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Musik

Melanie Diener muss sich nicht groß umstellen vom „Tristan“ auf die „Wesendonck-Lieder“, die sie in Hamburg singt – zwei von ihnen hat der Komponist ausdrücklich als Studien zu seiner großen Oper bezeichnet, um sich der unerfüllten Sehnsucht zu widmen. Studien mit einem ganz irdischen Hintergrund: Er himmelte in seinem Schweizer Exil ab 1849 Mathilde Wesendonck an, die Gattin seines Gönners, des reichen Kaufmanns Otto Wesendonck. Bis Wagners Frau Minna einen Brief an die Angebetete abfing. Seither dürfen Musikforscher rätseln, ob da nicht doch mehr war als die Briefe und die fünf Gedichte der unerreichbaren Mathilde, die Wagner vertont hat.

Warum sie gerade diese Wesendonck-Lieder für den Abend zur Manet-Ausstellung ausgesucht hat? „Dazu und zur Auswahl der Liszt-Lieder hat mich zunächst natürlich die Zeitgenossenschaft bewogen: Manet starb keine 100 Tage nach Wagner. Während Manet in Paris erste Berühmtheit erlangte, entstanden in Zürich die Wesendonck-Lieder. Auch Liszt ist ein Zeitgenosse Manets, seine Lebensdaten umschließen gewissermaßen die des Malers – das heißt, die von mir ausgewählte Musik auf der Schwelle von der Romantik zur Moderne ist entstanden, als in Paris der Impressionismus die Moderne in der Malerei einläutete.“

Ihr Liederabend in der Kunsthalle ist schon der zweite, ein erster kam vor einigen Jahren auf Anfrage von Kunsthallen-Geschäftsführer Stefan Brandt zustande und thematisierte die Beziehung zwischen Max Liebermann und Paul Hindemith. Die Werke für die jetzige „Revue wagnérienne“ hat sie selbst ausgesucht. Neben den Wesendonck-Liedern singt sie „Dich teure Halle“ und ausgewählte, selten gesungene Lieder von Franz Liszt: „Vergiftet sind meine Lieder“, „Über allen Gipfeln ist Ruh“, „Es muss ein Wunderbares sein“, „Freudvoll und leidvoll“, „Ich liebe dich“ und „Oh lieb, so lang du lieben kannst“.

„Interessant ist die Rückbesinnung auf die alte, frühe Meisterschaft“
Warum fiel die Wahl gerade auf diese Liszt-Lieder – gibt es da eine Verbindung zu Manet und der Ausstellung? „Die Themen von Manets Bildern“, sagt Melanie Diener, „sind andere als die der ausgewählten Lieder; man sieht in seinen Bildern aus der Großstadt vielleicht eher die Umwelt, die damaligen Lebensumstände der beiden Komponisten abgebildet als die zum Teil schwärmerischen, romantischen Inhalte dieser Lieder. Interessant fand ich die Rückbesinnung auf die alte, frühere Meisterschaft – Manet berief sich auf Velazquez, Liszt vertont mit Goethe den großen deutschen Klassiker. Wichtig ist mir aber auch die handwerkliche Meisterschaft, die subtile Zeichnung, die sowohl bei den Komponisten Liszt und Wagner wie auch beim Maler Edouard Manet hinter allem Ausdruck steht.“

Melanie Diener (begleitet wird sie von Prof. Marcelo Amara) bringt die perfekte Stimme dafür mit: Ihr Sopran hat ein nobles, ein unverkennbares dunkles Timbre mit einem dezenten Vibrato und einem warm glänzenden Goldton. Und dazu den langen Atem, den man braucht, um Wagners Melodien strömen zu lassen. Diese Qualitäten haben sie rasch zur international gefragten Interpretin an den großen Opernhäusern der Welt gemacht – mit einem Schwerpunkt auf Wagner- und Strauss-Partien.

2012 war sie am Bolschoi-Theater die Feldmarschallin im „Rosenkavalier“ – „eine der besten, die man auf der Welt finden kann“, schrieb ein Kritiker. Sie hat in Peking die Chrysothemis in „Elektra“ gesungen, in Straßburg die „Isolde“. In Stuttgart sah man sie in Philippe Boesmans zeitgenössischer Oper „Reigen“. Auf der neuen „Ring“-Einspielung von Marek Janowski ist sie Sieglinde in der „Walküre“ dabei; Hamburger Opernbesucher hatten zuletzt 2007/2009 die Gelegenheit, sie als Feldmarschallin zu hören, zuletzt gab 2013 sie ein kurzes Gastspiel in „Ariadne auf Naxos“.

Wie viele ihrer Sänger begann auch Melanie Diener nicht gleich mit dem Singen – erst kam der Klavierunterricht, dann ein Schulmusikstudium und ein Diplom als Klavierlehrerin. „Klavier ist ein motorisches Instrument, das kann man früh anfangen und üben. Anders beim Singen: Da muss sich erst der Körper entwickeln.“ Das Singen ihr Spaß gemacht, aber richtig ernsthaft hat sie es erst nach ein paar Ablehnungen angepackt, „das ist manchmal ganz hilfreich.“ Als Vorbilder nennt sie – „nur ein paar unter vielen“ – Elisabeth Schwarzkopf, Sena Jurinac, Kirsten Flagstadt, Elisabeth Grümmer. Zumindest mental haben sie bei Dieners Karrierestart wohl Pate gestanden: Aus einem Vorsingen am Royal Opera House Covent Garden wurde ein Engagement als Fiordiligi in Mozarts „Cosí“. Mozart-Rollen brachten sie dann nach Paris, Dresden, Tokio, an die Metropolitan Oper in New York.

„Farbe ist das Potenzial meiner Stimme“
Melanie Diener ist stolz auf die dunkle Färbung ihrer Stimme und darauf, dass sie einer eindimensionalen Festlegung auf dramatisch oder lyrisch bisher entgehen konnte. „Farbe ist mein Potenzial meiner Stimme“ – das Spielen mit Klangfarben, das den Gesang komplex, spannend und unverwechselbar macht. „Ein bisschen schwerer, fleischlicher“ sei ihre Stimme geworden in den vergangen 20 Berufsjahren. Heute ist sie 49, da schauen andere schon auf ein Ende der Sängerlaufbahn oder haben es schon hinter sich. Hat sie selbst schon mal daran gedacht. Sie lacht: „Ob ich auf der Bühne sterben will, da bin ich mir nicht sicher. Ich singe so lange, wie es mir Freude bereitet und wie ich Freude bereiten kann.“

Natürlich kann man ein Gespräch mit einer Isolde von Format nicht beenden, ohne sie auf Birgit Nilssons berühmtes Bonmot anzusprechen. Die hatte auf die Frage, was man als Wagner-Sängerin auf der Bühne braucht, lapidar geantwortet: „Bequeme Schuhe“. Was Melanie Diener da hinzufügen würde? „Zehn Ausrufezeichen!“

Zum Programm des Gesprächskonzert am Dienstag gehören zwei Vorträge von Prof. Udo Bermbach, Autor vielbeachteter Bücher über Richard Wagner und von dem Kunsthistoriker Prof. Michael Diers, die den Gründen für die große Wagner-Bewunderung durch französische Künstler und Zeitgenossen Wagners nachspüren und diesen speziellen deutsch-französischen Kulturdialog nachzeichnen.

Revue wagnérienne
Gesprächskonzert mit Melanie Diener, Udo Bermbach und Michael Diers
zur Ausstellung „Manet – Sehen. Der Blick der Moderne“.
Dienstag, 21. Juni, 18:30 bis 21:00 Uhr,
im Werner-Otto-Saal der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall in Hamburg.
Eintritt: 15 €, ermäßigt 10 €

Melanie Diener singt:
Strauss: „Vier letzte Lieder“
Strauss: "Der Rosenkavalier" aus der Hamburger Staatsoper
Wagner: „Tristan und Isolde“, Liebesduett II Akt


Abbildungsnachweis:
Header: Melanie Diener. Quelle: Homepage/PR

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