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Festivalleiter, Hochschulprofessor und Cellist Niklas Schmidt erläutert in einem Gespräch mit KulturPort.De-Chefredakteur Claus Friede die Genese des Festivals, die Programmatik sowie die künstlerischen Antriebskräfte.

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Claus Friede (CF): Das Internationale Mendelssohn Festival ist ein junges Musikfest. Wie kam es zur Gründung?

Niklas Schmidt (NS): Das Mendelssohn Festival wird in diesem Jahr und in dieser Form zum dritten Mal stattfinden und ist aus einer ganzen Reihe von Aktivitäten vor dem Jahr 2015 hervorgegangen. Eine dieser ist die sogenannte ‚Mendelssohn Summer School’, die in der vorlesungsfreien Zeit der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg im elften Jahr durchgeführt wird sowie eine Reihe von Festivals, die ich entweder gründete oder betreut habe: die ‚Musikfestspiele Schwäbischer Frühling’ oder die ‚Schubertiade’ in Hamburg und als drittes Beispiel die Reihe ‚Fontenay Classics Kammerkonzerte’, in dessen gleichnamigem Trio ich knapp zwanzig Jahre spielte. So ist das Mendelssohn Festival quasi der Kulminationsort all dessen. Unter diesem Dach laufen die Aktivitäten weiter und so kann ich mich auf die eine, große Veranstaltung im Jahr konzentrieren.

CF: Wie ist die Programmatik des Festivals? Es ist zwar nach einem Komponisten benannt, es stellt sich aber die Frage, welchen Freiraum Sie dem Festival geben...

NS: Ja, richtig, Das Festival ist zwar nach dem in Hamburg geborenen Felix Mendelssohn benannt, aber zu glauben, es kämen nur Werke dieses Komponisten vor, wäre zu begrenzt. Das tut es natürlich nicht. Er wird Nukleus sein und immer wieder auftauchen. Mir ist aber auch die Gegenüberstellung wichtig – die mit den Vorbildern, den Zeitgenossen und den Nachfolgern. In diesem Jahr gibt es eine ganze Reihe von Mendelssohn-Werken zu hören, die musikalisch gut ins Gesamtprogramm passen. Ein zweiter Schwerpunkt bilden Kompositionen des Franzosen Gabriel Fauré, der vor allem Vokal-, Klavier- und Kammermusik schrieb.
Dieser Komponist ist im Festival aus meiner Liebe zu seinem Werk untergebracht – weil ich seine Klangwelt faszinierend finde. Es gibt keinen wirklich intellektuellen Zusammenhang zwischen Mendelssohn und Fauré, eher einen gefühlten.

CF: Ich bin in der Tat über Gabriel Fauré im Programm gestolpert und möchte doch noch einmal nach dem Zusammenhang fragen...

NS: Interessanterweise ergaben sich für mich Verbindungslinien als ich bereits entschieden hatte, dass Fauré ein Schwerpunkt sein würde. Es gibt viel deutlichere Verbindungen und auch große Werke zeitgleich zwischen dem jungen Mendelssohn und Beethoven als zwischen Mendelssohn und Fauré. Aber es gibt eine Parallele zwischen Beethoven und Fauré, denn beide wurden im Alter taub und in ihrer Gehörlosigkeit kompositorisch mutiger.
Es ist meine Erfahrung als Kammermusiker, dass ich Fauré gewählt habe, es passt klanglich sehr gut.

CF: Was muss eine Komposition haben – egal ob von Mendelssohn oder Fauré – um Ihr Interesse zu wecken und im Programm einen Platz zu finden?

NS: Eine umfassende Frage, die schwierig zu beantworten ist. Auch hier muss ich auf meine Erfahrung als Musiker zurückgreifen und mein lebenslanges Hören. Man muss in die Tiefen von Musik geraten und ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch die intensive Beschäftigung mit Werken häufig auch das Gefallen entsteht. Es kommt vor, dass das Stück, mit dem ich mich dann gerade beschäftige zum schönsten überhaupt wird. Ich empfinde es als großes Glück Dinge dadurch verstehen zu können. Ich bin doppelt so alt, wie Mendelssohn jemals wurde – bin kein Genie wie er – aber ich habe gelernt, die Werke und die Musik nachvollziehen zu können.

CF: Meine Frage zielt auch auf den inneren Antrieb, den Sie als Musiker und Festivalleiter haben.

NS: Die Frage stelle ich mir selbst auch sehr oft! Es ist eine unglaubliche Kraft, ohne diese exakt und sprachlich lokalisieren zu können woher sie kommt. Was es nicht ist, weil das Argument allein nicht überzeugend wäre, ist der Satz: ‚Wenn ich es nicht machen würde, würde es das Festival nicht geben’. Das stimmt zwar auch, aber es ist bei mir die pure Leidenschaft! Mich treibt auch an, dass in einem kurzen Zeitraum von zwei Wochen ganz viele Kammermusiker zusammenkommen, was in der normalen Konzertsaison kaum möglich ist. Trotz des organisatorischen Stresses kann ein Musikprogramm zusammengestellt werden, was sich sonst nirgendwo abbilden würde. Und es sind die Auswirkungen auf das Publikum, die ich wahrnehme, von dem es und ich lange zehren können.

CF: Ihre Rolle beim Festival ist ein wenig mit der eines Filmregisseurs vergleichbar, der mit Schauspielern zusammenarbeitet. Sie arbeiten mit musikalischen Interpreten, die sich zielbezogen orientieren. Wie ist Ihre kommunikative Aufgabe zu sehen, wieviel Freiraum lassen Sie und wieviel Vorgaben sollten erfüllt werden?

NS: Ein guter Vergleich. Bei der Programmgestaltung gibt es Vorgaben, aber ich suche mir dann auch die Musiker bewusst aus, wie ein Regisseur sich seine Schauspieler aussucht, und ich weiß genau, wer was gut, gerne und schön spielt. Nach der Auswahl arbeiten wir jedoch auf Augenhöhe und versuchen uns gemeinsam hinter den Komponisten und dessen Werke zu stellen. Davor aber – ja, da bin ich Regisseur.

CF: Die Konzerte werden an drei unterschiedlichen Orten stattfinden: Kirche, Musikhalle und Elbphilharmonie. Welche akustische Bedeutung haben diese drei Orte für das Festival?

NS: In der Tat, eine große! Zu Beginn standen zunächst Kirche und Laeiszhalle zur Verfügung. Viele Werke sind für Kirchenräume geschrieben, vieles habe ich aber auch sich dahin entwickeln lassen. Ein ‚Brandenburgisches Konzert’ ist in der Akustik der Kirche St. Johannis wunderbar. Auch Mendelssohn Streichersinfonien sind in dem Kirchenraum etwas Besonderes. Ich achte in der Regel darauf, dass es Werke ohne Klavierbegleitung sind, weil ich dies dort als schwierig empfinde. Demgegenüber ist wiederum der romantische Orgelklang wichtig.
Die Akustik der Laeiszhalle ist wundervoll und die Elbphilharmonie ist nun in diesem Jahr hinzugekommen und eignet sich natürlich für präzises Kammermusikspiel ausgezeichnet.

CF: Was möchten Sie denn am Ende des Festivals zum Publikum und zu sich sagen können? Gibt es bereits eine vorher festgelegte Ergebnisorientierung?

NS: Es gibt keine feste Überlegung, noch eine Setzung. Das Festival und seine Programmatik sind eher fließend anzusehen. Auffallend ist, dass die Besucher, das Festival wirklich lieben. Mein Interesse ist es nicht, Busladungen von Publikum in die Konzerte zu bekommen. Nein, mir ist einerseits die qualitative Entwicklung des Festivals wichtig, das hat in den ersten Jahren bereits gut funktioniert und anderseits hat es gleichzeitig dafür gesorgt, dass die Besucherzahlen gewachsen sind. Es gibt ein kausales Verhältnis und ich freue mich, wenn das treue Festivalpublikum wieder- und neues hinzukommt.

Internationales Mendelssohn Festival Hamburg 2017
Vom 11. bis 24. September 2017

Elbphilharmonie, Laeiszhalle, St. Johannes Harvestehude
Tickets
Weitere Informationen

KulturPort.De – Follow Arts ist Medienpartner vom Internationalen Mendelssohn Festival und berichtet während des Zeitraums von den Konzerten.


Abbildungsnachweis:
Header: Mendelssohn „Dreiklang“. Grafik: Elke Renate Steiner
Galerie:
01. Kammerkonzert in St. Johannis. Foto: Elke Hartl
02. Innenraum der St. Johanniskirche Harvestehude. Quelle: Wikipedia CC
03. Applaus nach dem Konzert. Foto: Elke Hartl
04. Laieszhalle Hamburg. Foto: Thies Rätzke
05. Kammerkonzert im kleinen Saal der Laeiszhalle. Foto: Elke Hartl
06. Festivalbesucher vor der Laieszhalle. Foto: Elke Hartl
07. Elbphilharmonie. Foto: Ivan Baan.

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