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Theater - Tanz

Lucas, der Wochenendfilmer mit wenig Geld und viel Phantasie, steckt in dem Dilemma: Er dreht einen Anti-McDonald’s-Film über ein Entführungsopfer, der gezwungen wird als McDonald-Clown aufzutreten. Gleichzeitig arbeitet er bei dem verhassten Konzern und steigt dort immer weiter auf.

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Nadja, der Shootingstar mit Schreibblockade, arbeitet sich an einem französischen Drehbuch ab, in dem ein verschwundener Vater nach 30 Jahren wieder auftaucht, und setzt sich dabei immer mehr mit dem mysteriösen Tod ihres eigenen Vaters während der Militärdiktatur in Argentinien auseinander.

Und Mariella schließlich bastelt an einer Doku über sowjetische Musikfilme der 1980er Jahre, verliebt sich dabei in einen Russen und verlässt – mittlerweile schwanger - ihren reichen Mann, um in Moskau ihren Geliebten und ihren eigenen russischen Wurzeln nachzuspüren. Sie endet in einem kleinen Dorf, glaubt, endlich angekommen und ihren Sehnsuchtsort gefunden zu haben – bis sie feststellt, dass es sich um ein Film-Set handelt und die braven Bauern Statisten sind.

Kunst oder Leben, das ist hier keine Frage. Sie bedingen sich, sind unauflösbar ineinander verwoben, daran lässt Mariano Pensotti in seiner rasanten Szenenfolge keine Zweifel. In atemberaubendem Tempo verschneidet der argentinische Autor und Theaterregisseur die beiden Handlungsebenen- die Biographien der Person mit den nachgespielten Filmstoffen. Eine Passage jagt die nächste, in der Hoffnung, wie er selbst sagt, dass sich aus der Gegenüberstellung zweier Ideen eine dritte ergibt. Vorbild ist ihm das Montageprinzip von Sergej Eisenstein, das wiederum von japanischen Ideogrammen inspiriert ist, bei denen ebenfalls zwei übereinandergelegte Bilder ein drittes ergeben.

Dass der Zuschauer bei diesem Durcheinander nicht den Faden verliert, ist einmal den beiden Ebenen zu verdanken, deren Prinzip man rasch durchschaut: Während im Erdgeschoss das „reale“ Leben der vier Filmemacher fortschreitet, laufen im ersten Stock die „fiktiven Filmprojekte“ der Protagonisten ab. Ein ebenso einfacher wie faszinierender Kunstgriff, der mit den neuen parallelen Sehgewohnheiten spielt und von den hervorragenden fünf Darstellern, Vanessa Maja, Juliana Muras, Javier Lorenzo, Marcelo Subiotto und Horacio Acosta beachtliche sportliche Leistungen (Treppauf-Treppab) und ein ständiges Umschalten in die unterschiedlichen Rollen verlangt.

Aber vor allem der "Erzähler" sorgt dafür, dass das Publikum im richtigen Film ist: Abwechselnd greifen die Schauspieler dabei zum Mikro und schildern kurz und knapp (auf Spanisch, mit deutschen Untertiteln) die jeweiligen Handlungsverläufe.

Mariano Pensotti hat dieses Stück nach Interviews mit argentinischen Filmemachern geschrieben. Es ist seine Hommage an Buenos Aires, eine Stadt, die, wie er sagt, zunehmend als Drehort für internationale Filme genutzt wird.

Im Kern jedoch verhandelt „Cineastas“ die Frage nach dem Kunstwerk selbst. „Sind Kunstwerke Zeitkapseln, die unser kurzes Leben für die Nachwelt bewahren?“, fragt Pensotti. „Oder sind es im Gegenteil unsere Leben selbst, die die Kunstwerke unsterblich machen, indem wir wiederholen, was wir in der Kunst schon hunderte Male gesehen haben?“

Eine Antwort darauf gibt sein Stück nicht, aber selten sah man ein so komplexes und hoch philosophisches Thema mit so viel Esprit, Spiellaune und schauspielerischer Brillanz präsentiert. Einfach genial.

Noch heute, 22.8., 20 Uhr, Eintritt 24/12 Euro. Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg.
Das Internationale Sommerfestival läuft noch bis zum 24. August 2014. Programm und Tickets unter www.kampnagel.de.


Abbildungsnachweis: Fotos Bea Borgers
Header und Galerie: Szenen aus Mariano Pensottis „Cineastas“.

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