Theater - Tanz

„Nichts ist sicher“, trällert die schöne Sängerin hoch über den Köpfen der Zuschauer. „Nichts ist von Dauer“. Wohl wahr! Sah man dort oben eben noch eine rundgewölbte Zirkuskuppel aus bunten Stoffbahnen, so erscheint sie nun als voluminöser Reifrock dieser seltsamen Königin der Nacht, deren weltentrückten Lieder die großartige Show der dreizehn skurrilen Gestalten unter ihr begleiten. Zu Beginn weiß man noch nicht genau, ob es nun Akrobaten oder Clowns sind, die da schlafwandlerisch das Manegen-Rund in Besitz nehmen. Nur eines ist klar: Die ganze Gruppe wirkt so grell, barock und verrückt, als sei sie aus einem Fellini-Film entsprungen. Ein somnambules Mädchen mit Zöpfen spielt auf den Schultern eines Mannes Akkordeon. Ein anderes geigt selbstverloren auf einem Seil. Ein alter Herr mit Rauschebart und knallrotem Latexslip über der weißen Strumpfhose, stöckelt auf roten Pumps durch die Menge und begrüßt freundlich lächelnd das Publikum. Und ein fetter Bajazzo mit Halskrause offeriert seinen angelutschten Lolli. Im Laufe des Abends wird dieser schrille Haufen noch in vielen fantastischen Verkleidungen auftreten. Mit rosa Tutu und Taucherflossen, mit Abendroben und Holzpantinen, mit Skiausrüstungen und Hightech-Stelzen. Und sogar in kurzen, ausgestopften Wollhosen, die sie unversehens in eine Herde Schafe verwandelt. Eine Ballett tanzende Herde Schafe, wohlgemerkt. Urkomisch ist das. Auch ein wenig tragisch. So, wie es immer tragisch ist, wenn Männer sich zu Narren machen oder als Transen auftakeln. Hier aber schwingt noch etwas anderes mit: Eine ganz eigentümliche Melancholie. Diese bizarren Clowns scheinen einer anderen Zeit und einer anderen Welt zu entstammen: Einer poetischen, theatralischen und bildmächtigen Welt, die uns so sehr berührt, weil sie eigentlich schon längst untergegangen ist.

Keine Frage: Die Akrobaten im Reifen und im Trapez, an den Bändern und an den Seilen sind ganz ausgezeichnet und verstehen mit ihren Kunststücken zu begeistern. Insbesondere ihr dunkelhäutiger Star scheint an einer fahnenmasthohen Stange der Schwerkraft zu spotten. Das hat Weltklasse-Niveau. Den einzigartigen Charme und die stupende Qualität der Zirkus-Theater-Truppe aus Marseille macht jedoch das unvergleichliche Gesamtkunstwerk aus Musik, Artistik, Slapstick, Formen und Farben aus. Mit überbordender Fantasie und anarchischem Witz schafft sie eine surreale Bilderwelt, die an Kraft und Komik ihresgleichen sucht. Wann hat man schon einmal so eine grandiose Freddy-Mercury-Nummer gesehen? Ach, Sie wissen nicht, wovon ich spreche? Dann gehen Sie einfach hin und schauen es sich an.


"Cirque NoNo" - Fliegende Bauten, Glacischaussee 4, 20359 Hamburg. Bis 27.11., jeweils 20 Uhr (Einlass ab 19 Uhr), Tickets ab 32,90 Euro.
Kinder- und Jugendvorstellungen am 19., 20. und 26.11. um 14 Uhr (Einlass ab 13 Uhr), Tickets ab 12,90 Euro. Tickets unter (040) 3988 140