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Musik

Zuerst einmal fragt man sich, warum diese szenische Aufführung unbedingt in der Elbphilharmonie stattfinden musste? Die Hamburg Oper hätte sich wahrscheinlich sehr viel besser dafür geeignet, denn ganz offenbar hat ‚La Fura dels Baus’ das „Schöpfungs“-Konzept für die Guckkastenbühne entwickelt: Die Schriftzüge, die über die mobilen, meterhohen weißen Stoffbahnen flackerten, waren von der Seite einfach nicht zu lesen – und die Zuschauerreihen hinter den Gazebahnen wurden erst gar nicht verkauft, sondern blieben leer. Und auch sonst gab es visuelle Einschränkungen: Der mächtige Kran verstellte zum Großteil den Blick auf die Taucheinlagen der Sänger in dem Bassin. Wäre der Kran nicht ab und zu herumgeschoben worden, hätten die seitlich der Bühne sitzenden Zuschauer kaum etwas davon mitbekommen. Übrigens ist die Idee, die Sänger in ihren futuristisch-blinkenden LED-Kostümen am Kran hochzuziehen, mittlerweile auch schon etwas abgegriffen.

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Nein, ein Feuerwerk an visuellen Einfällen, wie man es sonst von ‚La Fura dels Baus’ gewohnt ist, blieb an diesem Abend leider aus.
Am besten, man schloss die Augen und konzentrierte sich auf die brillante Akustik des großen Saals. Es ist einfach wunderbar, wie sich hier die Töne entfalten und den Raum bis in die letzten Reihen fluten. Und es war ein Erlebnis, das ‚Insula Orchestra’ und den großartigen Chor ‚Accentus’ hier zu Gast zu haben. Beide Institutionen wurden von der französischen Dirigentin Laurence Equilbey gegründet (die jetzt auch am Pult stand) und beide sind einfach traumwandlerisch aufeinander abgestimmt.

Hinreißend auch die Solisten: Die zierliche Koreanerin Sunhae Im (Gabriel/Eva) bezauberte mit ihrem christallklaren Sopran, der Tiroler Martin Mitterrutzner (Uriel) mit vollem, warmen, recht tiefem Tenor und Daniel Schmutzhard (Rapael/Adam) mit seinem wunderschönen, samtweichen Bariton.
Carlus Padrissa verlangt den Protagonisten eine Menge ab. Immer wieder müssen sie ins Wasser. Aus dem Becken heraus oder klitschnass an Gurten befestigt singen.

Der Regisseur, ein Gründungsmitglied von ‚La Fura dels Baus’, hatte (wie so viele Kreative gegenwärtig) die Idee, den klassischen Stoff mit Zeitgeschichte zu verschränken und kombiniert die Schöpfungsgeschichte mit der Flüchtlingskrise. Während die Welt in sieben Tagen erschaffen wird, fliehen die Menschen vor Krieg und Chaos. Gut gemeint ist aber, wie bekannt, das Gegenteil von Kunst. Der Chor als Flüchtlingstreck, ausgestattet mit Lumpen und Tablets, wirkt auf der Bühne eher wie eine Oberammergauer Laienspieltruppe. Selbst ein „Flüchtling“ in roter Schwimmweste, der im Wasserbassin vergeblich nach der Hand Raphaels, dem Geist des Wassers, ausstreckt, vermag das Grauen von Krieg und Flucht, die unzähligen Ertrunkenen im Mittelmeer, nicht auf die Bühne zu bringen. Das wirkt nur prätentiös und hilflos.

Kraft entfaltet das Wasserbild erst bei der Erschaffung von Adam und Eva, die beide eine ganze Weile in diesem Becken tauchen, bis sie der Kran gemeinsam in die Lüfte schwingt. Zwei (fast) nackte Leiber, zwei wunderschöne Stimmen – ohne blinkende LED-Lämpchen und sonstigen Multimedia-Schnickschnack.

Diese Szene im dritten Teil des Oratoriums entfesselt dann endlich die alte magische ‚Fura-dels-Baus’-Qualität.

Theater der Welt 2017
La Fura dels Baus: Die Schöpfung
Insula orchestra
accentus Chor
Sunhae Im Gabriel / Eva
Martin Mitterrutzner Uriel
Daniel Schmutzhard Raphael / Adam
Dirigentin Laurence Equilbey
La Fura dels Baus Konzept, Inszenierung, Bühne, Kostüm, Choreographie, Licht, Video

Joseph Haydn: Die Schöpfung / Oratorium für Soli, Chor und Orchester Hob. XXI/2
Szenische Aufführung


Abbildungsnachweis:
Alle Szenenfotos Claudia Höhne

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