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Bildende Kunst

Man meint ihn ja so gut zu kennen, „unseren“ Liebermann. Gehört er nicht fast zu Hamburg? Sicher, der Künstler war Berliner durch und durch, mit Residenz am Pariser Platz und paradiesisch schönem Landhaus am Wannsee. Aber wer hat den „Abend am Uhlenhorster Fährhaus“ gemalt, die vielen Ruderboote, Liebenspaare und tanzenden Lichter auf der Alster? Durch wen hat das traditionsreiche Café Jacob an der Elbchaussee auf immer und ewig einen Platz in der Kunstgeschichte erhalten? Na eben!
Liebermann hat in Hamburg so viel gemalt und so enge Beziehungen zu Lichtwark und der Kunsthalle geknüpft, dass seine Gemälde gleichsam zur Grundausstattung des Museum gehören. Kann ihnen eine Retrospektive dennoch Überraschendes bieten? Und ob! Denn was sich vor dem inneren Auge eingebrannt hat, sind im Grunde nur ein paar Sahnestückchen aus den späteren Jahren, als der Künstler längst Licht und Farbe in seine Gemälde gebracht hat, das Freizeitleben des Bürgertums am Meer und zu Pferde einfing, mit freiem Pinselduktus einen bedeutenden Zeitgenossen nach dem anderen porträtierte und sich mit Vorliebe seinem zauberhaften Garten widmete. Die Ausstellung „Im Garten von Max Liebermann“ im Hubertus Wald Forum ist sicher noch vielen in guter Erinnerung. Selbstverständlich ist nun auch diese thematisch gegliederte Ausstellung mit Spätwerken gespickt. Dicht an dicht hängen die lichtdurchfluteten Strandszenen, die Gartenbilder, die großen repräsentativen Selbstbildnisse und Bildnisse von Peter Behrens, Gerhart Hauptmann, Baron Berger und anderen - schließlich gehören viele von ihnen zum umfassenden Bestand der Hamburger Kunsthalle. Erwähnenswert ist auch ein eigener Raum mit Pastellen aus Hamburg, die dokumentieren, wie intensiv Liebermann sich in der Stadt umsah.

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Der große Verdienst dieser didaktisch hervorragend aufbereiteten Schau ist jedoch die beeindruckende Fülle kaum bekannter Werke aus nationalen und internationalen Museen, aus dem Kunsthandel und aus Privatbesitz. Natürlich sind sie nicht alle von stupender Qualität, aber sie zeichnen ein überraschend vollständiges Bild von Leben und Werk. Anhand dieser vielen Gemälde, Skizzen, Studien und Zeichnungen, denen zum Teil noch Vorbilder zugeordnet sind, lässt sich die künstlerische Entwicklung, aber auch die geistige Haltung Max Liebermanns hervorragend nachvollziehen.

„Ich bin in meinen Lebensgewohnheiten der vollkommenste Bourgeois“, bekannte der hochgeehrte und mit Ämtern überhäufte Künstler in späten Jahren. Gerade weil er das war - reich, gebildet und weltgewandt - befasste sich der jüdische Fabrikanten-Sohn mit den sozialen Problemen seiner Zeit. Die Armut und Not des besitzlosen vierten Standes war nicht nur im Preußen des späten 19. Jahrhunderts erdrückend. Auch in Holland, wo der junge Künstler früh eine zweite Heimat fand, sowie in Frankreich, wo er in der Malerkolonie in Barbizon die Freilichtmalerei studierte, schufteten Arbeiter und Bauern unter schwierigsten Bedingungen für ihren Lebensunterhalt. Immer und immer wieder schilderte Liebermann das Elend dieser Menschen. Mit düster-realistischen Bildern wie „Die Gänserupferinnen“ (1872), „Die Korbflechter“ (1872) oder „Die Weber“ (1882) führte er den harten Alltag schonungslos vor Augen - und leistete damit zweifellos einen Beitrag zu der breiten sozialen Bewegung, die damals alle Gesellschaftsschichten im deutschen Kaiserreich erfasste. Die Kunstkritik allerdings beschimpfte Liebermann als „Schmutzmaler“ und „Apostel des Hässlichen“, dessen Werke im krassen Gegensatz zu allem stünden, „was jedem natürlichen Auge Wohlgefallen gewährt“. „Die Gänserupferinnen“, das berühmte erstes Hauptwerk, ist in Hamburg leider nicht vertreten. Stattdessen steht das Kunsthallen-Prunkstück und ehemalige Skandalbild „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ im Fokus – umgeben von vielen Milieu-Studien in ihrer erdigen, graubraunen Farbigkeit und ungeschönten Realität frappierend den frühen Van Gogh-Bildern gleichen. Das ist kein Wunder, denn Liebermann war tatsächlich ein Vorbild des sechs Jahre jüngeren Holländers. Es wäre schön gewesen, wenn die Retrospektive das auch deutlich gemacht hätte, denn nur, wer um solche Einflüsse weiß, kann Liebermanns Funktion als „Wegbereiter der Moderne“ wirklich verstehen.

Hamburger Kunsthalle, bis 19.2.2012, Glockengießerwall, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

Bildnachweis:
Header: Detail aus Max Liebermann (1847-1935) , Blumenstauden im Wannseegarten, 1919 , Öl auf Karton, 49,5x74,5 cm. © Privatbesitz, Mönchengladbach.
Galerie:
01. Selbstbildnis, 1909/1910, Öl auf Leinwand, 112x92,5 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
02. Eva, 1883, Öl auf Leinwand, 95,3x67,2 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
03. Wäschetrocknen – Die Bleiche, 1890, Öl auf Holz, 26,5x37,5 cm. © Museum Kunst der Westküste, Föhr
04. In den Zelten (Restaurationsgarten/Biergarten in Leiden), 1900, Öl auf Leinwand, 51x76 cm. © Hamburger Kunsthalle/bpk. Foto: Elke Walford
05. Altes Haus in Hamburg, 1902, Öl auf Leinwand, 71x66 cm. © Privatbesitz
06. Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe, 1902, Öl auf Leinwand, 70x100 cm. © Hamburger Kunsthalle/bpk. Foto: Elke Walford
07. Der Papageienmann, 1902, Öl auf Leinwand, 102,3 x 72,3 cm. © Museum Folkwang, Essen
08. Die Birkenallee im Wannseegarten nach Westen, 1918, Öl auf Leinwand, 75,5x94,5 cm. © Hamburger Kunsthalle/bpk. Foto: Elke Walford
09. Blumenstauden im Wannseegarten, 1919 , Öl auf Karton, 49,5x74,5 cm. © Privatbesitz, Mönchengladbach.
10. Die Enkelin mit der Kinderfrau beim Spiel, 1919, Öl auf Pappe, 28x43 cm. © Privatbesitz. Foto: Martin Adam, Berlin
11. Max Liebermann (1847-1935), Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch, 1932, Öl auf Leinwand, 117,2x89,4 cm. © Hamburger Kunsthalle/bpk. Foto: Elke Walford

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