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Bildende Kunst

Hanno Edelmann ist ein Geschichtenerzähler. Der Hamburger Künstler malt nicht nur einfach Figuren vor stark farbigen, informellen Hintergründen. Er malt Menschen mit Schicksalen. Viele halten den Kopf nachdenklich geneigt oder in die Hände gestützt, andere erscheinen so beredt, dass man sie direkt zu hören vermeint. Die beiden „Kritiker“ beispielsweise, die sich vor einem Bild mit Strichmännchen unterhalten. Die blau-graue Männergruppe, die verschwörerisch die Köpfe zusammensteckt, um ein „Kleines Geheimnis“ zu teilen. Oder der alte Mann mit Hut vor gelbem Grund, gleich zum Auftakt der Schau, der auf einem blauen Zettel die Frage aufgeschrieben hat: „Was ist Kunst?“ - und nun den Besucher so eindringlich anschaut, als erwarte er von ihm die Antwort. Was diese Figuren eint, ist die Melancholie, die sie verströmen. Und ihr seltsam altertümliches Erscheinungsbild Das komplette Personen-Repertoire des 87-jährigen Künstlers scheint aus einer anderen Welt, aus einer anderen Zeit zu stammen. Aus den Romanen von Balzac und Fontane, Dostojewski und Tschechow. „Der 100ste Geburtstag“, ein illustres Trinkgelage um einen weiß gedeckten Tisch, scheint von den Sittengemälden alter Holländer inspiriert. „Das Picknick“ paraphrasiert eindeutig Manets „Frühstück im Freien“. Besonders jedoch kommt einem Chagall in den Sinn – und das nicht nur wegen der gleichen intensiv-leuchtenden Farbigkeit. In Edelmanns Gemälden tauchen immer wieder alte Männer mit dunklen steifen Hüten und langen weißen Rauschebärten auf - ganz ähnlich denen, die wir aus Chagalls Bildern kennen. Das mag damit zusammenhängen, dass Hanno Edelmann 1944 in russische Kriegsgefangenschaft geriet und auf seinem Marsch nach Sibirien mit eben jenem eindrucksvollen Typus Mensch zusammentraf, den schon der gebürtige Weißrusse Chagall in seinen Werken festhielt.
In dem kleinen Katalog, der zur Ausstellung an der Rothenbaumchaussee herauskam, schildert Hanno Edelmann ein Erlebnis von diesem Marsch, das sein ganzes weiteres Schaffen beeinflussen sollte: Unterwegs war der Trupp deutscher Soldaten tagelang in einer Baracke zusammengepfercht, ohne Brot und ohne Hoffnung. Da bat ihn ein Mitgefangener: „Mal uns doch etwas“. Aus Holzkohle und zerriebenem Ziegelstein mischte sich Edelmann die Farben und überzog die weiß gestrichenen Wände mit seinen Figuren. „Du hast uns mit deinen Bildern ein Stück Hoffnung geschenkt“, sagte daraufhin ein älterer Soldat zu ihm. „Aus der Not heraus gibst Du ihnen ein Stück neues Leben“.
Dieses Erlebnis, so Hanno Edelmann, hätte ihn nach dem Krieg „gegen alle Verführungen der abstrakten Kunst“ gefeit. Für ihn war fortan klar, was Kunst ist und was sie bewirken soll: Menschen berühren, indem er ihrem Geist und ihrem Körper Gestalt verleiht. Dass die reine Malerei, die pure Lust an der Farbe deshalb nicht zu kurz kommt, zeigen seine gestischen, zum Teil recht heftigen und unerhört lebendigen Hintergründe – ganz ohne Form.

„Hanno Edelmann – Malerei, Farblithografien, Aquarelle“, bis 20. Oktober in der Galerie im Elysée, Rothenbaumchaussee 10, Hamburg-Rotherbaum.

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