohl
In rechten Osterfladen,
Der alte Sauerteig nicht soll
Sein bei dem Wort der Gnaden,
Christus will die Koste sein
Und speisen die Seel allein,
Der Glaub will keins andern leben.
Halleluja!”

Diese Choral-Cantata zum Ostertag gehört zu den erstaunlichsten und musikalisch sowie theologisch tiefgründigsten die Bach komponierte – ein würdiger Beginn für unsere KlassikKompass-Serie über die Welt der Bach-Cantatas.

Ich empfehle die Aufnahme dieser Cantata durch das niederländische Ensemble Musica Amphion und dem Gesualdo Consort unter dem Cembalisten Pieter-Jan Belder. Er hat eine ganz besondere Form gefunden Bach Cantatas aufzunehmen und zu präsentieren. Er stellt die Werke nach Themen zusammen und umgibt sie mit dazugehörigen anderen – beispielsweise Orgel – Bach’schen Kompositionen und Werken seiner Zeitgenossen. Das Ganze wird in einem hochinformativen Buchreihe unter dem Motto ‚Bach in Context’ jeweils mit dazugehöriger CD angeboten.

So finden sich die Oster-Cantata ‚Christ lag in Todesbanden’ auf der Buch-CD ‚Bach & Luther’ gemeinsam mit der Reformations-Cantata BVW 80 ‚Ein feste Burg ist unser Gott’ und den Orgelwerken Bachs. Die ‚Dorische Toccata in h-moll’ BVW BWV 538 und dem Orgelchoral ‚Das sind die heil’gen zehn Gebot’ BWV 678 sind zur Reformations-Cantata gestellt und umrahmen sie.

Ein Werk des Johann Christoph Bach (1642-1703), Großonkel des Thomaskantors, die Motette ‚Merk auf mein Herz und sieh’ dorthin’ leitet zum Osterteil der CD. Die Oster Cantata wird eingerahmt von dem Orgelvorspiel ‚Christ lag in Todesbanden’ BVW 718 und beschlossen mit der ‚Orgel Fuge in d-moll’ BVW 538. Musica Amphion und das Gesualdo Consort haben die CD Live in der St. Georgenkirche in Glauchau aufgenommen.

Belder bevorzugt einen weichen, durchsichtigen und eleganten Bach-Aufführungsstil. Natürlich spielt das Orchester auf Instrumenten nach originalem Vorbild nachgebaut.
Die Stimmen sind ausschließlich solistisch besetzt – so wird eine hohe kammermusikalische Durchsichtigkeit erreicht, die an Spannung und Intensität gewinnt und erlaubt Bachs kompositorische Feinheiten im Detail zu genießen.
Natürlich hat Belder auch bei den Sängern auf seiner Aufnahme die barocke Elite versammelt.
Es singen: Dorothee Mields und Nele Gramss (Sopran), Terry Wey und Marnix De Cat (Altus), Charles Daniels und Harry van Berne (Tenor) sowie Harry van der Kamp – auch der künstlerische Direktor des Gesualdo Consort und Jelle Draijer (Bass)

Das Buch mit dazugehöriger CD ‚Bach & Luther’ mit Musica Amphion und dem Gesualdo Consort unter Leitung von Pieter-Jan Belder ist zu haben per Direktversand oder www.musica-amphion.nl unter der Bestellnummer KTC 1424.


Bach Cantata BWV 31 ‚Der Himmel lacht, die Erde jubilieret’
Uraufführung 21. April 1715 in Weimar
Text: Salomon Franck, 1715; Choral: Nikolaus Herman 1575
‚Wenn mein Stündlein vorhanden ist’ - Evangelisches Gesangbuch No.522

„Der Himmel lacht! die Erde jubilieret
Und was sie trägt in ihrem Schoß;
Der Schöpfer lebt!
Der Höchste triumphieret
Und ist von Todesbanden los.
Der sich das Grab zur Ruh erlesen,
Der Heiligste kann nicht verwesen.“
Die zweite große Cantata zum ersten Ostertag Johann Sebastian Bachs hat nun zunächst eine völlig andere Stimmung als die vorher beschriebene ‚Christ lag in Todesbanden’ mit ihrer eher schreckhaften Rückbesinnung auf die Passion.
‚Der Himmel lacht, die Erde jubilieret’ wir Stück für Stück bildgewaltig musikalisch umgesetzt. Auch hier gibt es eine instrumentale Einleitung – Sonata genannt – eine viel zu harmlose Bezeichnung für das Geschehen das dem Hörer vor das innere Auge gebracht wird.
Drei glissierende, skandierende Clarin Trompeten sorgen für das gleißende Licht am Ostermorgen, Pauken schlagen ein Erdbeben heran – das Grab bricht auf – man glaubt Zeuge der nächtlichen Auferstehung zu sein.
Unisono wird das Ganze streckenweise geführt – im Einklang knallt das herum – dazu bietet man Oktavsprünge an, die Erde reißt auf und Christus schießt aus dem Grab – eine enorme Musik, die in ihrer Theatralik kaum zu übertreffen ist.
Und dann der Chor – das Lachen bricht heraus und bestimmt die gesamte Fuge die folgt – ‚Der Himmel lahahahacht’ – das Osterlachen wird beschworen.
Osterlachen (lateinisch risus paschalis), auch Ostergelächter, bezeichnet den Brauch, in der Predigt an Ostern die Gottesdienstgemeinde zum Lachen zu bringen. In einigen Regionen war es vom 14. bis 19. Jahrhundert fester Bestandteil des christlichen Brauchtums.
Der Grundgedanke des Osterlachens war, die Osterfreude zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig symbolisiert das Osterlachen die Überlegenheit und den Sieg über den Tod, der sich an Christus ‚verschluckt’ hat und der Lächerlichkeit preisgegeben ist.Und der Himmel jubilieret – alles jubiliert ohne Ende und die Trompeten bieten das Licht dazu...
Erst bei ,Der sich das Grab zur Ruh erlesen’ wird der fröhliche Chor plötzlich nachdenklich aber mit dem nächsten Satz ‚Der Heiligste kann nicht verwesen’ ist die Freude wieder da – das ursprüngliche Tempo wird wieder aufgenommen – die Trompeten erinnern an das ewige Licht und die Freude kehrt im instrumentalen Abspann zurück.
Der Tenor erklärt die Freude mit einem Hinweis auf Christi Stellung die sich auf die Offenbarung des Johannes bezieht...

„Das A und O,
Der erst und auch der letzte,
Den unsre schwere Schuld in Todeskerker setzte,
Ist nun gerissen aus der Not (...)“
Offenbarung Kapitel 1 Vers 8

„Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der HERR,
Der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige .“

Das ‚A und O’ ist dabei eher das ‚Alpha und Omega’ – Anfang und Ende des griechischen Alphabets.

„Fürst des Lebens, starker Streiter,
Hochgelobter Gottessohn!
Hebet dich des Kreuzes Leiter
Auf den höchsten Ehrenthron?
Wird, was dich zuvor gebunden,
Nun dein Schmuck und Edelstein?
Müssen deine Purpurwunden
Deiner Klarheit Strahlen sein?“
Diese Tenorarie, nur vom Continuo aus Orgel und Bass begleitet, übernimmt wieder den punktierten Königsrhythmus, um den Auferstandenen in der Tat auch musikalisch auf den ‚Ehrenthron’ zu heben.
Der Tenor, dem im ersten Teil der Cantata fast die Funktion eines Evangelisten zukommt der das Geschehen in der Osternacht berichtet, wechselt nun die Thematik und gibt die Interpretation der Osterbotschaft und setzt sie für die Seele in die persönliche Lehre um...

„So stehe dann, du gottergeb’ne Seele,
Mit Christo geistlich auf!
Tritt an den neuen Lebenslauf! (...)
Lass, dass dein Heiland in der Welt,
An deinem Leben merken! (...)
Ein Christe flieht
Ganz eilend von dem Grabe!

Er lässt den Stein,
Er lässt das Tuch der Sünden
Dahinten
Und will mit Christo lebend sein.“

Es folgt eine der wohl schönsten Tenor Arien die Bach jemals für seine Cantatas geschrieben hat – ein fröhlicher Ostertanz von jubelnden Violinen begleitet.

„Adam muss in uns verwesen,
Soll der neue Mensch genesen,
Der nach Gott geschaffen ist.
Du musst geistlich auferstehen
Und aus Sündengräbern gehen,
Wenn du Christi Gliedmaß bist.“

Hier bezieht sich der Text theologisch auf die Epistel 1. Korinther, Vers 42 ff.

„Also auch die Auferstehung der Toten.
Es wird gesät verweslich, und wird auferstehen unverweslich.
Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Es wird gesät in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft.
Es wird gesät ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib.
Ist ein natürlicher Leib, so ist auch ein geistlicher Leib.
Wie es geschrieben steht: der erste Mensch, Adam, ‚ward zu einer lebendigen Seele’, und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht.“

Die letzte Stunde des Menschen befreit die Seele – macht nun durch Christi Opfertod und Auferstehung die Auferstehung des geistigen Leibes für jeden Gläubigen möglich. Folgerichtig – im hochbarocken, pietistischen Denken – das Rezitativ der Sopran mit der Schlussfolgerung...

„Weil dann das Haupt sein Glied
Natürlich nach sich zieht,
So kann mich nichts von Jesu scheiden.
Muss ich mit Christo leiden,
So werd ich auch nach dieser Zeit
Mit Christo wieder auferstehen
Zur Ehr und Herrlichkeit
Und Gott in meinem Fleische sehen.“

All dies mag uns heute fremdartig vorkommen und es wird in dieser Kantate noch fremder, denn plötzlich ist die ‚Letzte Stunde’ da – der Wunsch dem Auferstandenen zu folgen – sich zu wünschen seinen ‚Engeln ähnlich (zu) sein’.
Bach schließt die Cantata mit einem enormen, gefühlvollen und ergreifenden Grabgesang ab – einer Sopran Arie mit Oboen und Violinen unisono geführt im Duett, die wie ein Monolith in dieser Cantata steht – sowohl in ihrer Aussage als in ihrer zeitlosen Schönheit.
Dazu spielen die Violen den Cantus Firmus des folgenden Chorals von Nikolaus Herman 1575 ‚Wenn mein Stündlein vorhanden ist’:
„Letzte Stunde, brich herein,
Mir die Augen zuzudrücken!
Lass mich Jesu Freudenschein
Und sein helles Licht erblicken,
Lass mich Engeln ähnlich sein!
Letzte Stunde, brich herein!“

Wer hat so etwas in einer Osterkantate erwartet, die mit einem schier endlosem Osterlachen begann?
Doch der Glanz von Ostern wird noch einmal übersetzt als höchste skandierende Clarin Trompeten, die das himmlische Licht auf den gleichen Schlusschoral legen – die Sehnsucht nach der ewigen himmlischen Heimat die jetzt – durch die Auferstehung Christi – wieder ‚auf Armeslänge’ herangerückt ist ...

„So fahr ich hin zu Jesu Christ,
Mein' Arm tu ich ausstrecken;
So schlaf ich ein und ruhe fein,
Kein Mensch kann mich aufwecken,
Denn Jesus Christus, Gottes Sohn,
Der wird die Himmelstür auftun,
Mich führ’n zum ew’gen Leben.“

Unsere CD-Einspielung die wir für diese Cantata empfehlen wurde Live in der Gorgenkirche in Eisenach am 22. und 23. April 2000 während der ‚Bach Cantata Pilgrimage’ (Pilgerfahrt) des britischen Dirigenten, Chorleiters und Bach Experten Sir John Eliot Gardiner aufgenommen.
Gardiner hat einen ganz eigenen Bach Stil entwickelt. Im Gegensatz zu den rein solistischen Aufführungen, die ohne Chor auskommen, benutzt Gardiner eine Kleinbesetzung von 18 Stimmen seines weltweit hochgelobten und ausgezeichneten ‚Monterverdi-Choir’ und garniert dies mit einer fein ausgewählten Elite von Gesangssolisten die er während der Pilgerfahrt oft dem ‚Spiritus Loci’ – dem Einspielort – in Timbre und Aussage anpasst. Dazu spielt ebenfalls ein ausgewähltes Ensemble, 26 Instrumentalisten, von Gardiners Orchester, den ‚English Baroque Soloists’. Es singen die Solo-Partien in dieser Aufnahme: Angharad Gruffyd Jones und Gillian Keith (Sopran), Daniel Taylor (Altus), James Gilchrist (Tenor) – letzterer gehört mittlerweile zu den weltweit hochgelobten Oratorien-Stimmen dieses Fachs – und Stephen Varcoe (Bass).
Gardiner pflegt einen zwar, eleganten aber immer hautnahen mitreißenden und keineswegs ‚britisch unterkühlten’ Bach Stil. Das wird wohl auch durch die dichte und direkte Live-Atmosphäre der Aufnahmen unterstützt.
Der Brite scheut sich in keiner Weise seiner direkten Freude und Begeisterung über Bachs Musik freien Lauf zu lassen. Ich kenne kaum Bach Cantatas Aufnahmen bei denen man spontan einfach fröhlich mitpfeifen möchte.
Gardiner hat einen gewissen Pop-Anspruch in Bachs Cantata Werk gebracht – ein Osterlachen in eigenem Respekt – das nicht weniger innerlich ist als tiefe Gläubigkeit, aber eine gewissen Grundfröhlichkeit in die musikalische und Glaubens-Botschaft bringt.
Mancher mag das vielleicht für zu flach und unseriös halten – ich wünschte aber vielen Kirchen und Gemeinde-Pfarrern diese Gardiner-Grundhaltung, um endlich mal wieder der Welt zu zeigen wie viel Freude der Glauben machen kann.
Ich bin von diesen Aufnahmen immer wieder neu begeistert und so natürlich von dieser, die der (fast) reinen Osterfreude gewidmet ist..

Sir John Eliot Gardiner hat auf einer Doppel CD alle Oster-Cantatas eingespielt:
Die Aufnahme enthält die Cantatas ‚Christ lag in Todesbanden BWV 4 und ‚Der Himmel lacht, die Erde jubilieret’ BVW 31 zum Ostertag, ‚Erfreut euch ihr Herzen’ BWV 66 und ‚Bleib bei uns es will Abend werden’ BWV 6 zum Oster-Montag und schließlich ‚Ein Herz das seinen Jesum lebend weiß’ BWV 134 und ‚Ich lebe mein Herze zu deinem Ergötzen’ BWV 145 zum 3. Ostertag.
Wir werden auf einige der Live-Aufnahmen im Weiteren noch genauer eingehen.

2 CD Johann Sebastian Bach Cantatas Volume 22 ,Eisenach’ der Reihe ‚Bach Cantata Pilgrimage’ mit dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists sowie den Solisten (siehe oben) unter Leitung von Sir John Eliot Gardiner ist zu haben bei Soli Deo Gloria Records unter der Bestellnummer SDG 128.

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