Musik

Die 26-jährige Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff und ihre vierköpfige Band geben mit 'Epitaph Of Theodor' dem Abend die Richtung vor. Das lange Instrumentalstück beginnt andächtig sakral, nimmt aber immer mehr Fahrt auf und wird zusehends mystisch. Nicht zum letzten Mal hat man bei dem Konzert das Gefühl, allein in einem dunklen Wald zu stehen und zu ahnen, dass gleich etwas Unheimliches passieren wird.

Der Song 'Deathbed' vermag zu Beginn der Welt ebenfalls nichts Gutes abzugewinnen, macht mit kratzigen E-Gitarren-Parts eher Angst. Das pompöse Werk stellt sich jedoch schnell als unglaublich vielschichtig heraus, umfasst in zehn Minuten beinah alles, was die Musik von Anna von Hausswolff ausmacht. Einmal prügeln die Drums das Tempo nach vorne, kurz darauf setzen unterschiedliche Percussion-Instrumente gezielte Klänge. Die Orgel erinnert erst an Bach, wenig später wird das Kircheninstrument ganz artfremd verwendet. Über allem schweben die Drone-Bässe und die an Kate Bush erinnernde, glasklare Stimme, die einen gefangen nimmt.

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Die schüchterne Anna spricht wenig. Small Talk sei nicht ihr Ding, sagt sie. Sie ist glücklich über die vielen Zuhörer. Sie wusste nicht, was sie erwartet und meint, dem Publikum gehe es bei ihrer Art Musik oft ebenso. Recht hat sie.

Die in Göteburg geborene Architektur-Studentin bringt anschließend ihren bisher größten kommerziellen Erfolg zur Aufführung. 'Mountains Crave' kommt von allen Stücken am auffälligsten im Pop-Gewand daher. Beat, Melodie und Gesang wirken weniger experimentell, auch von Hausswolffs Tasteninstrument hält sich mit den penetranten Bässen zurück.

Die weiteren Songs des Abends lesen sich dann wieder bedrohlich, dunkel, traurig. 'Funeral For My Future Children' oder 'Epitaph Of Daniel' lassen das Schwarz der alten Werkshalle noch dunkler wirken. Von Hausswolffs Musik ist dabei wie eine aus barocken Zeiten stammende gefährliche Brücke zwischen Bombastrock und Indiepop.

Die Schwedin lebt in ihrer Musik, in ihrer Welt. Oft sitzt sie dicht über der Orgel, wirft ihren Kopf im Takt hin und her, wirkt abwesend und zugleich hoch konzentriert und erzeugt dabei sterbensschöne Klänge. Man kann sich beim Zuhören des Bildes der dunklen, kalten und langen skandinavischen Winter einfach nicht entziehen. Doch in vielen Liedern finden sich auch Töne, die Wärme und Licht versprechen. Mit 'Liturgy Of Light' klingt ein ganzer Song wie die vertonte hoffnungsvolle Zukunft.

Die Musik von Anna von Hausswolff trifft den Zuhörer ins Herz. Selten kann man Besucher eines Konzerts in solch andächtiger Stille verharrend beobachten. Auch ein derart impulsives Orgelspiel ist bisher nicht auf Klubbühnen zu sehen gewesen. Die dafür nötige Energie entlädt sich förmlich aus der für den Nordic Music Prize nominierten blonden Schwedin. Das Kampnagel-Publikum wurde mit zwei Zugaben entlohnt und mit vielen neuen musikalischen Reizen in die Frühlingsnacht entlassen.


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Header: Anna von Hausswolff. Foto: Andres Nydam
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Anna von Hauswolff und Band. Fotos: Oliver Ballendat