Festivals, Medien & TV

Beeindruckende Bühnenbilder waren schon immer ein Markenzeichen der Bregenzer Festspiele: Ob „Laurence Olivier Award“, „Bühnenbild des Jahres“ oder „Deutscher Bühnenpreis“ – kaum eine Inszenierung blieb in den vergangenen zehn Jahren ohne Auszeichnung. Nun empfiehlt sich das stupende Bühnenbild der Britin Es Devlin (46): Sie hat Carmen, dieses Teufelsweib aus Georges Bizets gleichnamiger Erfolgsoper, in eine gigantische Meeresgöttin verwandelt. Man sieht nur Hände und Unterarme aus dem Bodensee ragen. Die Nägel rot lackiert, die Arme voller Tattoos und zwischen den Fingern eine brennende Zigarette, wirbeln sie einen Stapel überdimensionaler Spielkarten durch die Luft.

Galerie - Bitte Bild klicken
Bizets „Carmen“ sei eine „Oper über Schicksal und Besessenheit zweier Außenseiter“, gab der dänische Regisseur Kasper Holten zu Protokoll, der schon als künstlerischer Leiter der Londoner Covent Garden Opera mit Es Devlin zusammenarbeitete und ihre aufsehenerregenden Bühnenbilder schätzt (nicht nur für Oper und Theater, auch für Pop-Shows von Stars wie Adele, Lady Gaga, Beyoncé oder Miley Cyrus). In den beiden Händen und den Spielkarten sieht Holten die Schicksalshaftigkeit kongenial verkörpert: Carmen, die Zockerin, die Zigeunerin, die das Schicksal aus den Karten zu lesen glaubt.

So phantastisch einfach und selbstverständlich dieses Bühnenbild auch wirkt – man ahnt den hochkomplizierten, computergesteuerten Aufbau, der dahintersteckt: Die Hände, die rechte 18 Meter hoch, die linke 21 Meter, bestehen aus einer Holz-Stahl-Konstruktion, überzogen mit Styropor, Fassadenputz und etlichen Farbschichten an Lack. In jede sind etliche Lautsprecher eingebaut. Das Ensemble wiegt stattliche 44 Tonnen. Auch die 15 „Flying Cards“ bestehen jeweils aus einer 2,5 Tonnen schweren Holzplatte von 30 Quadratmeter Fläche, die sich während der Vorstellung zur Video-Leinwand verwandeln. Selbst im Wasser liegen noch Karten, die sich dank einer Spezialfirma für Steuerungstechnik wie von Zauberhand bewegen sollen.

Knapp 40 Betriebe waren an der sieben Millionen Euro teuren Kulisse beteiligt, Ingenieurbüros, Stahlbaufirmen und Tauchunternehmen ebenso, wie Holzbauer, Maler und Kascheure. Die meisten von ihnen kommen aus der Region.

Der Bregenzerwald ist berühmt für sein Handwerk und seine Architektur. Bereits in den 1960er-Jahren, als Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Ressourcenschonung“ und „Energieeffizienz“ bei den meisten Architekten nur verständnisloses Kopfschütteln ausgelöst hätte, formierten sich hier die „Vorarlberger Baukünstler“ und entwickelten den typischen Baustil, der heute die Region prägt. Charakteristisch sind dabei eine einfache, klare (und bezahlbare) Bauweise im Einklang mit der Natur; der sensible Umgang mit dem historischen Erbe, sowie der konsequente Einsatz von heimischem Holz. Heute begegnet man diesem Baustil auf Schritt und Tritt. Ob Schule oder Scheune, Gewerbebau, Museum oder Musikzentrum – die Häuser sind alle aus Holz und in ihrem Minimalismus international bereits zu einer Art Markenzeichen des Vorarlbergs geworden.
Einer der schönsten Architekturwege führt durch die Dörfer Krumbach, Langenegg, Hittisau, Lingenau, Egg, Schwarzenberg, Adelsbuch, Bezau, Reuthe, Bizau, Mellau und Schnepfau.

Wer die ganze Strecke erwandern und zwischendurch in den gemütlichen Gasthäusern übernachten will, sollte sich eine Woche Zeit nehmen. In den Bergen zu wandern bedeutet auch etliche Höhenmeter zu überwinden und das braucht Übung. Großes Gepäck muss man allerdings nicht mit sich herumschleppen. Gebuchte Touren werden mit Gepäcktransport von Hotel zu Hotel angeboten, so dass ein kleiner Tagesrucksack völlig genügt. Festes Schuhwerk allerdings ist wichtig - egal, wie sommerlich warm es auch sein mag. Die gut ausgeschilderten Wanderwege führen quer über Weiden, Bachläufe und Trampelpfade. Dabei geht es über Stock und Stein, bergauf und bergab. Turnschuhe allein machen es da nicht.
Unsere Reisegruppe startet in Hittisau Richtung Norden. In einem großen Kreis sollen Krumbach, Langenegg und Lingenau erkundet werden.

Das erste Highlight nach Hittisau und einem wundervollen Wanderweg entlang satt-grüner Wiesen scheint von einer höheren Macht mitten in die Landschaft gestellt worden zu sein: Es ist ausnahmsweise nicht aus Holz, sondern aus Metall, genauer gesagt aus einer Ansammlung dichter, metallisch-silbriger Stäbe, durch die eine geschwungene Treppe führt. Das futuristisch anmutende „Wartehüsle“ stammt von dem Japaner Sou Fujimoto und ist eines der Bus-Stopp-Projekte von sieben international renommierten Architekten, mit denen Krumbach 2013 europaweit Aufsehen erregte. Um jedes dieser Architektur-Follies in Augenschein zu nehmen, sollte man wohl einen halben Extra-Tag einplanen. Wir jedoch wandern weiter, um in Langenegg noch zwei Bauten der Architekten Josef Fink und Markus Thurnher zu besichtigen: Kindergarten und Dorfladen (2008 erbaut), beides Paradebeispiele minimalistischer Bregenzerwald-Architektur.

Die Etappe Lingenau-Schwarzenberg am nächsten Tag beginnt mit Anschauungsunterricht in traditioneller Handwerkskunst: Am Ortsausgang des Dorfes verkleiden Zimmerleute eine Fassade mit traditionellen Holzschindeln. Tausende werden für ein Haus benötigt, sie bieten Schutz vor Feuchtigkeit und Kälte, und sind gleichzeitig ein markantes Gestaltungselement. Wir werden noch viele dieser traditionellen Schuppen-Fassaden zu Gesicht bekommen. Das Handwerk boomt, Schindeln sind wieder stark in Mode gekommen sind.

Dann wird es abenteuerlich: Der Quelltuff-Lehrpfad Richtung Schwarzenberg bietet ein echtes Naturschauspiel. Es empfiehlt sich dafür jedoch eine geführte Tour zu buchen, der Einstieg in diesen Pfad liegt so versteckt, dass er für Ortsunkundige nur schwer zu finden ist. Und wer in diese Schlucht allein absteigt und sich den Knöchel verknackst, hat schlechte Karten. In der Gruppe jedoch ist der Abstieg ein unvergessliches Erlebnis: Über einen schmalen Wiesenweg und weiter über Holzstege und -treppen geht es steil abwärts in die wildromantische Subersachschlucht, vorbei an einer 40 Meter hohen Felswand aus honiggelbem Kalkgestein. Diese pilzförmigen Wasserablagerungen aus Kalksinter und Quelltuff sind einfach phantastisch anzuschauen und gehören zu den größten ihrer Art in den Alpen.
Unten angekommen, wartet eine Mutprobe: Eine lange und schmale Hängebrücke, die auf die gegenüberliegende Seite führt. Dort geht es den Hang wieder bergauf zum Großdorfer Feld und weiter nach Egg. Auch in diesem Dorf bilden zahlreiche moderne Holzbauten einen reizvollen Kontrast zum historischen Ortskern.
Wer mit Kindern unterwegs ist oder an Biokosmetik interessiert, sollte in Egg unbedingt einen Abstecher zum Naturhautnah-Bauernhof der Familie Metzler machen. Ingo Metzler und seiner Frau Melitta verwandelten den elterlichen Hof in den vergangenen Jahren in einen innovativen Vorzeigebetrieb mit Restaurant, in dem nicht nur Käse und Kosmetikprodukte aus Molke hergestellt, sondern auch Führungen, Vorträge und Workshops angeboten werden. Während Erwachsenen die Molkeprodukte ausprobieren oder in der hauseigenen Sennschule ihren eigenen Frischkäse herstellen, können die Kids in der „Kleintier-Kuschelzone“ Meerschweinchen, Hühner oder Minishettys streicheln und im ersten „Schaustall Österreichs“ die Rangkämpfe der Ziegen beobachten.

Eine gute Stunde später ist Schwarzenberg erreicht, der Ort, der sich mit einem Angelika Kauffmann Museum (seit 2007) und einem Angelika Kaufmann Saal (seit 2002) zu einem regelrechten Wallfahrtsort der berühmten Künstlerin entwickelt hat.
Angelika Kauffmann (1741-1807) war eine erstaunliche Frau. Hochtalentiert, hochgebildet, Gründungsmitglied der Royal Academy of Art und Ehrenmitglied in den Akademien von Bologna, Florenz und Rom. Anna Amalia von Sachsen-Weimar, Kaiser Joseph II., Goethe, Herder, Winkelmann – alle verehrten diese Malerin, die als „weiblicher Raffael der Kunst“ galt, Aufträge von Kaisern und Königen aus ganz Europa erhielt und ihren Palazzo in Rom, wo sie ab 1781 bis zu ihrem Tod lebte, zum Treffpunkt internationaler Prominenz machte. Obwohl die „cultivierteste Frau in Europa“, wie Johann Gottfried Herder sie später nannte, nach dem Tod ihrer Mutter nur für kurze Zeit mit dem Vater in Schwarzenberg (seinem Heimatdorf) lebte, fühlte sie sich dem Ort zeitlebens verbunden. Die Apostelfresken in der Barockkirche von Schwarzenberg zeugen heute noch von der erstaunlichen Begabung der damals erst 16jährigen Angelika, deren Frauenporträts noch bis zum 26. Oktober 2017 im Angelika-Kauffmann-Museum gezeigt werden. (Wer es besucht, sollte nicht versäumen, einen Blick in die benachbarten Räume werfen. Das Museum ist zweigeteilt und beherbergt unter seinem Dach auch ein Heimatkundemuseum).

Aber Schwarzenberg hat nicht nur hervorragende bildende Kunst zu bieten. Das idyllische Dorf ist seit 2001 auch Hauptsitz der international renommierte Schubertiade, die Hermann Prey 1976 in Hohenems ins Leben gerufen hat Ob Cecilia Bartoli, Brigitte Fassbaender, Edita Gruberova, Cheryl Studer, Francisco Araiza oder Bo Skovhus – hier tritt auf, was Rang und Namen hat und zieht heute jährlich rund 35000 Besucher in die Region. In diesem Jahr (28. August-2. September) ist übrigens Thomas Quasthoff zu Gast und gibt einen Meisterkurs für Liedgesang im Angelika Kauffmann-Saal.

Wer sich für Design und Handwerk interessiert, sollte unbedingt das Werkraumhaus Bregenzerwald in Andelsbuch besuchen, eine gute Stunde Fußmarsch von Schwarzenberg entfernt. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor entwarf das langgestreckte, 2013 eröffnete Gebäude, das mit seinen mächtigen Glasfassaden wie eine überdimensionale Vitrine wirkt. Genauso ist es auch gedacht: Als Schaufenster regionaler Handwerkskultur, in dem nicht nur Ausstellungen, sondern auch Schulungen und Symposien stattfinden. Bereits 1999 schlossen sich 83 Handwerks- und Gewerbebetriebe zum „Werkraum Bregenzerwald“ zusammen, um regionales Handwerk zu pflegen und zu fördern. Für diese Pioniertat wurde der Werkraum erst kürzlich in das „internationale UNESCO-Register guter Praxisbeispiel für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen.

Ja, es ist schon erstaunlich, was der Bregenzerwald alles an Kunst und Kultur zu bieten hat. Wie schön das alles landschaftlich eingebettet ist und wie kurzweilig die Touren sind. Man muss für dieses Vergnügen nämlich gar nicht unbedingt tagelang auf Achse sein: Von Mai bis Oktober werden jeweils Dienstag und Freitag (Treffpunkt 9.30 Uhr im jeweiligen Tourismusbüro) 12 lokale Touren von jeweils eineinhalb bis vier Stunden angeboten. Vom Bregenzer Stadtzentrum erreicht man mit dem Auto jedes der 12 Dörfer innerhalb einer halben Stunde. Und für diejenigen, die lieber auf eigene Faust losgehen hat der Bregenzerwald Tourismus für jeden Dorfrundgang einen eigenen Folder mit Lageplan und ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Bauwerke verfasst, die in jede Hosentasche passen. Gar kein Problem also, nach einer kleinen Landpartie am Abend wieder rechtzeitig bei den Festspielen am See zu sein.

Weitere Informationen zu:
- Umgang Bregenzerwald
- Bregenzer Festspiele Bregenz 
- Angelika Kauffmann Museum Schwarzenberg
- Schubertiade Schwarzenberg, Hohenems
- Werkraum Bregenzerwald
YouTube-Video
Probenbeginn "Carmen", Bregenzer Festspiele 2017


Abbildungsnachweis:
Header: Werkraum Haus. Werkraum Bregenzerwald. Foto: © Peter Löwy
Galerie:
01. Probenbeginn zu „Carmen“ auf der Festspiel Bühne in Bregenz. Foto: Dietmar Mathis
02. Architektur Alt-Neu. Foto: © Christoph Lingg - Bregenzerwald Tourismus
03. Dorfladen in Langenegg. Foto: Isabelle Hofmann
04. Subersachschlucht. Foto: Isabelle Hofmann
05. und 06. Bauernhof Metzler in Egg. Foto: Isabelle Hofmann
07. Ingo Metzler im Ziegenschaustall. Foto: Isabelle Hofmann
08. Kulturzentrum Schwarzenberg. Foto: Isabelle Hofmann
09. Angelika Kauffmann Museum, Schwarzenberg. Foto © Adolf Bereuter - AK Museum
10. Angelika Kauffmann-Saal, Schwarzenberg. Foto: © Peter Mathis - Bregenzerwald Tourismus
11. Gasthof Hirschen in Schwarzenberg. Foto: Isabelle Hofmann
12. Musiker Schubertiade. Foto: © Christoph Lingg - Bregenzerwald Tourismus
13. Werkraum Haus Ansicht mit Bahnhof Foto: © Florian Holzherr - Werkraum Bregenzerwald
14. Bregenzer Festspiele. Foto: © Anja Köhler - Bregenzer Festspiele.