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Musik

Und entsprach doch damit ganz der Art, den der 63jährige bei seinem Auftritt im Michel an den Tag legte: Bescheiden, zurückhaltend, formvollendet (im schwarzen Frack) – bis hin zur Verbeugung. Nein, der Kalifornier schätzt keine großen Gesten. Hat dafür aber künstlerisch eine klare Vorstellung, auf welchem Weg er sich den Respekt und die Anerkennung der Hamburger wie auch seiner Philharmoniker erobern will: Durch neue Formate – die doch zum Auftakt ein Rückgriff auf alte Traditionen bedeuteten – und akribische Arbeit jenseits der konzertanten Effektschinken.

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Daher ging es als erstes eben nicht in die Hamburger Laeiszhalle mit voller Orchesterbesetzung, sondern ins Herz der hiesigen Musik- und Kulturgeschichte in die Hauptkirche St. Michaelis. Dort fanden sich auf der Empore gerade einmal drei Dutzend Philharmoniker in wechselnden Besetzungen zusammen. „Philharmonische Akademie“ hat Nagano diese neue alte Idee übertitelt, greift auf Tradition und Gedanken des 18. Jahrhunderts zurück, als Konzerte noch einen gesellschaftlichen Bildungsaspekt verfolgten und auch die einzelnen Musiker eines Orchesters im Fokus standen. Dass die Kirchenakustik trotz kleiner Besetzung dennoch nicht ideal ist, offenbarte indes schon Schönbergs erste Kammersymphonie, wo es den Feinmechanismen der Instrumentation doch immer wieder an Schärfe und Präzision mangelte. Und auch Brahms‘ 1859 in Hamburg uraufgeführte Serenade op. 11 verschwamm immer mal wieder, zumal das kammermusikalische Training bei den Philharmonikern bislang offenbar eher zu kurz gekommen ist – der Schlussapplaus hielt sich dann für einen Amtsantritt auch in Grenzen.

Den meisten Beifall erhielt an diesem Abend nicht der Neue, sondern ein alter, weiser Mann: Menahem Pressler, der in Mozarts B-Dur-Klavierkonzert demonstrierte, was es heißt, über dem Konzertalltag zu stehen. Dass Leichtigkeit eben keineswegs Einförmigkeit bedeuten muss, sondern sehr wohl auch Wägen und Wagen, Suchen und Finden beinhalten kann.
Und Nagano? Der geleitete den 91-jährigen Pianisten höflich an den Flügel, lauschte konzentriert dessen völlig losgelöster Chopin-Nocturne-Zugabe und spendete dem freundlichen lächelnden Herrn (beinahe) den meisten Applaus, bevor er selbigen noch einmal auf „sein“ neues Orchester lenkte. Formvollendete Zurückhaltung eben – zumindest damit hatte der Kalifornier an diesem Premiere-Abend einen Großteil des Publikums gewonnen.

Weitere Informationen zum Philharmonischen Staatsorchester Hamburg

Abbildungsnachweis:
Header: Kent Nagano 2014. Foto: Felix Broede

Galerie:
01. Menahem Pressler. Foto Marco Borggreve
02. Blick auf die Michel-Empore
03. Kent Nagano geleitet Menahem Pressler zum Flügel

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